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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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Denkwürdigkeiten des Herzogs von Uolmrg

des einmütiger Willens der Bewohner Holsteins und des deutschen Volkes
unterstützen."

Der Herzog Ernst ließ nun Bleiben über seine beiden Unterredungen mit
Napoleon und die Übergabe der Denkschrift nach Kiel berichten, wobei die
Hoffnung, daß sie ihre Wirkung nicht verfehlen werde, ausgesprochen, auch
bemerkt wurde, der Friede sei bis jetzt in keiner Weise gefährdet. Die letztre
Vehcmptnng fand sich durch die Besprechungen bestätigt, die der Herzog in den
nächsten Tagen mit Mvruy und Drouin de L'Huys hatte. Der letztere be¬
hauptete, daß man in den offiziellen Kreisen Frankreichs weder an Dänemark
noch an der ganzen Sache besondern Anteil nehme. Man halte zwar an dem
Londoner Protokoll von 1852 fest, weil es einmal vorhanden sei, fühle sich
aber in keiner Weise verpflichtet, den veränderten Umständen zum Trotze dabei
zu verbleiben. Die Haltung Preußens und Österreichs wollte der Minister
ebenso wenig wie Morny verstehen können. Die passive Haltung Frankreichs
erklärte er mit der Befürchtung, man könne den Franzosen Ervberungspläue
gegen Deutschland beimessen. Eine Konferenz werde mau mir beschicken, wenn
auch der deutsche Bund vertreten sei. Der Herzog erwiderte, der Bund werde
sich auf keine Konferenz einlassen, deren Programm nicht vorher bestimmt for-
mulirt und ihm mitgeteilt sei, insbesondre auch dann nicht, wenn zu befürchten
sei, daß auf einer solchen Konferenz die Personalunion als Grundlage der Ver¬
handlungen angenommen werden würde. "Als der Minister hierauf meinte,
daß Osterreich und Preußen sich gerade für diese besonders zu interessiren
schienen, benutzte Se. Hoheit die Gelegenheit, um die Widersinnigkeit eines
solchen Arrangements sowohl vom deutschen als vom dänischen Standpunkte
auseinanderzusetzen. Die beste Lösung, meinte der Minister, werde schließlich
die sein, daß man die Entscheidung in der Successionsfrage von einer Ab¬
stimmung der Bevölkerung der Herzogtümer abhängig mache." Der Bericht
über dieses Gespräch, den der Herzog, wahrscheinlich wieder für die Kieler,
aufzeichnen ließ, faßt den Eindruck, den es auf den Herzog gemacht hatte,
dahin zusammen, "es herrsche in Paris viel Wohlwollen sowohl für den Herzog
Friedrich als auch für die Bevölkerung der Herzogtümer und durchaus keine
Voreingenommenheit gegen beide; daneben sei aber allerdings eine gewisse Scheu
vorhanden, in der Sache die Initiative zu ergreifen, aus einer begreiflichen
Furcht, hier wieder, wie in der polnischen und andern Fragen, schließlich doch
im Stiche gelassen zu werden."

Am 18. Mürz verabschiedete sich der Herzog vom Kaiser, wobei es zu
einer dritten Besprechung der Schleswig-holsteinischen Frage kam, über die
abermals durch Bleiken nach Kiel berichtet wurde. Man gedachte zuerst der
Möglichkeit von Konferenzen, und der Kaiser war der Ansicht, daß Konferenzen
anf der Basis des Londoner Protokolls, wie England und Dänemark sie
wollten, zwecklos sein würden, da entweder der Vertrag von 1852 noch gelte,


Denkwürdigkeiten des Herzogs von Uolmrg

des einmütiger Willens der Bewohner Holsteins und des deutschen Volkes
unterstützen."

Der Herzog Ernst ließ nun Bleiben über seine beiden Unterredungen mit
Napoleon und die Übergabe der Denkschrift nach Kiel berichten, wobei die
Hoffnung, daß sie ihre Wirkung nicht verfehlen werde, ausgesprochen, auch
bemerkt wurde, der Friede sei bis jetzt in keiner Weise gefährdet. Die letztre
Vehcmptnng fand sich durch die Besprechungen bestätigt, die der Herzog in den
nächsten Tagen mit Mvruy und Drouin de L'Huys hatte. Der letztere be¬
hauptete, daß man in den offiziellen Kreisen Frankreichs weder an Dänemark
noch an der ganzen Sache besondern Anteil nehme. Man halte zwar an dem
Londoner Protokoll von 1852 fest, weil es einmal vorhanden sei, fühle sich
aber in keiner Weise verpflichtet, den veränderten Umständen zum Trotze dabei
zu verbleiben. Die Haltung Preußens und Österreichs wollte der Minister
ebenso wenig wie Morny verstehen können. Die passive Haltung Frankreichs
erklärte er mit der Befürchtung, man könne den Franzosen Ervberungspläue
gegen Deutschland beimessen. Eine Konferenz werde mau mir beschicken, wenn
auch der deutsche Bund vertreten sei. Der Herzog erwiderte, der Bund werde
sich auf keine Konferenz einlassen, deren Programm nicht vorher bestimmt for-
mulirt und ihm mitgeteilt sei, insbesondre auch dann nicht, wenn zu befürchten
sei, daß auf einer solchen Konferenz die Personalunion als Grundlage der Ver¬
handlungen angenommen werden würde. „Als der Minister hierauf meinte,
daß Osterreich und Preußen sich gerade für diese besonders zu interessiren
schienen, benutzte Se. Hoheit die Gelegenheit, um die Widersinnigkeit eines
solchen Arrangements sowohl vom deutschen als vom dänischen Standpunkte
auseinanderzusetzen. Die beste Lösung, meinte der Minister, werde schließlich
die sein, daß man die Entscheidung in der Successionsfrage von einer Ab¬
stimmung der Bevölkerung der Herzogtümer abhängig mache." Der Bericht
über dieses Gespräch, den der Herzog, wahrscheinlich wieder für die Kieler,
aufzeichnen ließ, faßt den Eindruck, den es auf den Herzog gemacht hatte,
dahin zusammen, „es herrsche in Paris viel Wohlwollen sowohl für den Herzog
Friedrich als auch für die Bevölkerung der Herzogtümer und durchaus keine
Voreingenommenheit gegen beide; daneben sei aber allerdings eine gewisse Scheu
vorhanden, in der Sache die Initiative zu ergreifen, aus einer begreiflichen
Furcht, hier wieder, wie in der polnischen und andern Fragen, schließlich doch
im Stiche gelassen zu werden."

Am 18. Mürz verabschiedete sich der Herzog vom Kaiser, wobei es zu
einer dritten Besprechung der Schleswig-holsteinischen Frage kam, über die
abermals durch Bleiken nach Kiel berichtet wurde. Man gedachte zuerst der
Möglichkeit von Konferenzen, und der Kaiser war der Ansicht, daß Konferenzen
anf der Basis des Londoner Protokolls, wie England und Dänemark sie
wollten, zwecklos sein würden, da entweder der Vertrag von 1852 noch gelte,


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[0416] Denkwürdigkeiten des Herzogs von Uolmrg des einmütiger Willens der Bewohner Holsteins und des deutschen Volkes unterstützen." Der Herzog Ernst ließ nun Bleiben über seine beiden Unterredungen mit Napoleon und die Übergabe der Denkschrift nach Kiel berichten, wobei die Hoffnung, daß sie ihre Wirkung nicht verfehlen werde, ausgesprochen, auch bemerkt wurde, der Friede sei bis jetzt in keiner Weise gefährdet. Die letztre Vehcmptnng fand sich durch die Besprechungen bestätigt, die der Herzog in den nächsten Tagen mit Mvruy und Drouin de L'Huys hatte. Der letztere be¬ hauptete, daß man in den offiziellen Kreisen Frankreichs weder an Dänemark noch an der ganzen Sache besondern Anteil nehme. Man halte zwar an dem Londoner Protokoll von 1852 fest, weil es einmal vorhanden sei, fühle sich aber in keiner Weise verpflichtet, den veränderten Umständen zum Trotze dabei zu verbleiben. Die Haltung Preußens und Österreichs wollte der Minister ebenso wenig wie Morny verstehen können. Die passive Haltung Frankreichs erklärte er mit der Befürchtung, man könne den Franzosen Ervberungspläue gegen Deutschland beimessen. Eine Konferenz werde mau mir beschicken, wenn auch der deutsche Bund vertreten sei. Der Herzog erwiderte, der Bund werde sich auf keine Konferenz einlassen, deren Programm nicht vorher bestimmt for- mulirt und ihm mitgeteilt sei, insbesondre auch dann nicht, wenn zu befürchten sei, daß auf einer solchen Konferenz die Personalunion als Grundlage der Ver¬ handlungen angenommen werden würde. „Als der Minister hierauf meinte, daß Osterreich und Preußen sich gerade für diese besonders zu interessiren schienen, benutzte Se. Hoheit die Gelegenheit, um die Widersinnigkeit eines solchen Arrangements sowohl vom deutschen als vom dänischen Standpunkte auseinanderzusetzen. Die beste Lösung, meinte der Minister, werde schließlich die sein, daß man die Entscheidung in der Successionsfrage von einer Ab¬ stimmung der Bevölkerung der Herzogtümer abhängig mache." Der Bericht über dieses Gespräch, den der Herzog, wahrscheinlich wieder für die Kieler, aufzeichnen ließ, faßt den Eindruck, den es auf den Herzog gemacht hatte, dahin zusammen, „es herrsche in Paris viel Wohlwollen sowohl für den Herzog Friedrich als auch für die Bevölkerung der Herzogtümer und durchaus keine Voreingenommenheit gegen beide; daneben sei aber allerdings eine gewisse Scheu vorhanden, in der Sache die Initiative zu ergreifen, aus einer begreiflichen Furcht, hier wieder, wie in der polnischen und andern Fragen, schließlich doch im Stiche gelassen zu werden." Am 18. Mürz verabschiedete sich der Herzog vom Kaiser, wobei es zu einer dritten Besprechung der Schleswig-holsteinischen Frage kam, über die abermals durch Bleiken nach Kiel berichtet wurde. Man gedachte zuerst der Möglichkeit von Konferenzen, und der Kaiser war der Ansicht, daß Konferenzen anf der Basis des Londoner Protokolls, wie England und Dänemark sie wollten, zwecklos sein würden, da entweder der Vertrag von 1852 noch gelte,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/416>, abgerufen am 23.07.2024.