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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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scheint es jetzt zu gelten, bei Monatsangaben die Präposition in wegzulassen:
dos geschah Dezember 1774; in den Kreisen der Literarhistoriker wenigstens
wird es immer mehr so Mode.

Völlig ratlos ist der Deutsche, wenn er für periodisch, d. h. in regel¬
mäßigen Zwischenräumen wiederkehrende Vorgänge eine grammatisch richtige
Zeitbestimmung hinschreiben soll. Da erscheint eine Zeitschrift alle vierzehn
Tage, da entstehen alle Augenblicke Händel, Ja was heißt denn das?
Wenn mir jemand erzählt, er habe sich vierzehn Tage in einem langweiligen
Seebade aufgehalten, so kann ich ihn fragen: Bist dn wirklich alle vierzehn
Tage dort gewesen? Wenn er aber in regelmäßigen Zwischenräumen von je
vierzehn Tagen von seinem Gute nach Berlin fährt, so kommt er doch nicht
alle, sondern aller vierzehn Tage. Mit andern Worten: bei periodisch
wiederkehrenden Handlungen antwortet auf die Frage: Wie oft? nicht der
Akkusativ, sondern der Genetiv. Das Volk drückt sich grammatisch ganz richtig
aus, wenn es sagt: aller Nasenlang. Auch der Höhergebildete sagt ganz
richtig: aller acht Tage, aber -- er getraut sichs nicht zu schreiben, weil er
in granunatischen Dingen so gar unwissend ist; er hält den Genetiv für "plebej"!
Genau so verhält sichs aber auch bei wiederkehrenden Handlungen auf die
Frage: Wann?, auch da hat der Genetiv zu stehen. Auf die Frage: Wann
ist der Eintritt ins Museum frei? kann nur geantwortet werden: Montags
und Donnerstags, wenn damit gesagt sein soll, daß es jeden Montag und
jeden Donnerstag der Fall sei. Ebenso bezeichnet morgens, mittags, nach¬
mittags, abends Handlungen, die jeden Morgen, jeden Mittag u. s. w. ge¬
schehen. Die einmalige Handlung dagegen kann wieder nur durch den Akku¬
sativ bezeichnet werden. Aber auch da giebt es fortwährende Verwirrung;
Genetive, wie Sonntags, Montags, gelten beim Schreiben für unfein, und
umgekehrt drängt sich der Geuetiv ein, wo er nicht hingehört. Ich hatte eine
Zeit lang in regelmäßigen Zwischenräumen in der Zeitung bekannt zu machen,
daß nächste Mittwoch Abend 8 Uhr eine gewisse Versammlung stattfinde.
Regelmäßig hatte mir der Zeitungskorrektvr, der es natürlich besser wußte,
nächste Mittwoch Abends draus gemacht, bis ich mirs endlich einmal auf
dein Manuskript ausdrücklich verbat. Greulich ist es, zu schreiben: Anfangs
April, Anfangs Dezember; es heißt Anfang April, Anfang Dezember,
Mitte Dezember, Ende Dezember; anfangs kann nur allein stehen:
anfangs wollt ich fast verzagen.

Ein widerwärtiger Mißbrauch, der aber auch neuerdings für vornehm
gilt -- natürlich! denn es ist wieder eine Nachäfferei des Französischen --,
ist der Unfug, auf die Frage: Wie lange? mit während zu antworten: wir
waren während dreier Monate in der Schweiz -- die Lehren, die während
achtzehn Jahrhunderten als die Grundlage rechtgläubigen Christentmus
angesehen worden sind. Vielleicht ist es nicht allen Lesern in der Erinnerung,


scheint es jetzt zu gelten, bei Monatsangaben die Präposition in wegzulassen:
dos geschah Dezember 1774; in den Kreisen der Literarhistoriker wenigstens
wird es immer mehr so Mode.

Völlig ratlos ist der Deutsche, wenn er für periodisch, d. h. in regel¬
mäßigen Zwischenräumen wiederkehrende Vorgänge eine grammatisch richtige
Zeitbestimmung hinschreiben soll. Da erscheint eine Zeitschrift alle vierzehn
Tage, da entstehen alle Augenblicke Händel, Ja was heißt denn das?
Wenn mir jemand erzählt, er habe sich vierzehn Tage in einem langweiligen
Seebade aufgehalten, so kann ich ihn fragen: Bist dn wirklich alle vierzehn
Tage dort gewesen? Wenn er aber in regelmäßigen Zwischenräumen von je
vierzehn Tagen von seinem Gute nach Berlin fährt, so kommt er doch nicht
alle, sondern aller vierzehn Tage. Mit andern Worten: bei periodisch
wiederkehrenden Handlungen antwortet auf die Frage: Wie oft? nicht der
Akkusativ, sondern der Genetiv. Das Volk drückt sich grammatisch ganz richtig
aus, wenn es sagt: aller Nasenlang. Auch der Höhergebildete sagt ganz
richtig: aller acht Tage, aber — er getraut sichs nicht zu schreiben, weil er
in granunatischen Dingen so gar unwissend ist; er hält den Genetiv für „plebej"!
Genau so verhält sichs aber auch bei wiederkehrenden Handlungen auf die
Frage: Wann?, auch da hat der Genetiv zu stehen. Auf die Frage: Wann
ist der Eintritt ins Museum frei? kann nur geantwortet werden: Montags
und Donnerstags, wenn damit gesagt sein soll, daß es jeden Montag und
jeden Donnerstag der Fall sei. Ebenso bezeichnet morgens, mittags, nach¬
mittags, abends Handlungen, die jeden Morgen, jeden Mittag u. s. w. ge¬
schehen. Die einmalige Handlung dagegen kann wieder nur durch den Akku¬
sativ bezeichnet werden. Aber auch da giebt es fortwährende Verwirrung;
Genetive, wie Sonntags, Montags, gelten beim Schreiben für unfein, und
umgekehrt drängt sich der Geuetiv ein, wo er nicht hingehört. Ich hatte eine
Zeit lang in regelmäßigen Zwischenräumen in der Zeitung bekannt zu machen,
daß nächste Mittwoch Abend 8 Uhr eine gewisse Versammlung stattfinde.
Regelmäßig hatte mir der Zeitungskorrektvr, der es natürlich besser wußte,
nächste Mittwoch Abends draus gemacht, bis ich mirs endlich einmal auf
dein Manuskript ausdrücklich verbat. Greulich ist es, zu schreiben: Anfangs
April, Anfangs Dezember; es heißt Anfang April, Anfang Dezember,
Mitte Dezember, Ende Dezember; anfangs kann nur allein stehen:
anfangs wollt ich fast verzagen.

Ein widerwärtiger Mißbrauch, der aber auch neuerdings für vornehm
gilt — natürlich! denn es ist wieder eine Nachäfferei des Französischen —,
ist der Unfug, auf die Frage: Wie lange? mit während zu antworten: wir
waren während dreier Monate in der Schweiz — die Lehren, die während
achtzehn Jahrhunderten als die Grundlage rechtgläubigen Christentmus
angesehen worden sind. Vielleicht ist es nicht allen Lesern in der Erinnerung,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/423>, abgerufen am 23.07.2024.