Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Humor und Komi? in der griechischen Kunst

kölnische Element hierbei keine Rolle spielen könnte; die griechischen Heldensagen
haben ja dem größten Teile nach einen ernsten, vielfach tragischen Charakter.
Trotzdem fehlt es auch hier nicht um einzelnen Zügen, die den Ernst etwas
mildern. So ist der gewaltige Held Herakles zwar mit seinen kraftvollen
Thaten, seinem nimmer Ruhe findenden Erdendasein und seinem schrecklichen
Ende an sich kein Gegenstand für die komische Seite der Kunst; aber derselbe
Herakles wird doch bisweilen bei den Dichtern auch als ein gewaltiger Fresser
vor dem Herrn aufgefaßt, der daneben den Becher, und zwar einen recht großen,
nicht verschmäht; und einen Reflex davon finden wir nicht selten auch in den
Kunstwerken, die ihn trunken darstellen, jn sogar den Heros in der Situation
des berüchtigten Brüsseler "Münnelens" vorzuführen sich nicht scheuen. Aber
auch seinen Thaten ließ sich bisweilen hie und da eine humoristische Seite
nbgewinuen. Von der Olhmpimnetvpe, wo er die Äpfel der Hesperiden holt,
ist bereits die Rede gewesen; auch das Abenteuer mit dem erymanthischen
Eber bekommt dadurch einen humoristischen Anstrich, daß Herakles den Eber,
den er lebendig gefangen hat, auf seinen Schultern herbeischleppt, und der feige
Eurhstheus sich vor Angst in ein großes Faß verkriecht, ans dem er nur mit
dem Oberkörper herausragt, in Verzweiflung dem Ungetüm, das Herakles ans
ihn zu schleudern droht, beide Arme entgegenstreckend.. Und ganz besonders
drastisch wirkt es, wenn wir den Helden im Dienste der Omphale sehen, an¬
gethan mit Frauenkleidern, den Spinnrocken in der Hand, während die trium-
phirende Schöne sich der Keule und des Löwenfelles ihres Geliebten bemächtigt
hat. Auf einem pompejanischen Wandgemälde stützt sich Herakles schwach und
matt auf den verschmitzt zu ihm in die Höhe sehenden Priap, während ein
kleiner Eröe hinter seiner Schulter ihm mit der Doppelflöte ins Ohr bläst,
daß der Held unmutig sich zur andern Seite wendet, von der ihm lärmendes
Kesfelpaukengetön entgegenschritt. Sein gewaltiger Trinkbecher liegt am Boden,
und vergeblich bemüht sich ein kleiner Eros, das schwere Gefäß aufzuheben,
während ein andrer neugierig den langen Rock des Pricipos lüftet.

Weniger Spuren ironischer oder humoristischer BeHandlungsweise zeigen
die Thaten des attischen Heros Theseus, obgleich die Bestrafung des Fichten¬
beugers oder des Prokrustes sich dazu nicht übel geeignet hätte. Aber recht
bezeichnend und scherzhaft ist es, wie auf einen? Vasengemälde (vermutlich uach
einer dichterischen Quelle) es gerechtfertigt wird, daß Theseus die von Kreta
mitgenommene Ariadne so treulos auf Naxos sitzen läßt. Hier erscheint
nämlich Athene und treibt mit drohend erhobenem Finger den Helden, der
offenbar sehr gern bei seiner hübschen Braut geblieben wäre, fort; diese aber
wird von dem ihr bestimmten Bräutigam Divnhsos liebevoll begrüßt. Auf
einem andern Gemälde schläft Ariadne unter Weinranken, während Theseus
mit der linken Hand seine Snudaleu aufhebt, um sich möglichst geräuschlos
aus dem Staube zu machen.


Humor und Komi? in der griechischen Kunst

kölnische Element hierbei keine Rolle spielen könnte; die griechischen Heldensagen
haben ja dem größten Teile nach einen ernsten, vielfach tragischen Charakter.
Trotzdem fehlt es auch hier nicht um einzelnen Zügen, die den Ernst etwas
mildern. So ist der gewaltige Held Herakles zwar mit seinen kraftvollen
Thaten, seinem nimmer Ruhe findenden Erdendasein und seinem schrecklichen
Ende an sich kein Gegenstand für die komische Seite der Kunst; aber derselbe
Herakles wird doch bisweilen bei den Dichtern auch als ein gewaltiger Fresser
vor dem Herrn aufgefaßt, der daneben den Becher, und zwar einen recht großen,
nicht verschmäht; und einen Reflex davon finden wir nicht selten auch in den
Kunstwerken, die ihn trunken darstellen, jn sogar den Heros in der Situation
des berüchtigten Brüsseler „Münnelens" vorzuführen sich nicht scheuen. Aber
auch seinen Thaten ließ sich bisweilen hie und da eine humoristische Seite
nbgewinuen. Von der Olhmpimnetvpe, wo er die Äpfel der Hesperiden holt,
ist bereits die Rede gewesen; auch das Abenteuer mit dem erymanthischen
Eber bekommt dadurch einen humoristischen Anstrich, daß Herakles den Eber,
den er lebendig gefangen hat, auf seinen Schultern herbeischleppt, und der feige
Eurhstheus sich vor Angst in ein großes Faß verkriecht, ans dem er nur mit
dem Oberkörper herausragt, in Verzweiflung dem Ungetüm, das Herakles ans
ihn zu schleudern droht, beide Arme entgegenstreckend.. Und ganz besonders
drastisch wirkt es, wenn wir den Helden im Dienste der Omphale sehen, an¬
gethan mit Frauenkleidern, den Spinnrocken in der Hand, während die trium-
phirende Schöne sich der Keule und des Löwenfelles ihres Geliebten bemächtigt
hat. Auf einem pompejanischen Wandgemälde stützt sich Herakles schwach und
matt auf den verschmitzt zu ihm in die Höhe sehenden Priap, während ein
kleiner Eröe hinter seiner Schulter ihm mit der Doppelflöte ins Ohr bläst,
daß der Held unmutig sich zur andern Seite wendet, von der ihm lärmendes
Kesfelpaukengetön entgegenschritt. Sein gewaltiger Trinkbecher liegt am Boden,
und vergeblich bemüht sich ein kleiner Eros, das schwere Gefäß aufzuheben,
während ein andrer neugierig den langen Rock des Pricipos lüftet.

Weniger Spuren ironischer oder humoristischer BeHandlungsweise zeigen
die Thaten des attischen Heros Theseus, obgleich die Bestrafung des Fichten¬
beugers oder des Prokrustes sich dazu nicht übel geeignet hätte. Aber recht
bezeichnend und scherzhaft ist es, wie auf einen? Vasengemälde (vermutlich uach
einer dichterischen Quelle) es gerechtfertigt wird, daß Theseus die von Kreta
mitgenommene Ariadne so treulos auf Naxos sitzen läßt. Hier erscheint
nämlich Athene und treibt mit drohend erhobenem Finger den Helden, der
offenbar sehr gern bei seiner hübschen Braut geblieben wäre, fort; diese aber
wird von dem ihr bestimmten Bräutigam Divnhsos liebevoll begrüßt. Auf
einem andern Gemälde schläft Ariadne unter Weinranken, während Theseus
mit der linken Hand seine Snudaleu aufhebt, um sich möglichst geräuschlos
aus dem Staube zu machen.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0376" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/207021"/>
          <fw type="header" place="top"> Humor und Komi? in der griechischen Kunst</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_988" prev="#ID_987"> kölnische Element hierbei keine Rolle spielen könnte; die griechischen Heldensagen<lb/>
haben ja dem größten Teile nach einen ernsten, vielfach tragischen Charakter.<lb/>
Trotzdem fehlt es auch hier nicht um einzelnen Zügen, die den Ernst etwas<lb/>
mildern. So ist der gewaltige Held Herakles zwar mit seinen kraftvollen<lb/>
Thaten, seinem nimmer Ruhe findenden Erdendasein und seinem schrecklichen<lb/>
Ende an sich kein Gegenstand für die komische Seite der Kunst; aber derselbe<lb/>
Herakles wird doch bisweilen bei den Dichtern auch als ein gewaltiger Fresser<lb/>
vor dem Herrn aufgefaßt, der daneben den Becher, und zwar einen recht großen,<lb/>
nicht verschmäht; und einen Reflex davon finden wir nicht selten auch in den<lb/>
Kunstwerken, die ihn trunken darstellen, jn sogar den Heros in der Situation<lb/>
des berüchtigten Brüsseler &#x201E;Münnelens" vorzuführen sich nicht scheuen. Aber<lb/>
auch seinen Thaten ließ sich bisweilen hie und da eine humoristische Seite<lb/>
nbgewinuen. Von der Olhmpimnetvpe, wo er die Äpfel der Hesperiden holt,<lb/>
ist bereits die Rede gewesen; auch das Abenteuer mit dem erymanthischen<lb/>
Eber bekommt dadurch einen humoristischen Anstrich, daß Herakles den Eber,<lb/>
den er lebendig gefangen hat, auf seinen Schultern herbeischleppt, und der feige<lb/>
Eurhstheus sich vor Angst in ein großes Faß verkriecht, ans dem er nur mit<lb/>
dem Oberkörper herausragt, in Verzweiflung dem Ungetüm, das Herakles ans<lb/>
ihn zu schleudern droht, beide Arme entgegenstreckend.. Und ganz besonders<lb/>
drastisch wirkt es, wenn wir den Helden im Dienste der Omphale sehen, an¬<lb/>
gethan mit Frauenkleidern, den Spinnrocken in der Hand, während die trium-<lb/>
phirende Schöne sich der Keule und des Löwenfelles ihres Geliebten bemächtigt<lb/>
hat. Auf einem pompejanischen Wandgemälde stützt sich Herakles schwach und<lb/>
matt auf den verschmitzt zu ihm in die Höhe sehenden Priap, während ein<lb/>
kleiner Eröe hinter seiner Schulter ihm mit der Doppelflöte ins Ohr bläst,<lb/>
daß der Held unmutig sich zur andern Seite wendet, von der ihm lärmendes<lb/>
Kesfelpaukengetön entgegenschritt. Sein gewaltiger Trinkbecher liegt am Boden,<lb/>
und vergeblich bemüht sich ein kleiner Eros, das schwere Gefäß aufzuheben,<lb/>
während ein andrer neugierig den langen Rock des Pricipos lüftet.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_989"> Weniger Spuren ironischer oder humoristischer BeHandlungsweise zeigen<lb/>
die Thaten des attischen Heros Theseus, obgleich die Bestrafung des Fichten¬<lb/>
beugers oder des Prokrustes sich dazu nicht übel geeignet hätte. Aber recht<lb/>
bezeichnend und scherzhaft ist es, wie auf einen? Vasengemälde (vermutlich uach<lb/>
einer dichterischen Quelle) es gerechtfertigt wird, daß Theseus die von Kreta<lb/>
mitgenommene Ariadne so treulos auf Naxos sitzen läßt. Hier erscheint<lb/>
nämlich Athene und treibt mit drohend erhobenem Finger den Helden, der<lb/>
offenbar sehr gern bei seiner hübschen Braut geblieben wäre, fort; diese aber<lb/>
wird von dem ihr bestimmten Bräutigam Divnhsos liebevoll begrüßt. Auf<lb/>
einem andern Gemälde schläft Ariadne unter Weinranken, während Theseus<lb/>
mit der linken Hand seine Snudaleu aufhebt, um sich möglichst geräuschlos<lb/>
aus dem Staube zu machen.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0376] Humor und Komi? in der griechischen Kunst kölnische Element hierbei keine Rolle spielen könnte; die griechischen Heldensagen haben ja dem größten Teile nach einen ernsten, vielfach tragischen Charakter. Trotzdem fehlt es auch hier nicht um einzelnen Zügen, die den Ernst etwas mildern. So ist der gewaltige Held Herakles zwar mit seinen kraftvollen Thaten, seinem nimmer Ruhe findenden Erdendasein und seinem schrecklichen Ende an sich kein Gegenstand für die komische Seite der Kunst; aber derselbe Herakles wird doch bisweilen bei den Dichtern auch als ein gewaltiger Fresser vor dem Herrn aufgefaßt, der daneben den Becher, und zwar einen recht großen, nicht verschmäht; und einen Reflex davon finden wir nicht selten auch in den Kunstwerken, die ihn trunken darstellen, jn sogar den Heros in der Situation des berüchtigten Brüsseler „Münnelens" vorzuführen sich nicht scheuen. Aber auch seinen Thaten ließ sich bisweilen hie und da eine humoristische Seite nbgewinuen. Von der Olhmpimnetvpe, wo er die Äpfel der Hesperiden holt, ist bereits die Rede gewesen; auch das Abenteuer mit dem erymanthischen Eber bekommt dadurch einen humoristischen Anstrich, daß Herakles den Eber, den er lebendig gefangen hat, auf seinen Schultern herbeischleppt, und der feige Eurhstheus sich vor Angst in ein großes Faß verkriecht, ans dem er nur mit dem Oberkörper herausragt, in Verzweiflung dem Ungetüm, das Herakles ans ihn zu schleudern droht, beide Arme entgegenstreckend.. Und ganz besonders drastisch wirkt es, wenn wir den Helden im Dienste der Omphale sehen, an¬ gethan mit Frauenkleidern, den Spinnrocken in der Hand, während die trium- phirende Schöne sich der Keule und des Löwenfelles ihres Geliebten bemächtigt hat. Auf einem pompejanischen Wandgemälde stützt sich Herakles schwach und matt auf den verschmitzt zu ihm in die Höhe sehenden Priap, während ein kleiner Eröe hinter seiner Schulter ihm mit der Doppelflöte ins Ohr bläst, daß der Held unmutig sich zur andern Seite wendet, von der ihm lärmendes Kesfelpaukengetön entgegenschritt. Sein gewaltiger Trinkbecher liegt am Boden, und vergeblich bemüht sich ein kleiner Eros, das schwere Gefäß aufzuheben, während ein andrer neugierig den langen Rock des Pricipos lüftet. Weniger Spuren ironischer oder humoristischer BeHandlungsweise zeigen die Thaten des attischen Heros Theseus, obgleich die Bestrafung des Fichten¬ beugers oder des Prokrustes sich dazu nicht übel geeignet hätte. Aber recht bezeichnend und scherzhaft ist es, wie auf einen? Vasengemälde (vermutlich uach einer dichterischen Quelle) es gerechtfertigt wird, daß Theseus die von Kreta mitgenommene Ariadne so treulos auf Naxos sitzen läßt. Hier erscheint nämlich Athene und treibt mit drohend erhobenem Finger den Helden, der offenbar sehr gern bei seiner hübschen Braut geblieben wäre, fort; diese aber wird von dem ihr bestimmten Bräutigam Divnhsos liebevoll begrüßt. Auf einem andern Gemälde schläft Ariadne unter Weinranken, während Theseus mit der linken Hand seine Snudaleu aufhebt, um sich möglichst geräuschlos aus dem Staube zu machen.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/376
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/376>, abgerufen am 23.07.2024.