Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.Maßgebliches lind Unmaßgebliches den leidenschaftlichen Versicherungen einiger Berliner Kritiker allabendlich die edelste Im Zusammenhange damit erklärt es sich auch vielleicht, weshalb gerade Auch eine Verdeutschung. Die von der Leitung des Allgemeinen deutsche" Maßgebliches lind Unmaßgebliches den leidenschaftlichen Versicherungen einiger Berliner Kritiker allabendlich die edelste Im Zusammenhange damit erklärt es sich auch vielleicht, weshalb gerade Auch eine Verdeutschung. Die von der Leitung des Allgemeinen deutsche» <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0491" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/207136"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches lind Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_1381" prev="#ID_1380"> den leidenschaftlichen Versicherungen einiger Berliner Kritiker allabendlich die edelste<lb/> und feinste Blüte der deutschen Schauspielkunst der Gegenwart dem Publikum zeigt,<lb/> hat den „Pfarrer von Kirchfeld" und den ,,Gewissenswnrm" aufgeführt, die<lb/> Münchner Vvlksschauspieler, welche im Gegensatze zur Kunst nur die reine unver¬<lb/> fälschte Natur auf ihre Fahne geschrieben haben, sind mit dem „Ledigen Hos,"<lb/> dem „Fleck ans der Ehr" und andern Stücken Anzengrubers gekommen, und das<lb/> Lessingthcater,, wo man über dem Rahmen der Bühne den Wahlspruch liest, das?<lb/> Kunst und Natur uur eins seien, hat den „Meineidbauer," die „Krenzclschreiber" und<lb/> „Heimg'funden" gespielt. Man hat es also mit Kunst allein, mit Natur allem<lb/> und mit beiden zusammen versucht; aber das Ergebnis war immer dasselbe! große<lb/> Begeisterung eines Teils der Kritik und Unempfänglichreit des Publikums. Man<lb/> wende nicht ein, daß hier nur der alte Gegensatz zwischen der nord- und der süd¬<lb/> deutschen Gefühls- »ud Stimmungswelt zum Ausdruck komme. Die von finger¬<lb/> fertigen Schauspielern aus süddeutsche» Romanen und Novellen herausgeschnittenen<lb/> Theaterstücke der Münchner, die ausschließlich auf die Einwirkungen uns das Gefühl<lb/> gestellt sind, künstlerisch aber viel tiefer als die Anzengrubcrschen Schauspiele stehen,<lb/> haben -..... unter gleichen Bedingungen der Darstellung — in dem kühlen Berliner<lb/> Publikum eine wärmere und viel herzlichere Teilnahme wachgerufen. Es möchte<lb/> deun doch nach solchen Beobachtungen nicht vou der Hund zu weisen sein, daß<lb/> das ganze dichterische Schaffen Anzengrubers mehr im Verstände als im Herzen<lb/> wurzelte, mehr Kunst als Natur war.</p><lb/> <p xml:id="ID_1382"> Im Zusammenhange damit erklärt es sich auch vielleicht, weshalb gerade<lb/> solche TngeSschriftsleller, deren Thätigkeit eine vorwiegend kritische und feuilletouistische,<lb/> also mehr eine verstandesmäßige ist, sich am stärksten durch Anzengruber angezogen<lb/> fühlen. Fritz Manthner und Ludwig Fulda haben sich sogar von Anzengruber<lb/> dichterisch begeistern lassen und zu seinem Gedächtnis ernst gemeinte Verse geschrieben.<lb/> Und noch ein andres wird nicht zufällig, sondern tiefer begründet sein, daß nämlich<lb/> — in Berlin wenigstens — die leidenschaftlichsten Borkämpfer für Ibsen und seine<lb/> Gefolgschaft zugleich die wärmsten Lobredner Anzengrubers sind. Kein Zweifel,<lb/> daß dafür die gemeinsame Vorliebe für das Pathologische entscheidend ist, daß der<lb/> Verstand auf den Verstand wirkt und die „reine, unbefangene Poesie" nur ein be¬<lb/> scheidnes Wörtlein mitspricht.</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> Auch eine Verdeutschung.</head> <p xml:id="ID_1383" next="#ID_1384"> Die von der Leitung des Allgemeinen deutsche»<lb/> Sprachvereins verbreitete» Vorschläge zur Beseitigung vou, Fremdwörtern ans der<lb/> Sprache des Handels sind neulich in dem Berliner Zweigverein beraten worden.<lb/> Dabei erklärte sich dieser Verein n. a. für den Ersatz des Wortes Champagner<lb/> durch Sekt ineben dem vom Entwürfe vorgeschlagnen Schaumwein). Ohne dem<lb/> löblichen Thun des Vereins im mindesten zu nahe treten zu wolle», können wir<lb/> »us doch nicht enthalten, hierzu ein ?! zu machen und dieses Zeichen der Ver¬<lb/> wunderung folgendermaßen zu erläutern. Was ist „Sekt?" Ein Lehnwort aus<lb/> dem Spanischen. Als der Cyperwein durch spanische und kauarische Trockenweine<lb/> verdrängt wurde, bürgerte sich in ganz Nordeuropa auch die spanische Bezeichnung<lb/> loin») 8soo in allerlei Niubilduugeu ein, niederländisch so«, englisch suol u. s. w.<lb/> Allerdings trank man die südlichen Weine wohl selten rein, wie auch heutzutage,<lb/> doch zum Teil aus einem andern Grunde. Der Trinker von damals bedürfte eines<lb/> starken Gaumeureizes und erfreute sich hoffentlich weniger empfindlicher Nerven als<lb/> wir, da er sein Vier mit Muskatnuß zu würzen liebte und den Trockenwein durch<lb/> Zusatz von allerlei Süß und Viltermitteln »ud aufregenden Stoffen verdarb, Wie</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0491]
Maßgebliches lind Unmaßgebliches
den leidenschaftlichen Versicherungen einiger Berliner Kritiker allabendlich die edelste
und feinste Blüte der deutschen Schauspielkunst der Gegenwart dem Publikum zeigt,
hat den „Pfarrer von Kirchfeld" und den ,,Gewissenswnrm" aufgeführt, die
Münchner Vvlksschauspieler, welche im Gegensatze zur Kunst nur die reine unver¬
fälschte Natur auf ihre Fahne geschrieben haben, sind mit dem „Ledigen Hos,"
dem „Fleck ans der Ehr" und andern Stücken Anzengrubers gekommen, und das
Lessingthcater,, wo man über dem Rahmen der Bühne den Wahlspruch liest, das?
Kunst und Natur uur eins seien, hat den „Meineidbauer," die „Krenzclschreiber" und
„Heimg'funden" gespielt. Man hat es also mit Kunst allein, mit Natur allem
und mit beiden zusammen versucht; aber das Ergebnis war immer dasselbe! große
Begeisterung eines Teils der Kritik und Unempfänglichreit des Publikums. Man
wende nicht ein, daß hier nur der alte Gegensatz zwischen der nord- und der süd¬
deutschen Gefühls- »ud Stimmungswelt zum Ausdruck komme. Die von finger¬
fertigen Schauspielern aus süddeutsche» Romanen und Novellen herausgeschnittenen
Theaterstücke der Münchner, die ausschließlich auf die Einwirkungen uns das Gefühl
gestellt sind, künstlerisch aber viel tiefer als die Anzengrubcrschen Schauspiele stehen,
haben -..... unter gleichen Bedingungen der Darstellung — in dem kühlen Berliner
Publikum eine wärmere und viel herzlichere Teilnahme wachgerufen. Es möchte
deun doch nach solchen Beobachtungen nicht vou der Hund zu weisen sein, daß
das ganze dichterische Schaffen Anzengrubers mehr im Verstände als im Herzen
wurzelte, mehr Kunst als Natur war.
Im Zusammenhange damit erklärt es sich auch vielleicht, weshalb gerade
solche TngeSschriftsleller, deren Thätigkeit eine vorwiegend kritische und feuilletouistische,
also mehr eine verstandesmäßige ist, sich am stärksten durch Anzengruber angezogen
fühlen. Fritz Manthner und Ludwig Fulda haben sich sogar von Anzengruber
dichterisch begeistern lassen und zu seinem Gedächtnis ernst gemeinte Verse geschrieben.
Und noch ein andres wird nicht zufällig, sondern tiefer begründet sein, daß nämlich
— in Berlin wenigstens — die leidenschaftlichsten Borkämpfer für Ibsen und seine
Gefolgschaft zugleich die wärmsten Lobredner Anzengrubers sind. Kein Zweifel,
daß dafür die gemeinsame Vorliebe für das Pathologische entscheidend ist, daß der
Verstand auf den Verstand wirkt und die „reine, unbefangene Poesie" nur ein be¬
scheidnes Wörtlein mitspricht.
Auch eine Verdeutschung. Die von der Leitung des Allgemeinen deutsche»
Sprachvereins verbreitete» Vorschläge zur Beseitigung vou, Fremdwörtern ans der
Sprache des Handels sind neulich in dem Berliner Zweigverein beraten worden.
Dabei erklärte sich dieser Verein n. a. für den Ersatz des Wortes Champagner
durch Sekt ineben dem vom Entwürfe vorgeschlagnen Schaumwein). Ohne dem
löblichen Thun des Vereins im mindesten zu nahe treten zu wolle», können wir
»us doch nicht enthalten, hierzu ein ?! zu machen und dieses Zeichen der Ver¬
wunderung folgendermaßen zu erläutern. Was ist „Sekt?" Ein Lehnwort aus
dem Spanischen. Als der Cyperwein durch spanische und kauarische Trockenweine
verdrängt wurde, bürgerte sich in ganz Nordeuropa auch die spanische Bezeichnung
loin») 8soo in allerlei Niubilduugeu ein, niederländisch so«, englisch suol u. s. w.
Allerdings trank man die südlichen Weine wohl selten rein, wie auch heutzutage,
doch zum Teil aus einem andern Grunde. Der Trinker von damals bedürfte eines
starken Gaumeureizes und erfreute sich hoffentlich weniger empfindlicher Nerven als
wir, da er sein Vier mit Muskatnuß zu würzen liebte und den Trockenwein durch
Zusatz von allerlei Süß und Viltermitteln »ud aufregenden Stoffen verdarb, Wie
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