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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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Deutsch-Gstafrika

schwerer Täuschung auszusetzen. Noch zu rechter Zeit erfuhren sie, daß Lüderitz
von Angra Pequenn Besitz ergriffen hatte, und sich zwischen dieses Gebiet und
das portugiesische festzukeilen, überdies ohne eignen Hafen, sah der weitblickende
Peters als Unverstand an. Er wies jetzt mit größerer Warme als bisher
schon auf Usagara in Ostafrika hin, für das ihn Stanleys verführerische Be¬
schreibung lebhaft begeistert hatte. "Wer will Afrika der Gesittung erschließen?"
hatte der Amerikaner gefragt und darauf geantwortet: "Hier ist eine Gelegen¬
heit dazu. Hier, wo man unter den freundlichen Wasagara ohne Furcht nud
Störung wohnen kann. Hier ist das üppigste Grün, das reinste Wasser,
hier sind Thäler voll Getreide, Tamarisken, Mimosen und Gummibäume; Ge¬
sundheit und Überfülle von Lebensbedarf sind gesichert." Man wußte damals
noch nicht, daß Stanleys Beobachtungen zuweilen nicht recht zuverlässig waren,
und so glaubte Peters, was er bei ihm'gelesen hatte, und wußte mit seiner
energischen, oft ungestümen Art den Ausschuß zu bestimmen, am 16. September
1884 ihn, Pfeil und Jühlke zur Erwerbung von Land für eine deutsche Acker¬
bau- und Handelskolonie nach Usagara zu schicken. Das zu kaufende Gebiet
sollte politisch die Möglichkeit bieten, unter die Oberhoheit des Reiches ge¬
nommen zu werden, und wirtschaftlich zur Besiedelung durch deutsche Land¬
wirte geeignet sein. Wäre etwas der Art in Usagara nicht zu haben, so sollten
die drei Herren ermächtigt sein, anderwärts in Ostafrika passendes Land zu
erwerben, wobei der Ausschuß die "feste Erwartung" aussprach, sie würden
"keineswegs, ohne den Ankauf von geeignetem Land irgendwo vollzogen zu
haben, nach Deutschland zurückkommen." Der Erfolg des Unternehmens war,
da man nicht einmal annähernd genügende Kenntnis von Land und Leuten
mitgenommen hatte, schließlich nur ein scheinbarer, zuerst aber sah er über¬
raschend großartig aus.

Am 1. Oktober fuhr die Expedition, der sich in Berlin ein Herr Otto
als Begleiter ans eigne Kosten angeschlossen hatte, von Triest ab, am 4. No¬
vember traf sie in Sansibar ein, wo sie sich in fünf Tagen notdürftig für den
Marsch in das Innere des gegenüberliegenden Festlandes ausrüstete, und zwar
möglichst im geheimen, da mau befürchtete, der dortige Sultan, der seiue Herr¬
schaft über Usagara auszudehnen versucht hatte, werde hier den Deutschen ihren
Plan zu vereiteln bestrebt sein. Am 10. November landeten sie in Saadani
um der Küste der Landschaft Ilseguha, die ohne Aufenthalt durchzogen wurde,
bis man am 2.'!. November nach Mkiudo in Nguru gelangte, wo Peters mit
einem Negerhänptling den ersten Vertrag abschloß. Dann ging es in südwest¬
licher Richtung in Usagara weiter, bis am 4. Dezember das ins Auge gefaßte
Endziel Siena oder Mumm Sagara erreicht wurde. Man hatte in zweiund-
zwanzig Tagen von Snadaui bis hierher etwa dreihundert Kilometer zurück¬
gelegt und während dessen sechs größere Verträge vollzogen. Nun aber ging
es mit den Kräften der Reisenden stark bergab. Alle litten am Fieber des


Deutsch-Gstafrika

schwerer Täuschung auszusetzen. Noch zu rechter Zeit erfuhren sie, daß Lüderitz
von Angra Pequenn Besitz ergriffen hatte, und sich zwischen dieses Gebiet und
das portugiesische festzukeilen, überdies ohne eignen Hafen, sah der weitblickende
Peters als Unverstand an. Er wies jetzt mit größerer Warme als bisher
schon auf Usagara in Ostafrika hin, für das ihn Stanleys verführerische Be¬
schreibung lebhaft begeistert hatte. „Wer will Afrika der Gesittung erschließen?"
hatte der Amerikaner gefragt und darauf geantwortet: „Hier ist eine Gelegen¬
heit dazu. Hier, wo man unter den freundlichen Wasagara ohne Furcht nud
Störung wohnen kann. Hier ist das üppigste Grün, das reinste Wasser,
hier sind Thäler voll Getreide, Tamarisken, Mimosen und Gummibäume; Ge¬
sundheit und Überfülle von Lebensbedarf sind gesichert." Man wußte damals
noch nicht, daß Stanleys Beobachtungen zuweilen nicht recht zuverlässig waren,
und so glaubte Peters, was er bei ihm'gelesen hatte, und wußte mit seiner
energischen, oft ungestümen Art den Ausschuß zu bestimmen, am 16. September
1884 ihn, Pfeil und Jühlke zur Erwerbung von Land für eine deutsche Acker¬
bau- und Handelskolonie nach Usagara zu schicken. Das zu kaufende Gebiet
sollte politisch die Möglichkeit bieten, unter die Oberhoheit des Reiches ge¬
nommen zu werden, und wirtschaftlich zur Besiedelung durch deutsche Land¬
wirte geeignet sein. Wäre etwas der Art in Usagara nicht zu haben, so sollten
die drei Herren ermächtigt sein, anderwärts in Ostafrika passendes Land zu
erwerben, wobei der Ausschuß die „feste Erwartung" aussprach, sie würden
„keineswegs, ohne den Ankauf von geeignetem Land irgendwo vollzogen zu
haben, nach Deutschland zurückkommen." Der Erfolg des Unternehmens war,
da man nicht einmal annähernd genügende Kenntnis von Land und Leuten
mitgenommen hatte, schließlich nur ein scheinbarer, zuerst aber sah er über¬
raschend großartig aus.

Am 1. Oktober fuhr die Expedition, der sich in Berlin ein Herr Otto
als Begleiter ans eigne Kosten angeschlossen hatte, von Triest ab, am 4. No¬
vember traf sie in Sansibar ein, wo sie sich in fünf Tagen notdürftig für den
Marsch in das Innere des gegenüberliegenden Festlandes ausrüstete, und zwar
möglichst im geheimen, da mau befürchtete, der dortige Sultan, der seiue Herr¬
schaft über Usagara auszudehnen versucht hatte, werde hier den Deutschen ihren
Plan zu vereiteln bestrebt sein. Am 10. November landeten sie in Saadani
um der Küste der Landschaft Ilseguha, die ohne Aufenthalt durchzogen wurde,
bis man am 2.'!. November nach Mkiudo in Nguru gelangte, wo Peters mit
einem Negerhänptling den ersten Vertrag abschloß. Dann ging es in südwest¬
licher Richtung in Usagara weiter, bis am 4. Dezember das ins Auge gefaßte
Endziel Siena oder Mumm Sagara erreicht wurde. Man hatte in zweiund-
zwanzig Tagen von Snadaui bis hierher etwa dreihundert Kilometer zurück¬
gelegt und während dessen sechs größere Verträge vollzogen. Nun aber ging
es mit den Kräften der Reisenden stark bergab. Alle litten am Fieber des


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/60>, abgerufen am 23.07.2024.