derartigen Überfällen machte die kleinen Potentaten dieser Gegenden abhängig und nachgiebig gegen den Willen der französischen Herrscher, und schon lange vor dem Rheinbünde geboten sie zuweilen über deren Kräfte wie über die von Vasallen, ja noch Jahrzehnte lang, noch bis tief in die Zeit des deutschen Bundes hinein machte sich in Baden, Württemberg, Baiern und Hessen-Darm¬ stadt französischer Einfluß geltend, da man im Frieden von 1814 versäumt oder, durch den Neid der mit Deutschland verbündeten Mächte genötigt, unter¬ lassen hatte, Frankreich eins der Mittel zu erfolgreichen Feldzügen gegen den östlichen Nachbar zu nehmen. stosset widerlegt mit seiner Erinnerung an den ewigen Krieg zwischen Frankreich und Deutschland selbst seine Behauptung, es sei eine schwere Unterlassungssünde gewesen, nach den deutschen Siegen des letzten Krieges das Verhältnis Deutschlands zu Frankreich nicht wieder herzu¬ stellen, wie es bis 1870 im Juli bestanden hatte. Vielleicht ließe sich von einer solchen Sünde reden, wenn man die Genügsamkeit ins Auge faßt, die von einer Wiederherausgabe des im westfälischen Frieden von uns an Frank¬ reich Verlornen Gebietes absehen ließ. Doch dies beiseite: der deutsche Reichs¬ kanzler hat eben, wie das seine Art ist, nur gefordert, was sich durch lange Erfahrung als unbedingt notwendiges Bedürfnis Deutschlands herausgestellt hatte. Nichts läßt hoffen, daß die östlichen Grenznachbarn Frankreichs in Zukunft mehr Ruhe vor grundlosen Angriffen des bösartigen gallischen Streit¬ hahns haben werden. Das einzige Mittel gegen derlei Angriffe ist genügende militärische Sicherung. Diese aber wurde erreicht durch Hinausrücknng der deutschen Grenze bis zum Gebirgswalle der Vogesen und die Erwerbung und Verstärkung von Metz als Flautenbedrohnng, wenn wieder ein französisches Heer gegen Osten sich in Bewegung setzen sollte. Diese Verbesserung unsrer Verteidigungslinie hat aber nicht sowohl die bessere Deckung Berlins als viel¬ mehr die Verstärkung der Lage Süddeutschlands zum Zwecke gehabt. Von Straßbnrg und dem einspringenden Winkel bei Weißenburg aus konnten die im Elsaß stets reichlich bereit gehaltenen französischen Truppen früher zu jeder Stunde Baden, die Pfalz und Württemberg überschwemmen, ehe deutsche Streit¬ kräfte in hinreichender Stärke beisammen waren, um die Eindringlichen zurück¬ zuwerfen. Diese nicht zu bestreitende Thatsache und ihr oft erlebter Mißbrauch zwang die deutsche Politik geradezu, ihre Verteidigungsstellung weiter "ach Westen zu verlegen, wozu es auch dadurch berechtigt war, daß es damit nur den Besitz eiues Grenzlandes wieder in Anspruch nahm und zurückgewann, das ihm von den Franzosen gewaltthätig entrissen worden war. Der "ülitärische Grund aber ist der wichtigere, er spricht auch das Verdammungsurteil über Stoffels Hoffnungen für die Zukunft. '
In Paris hat man Stoffels Flugschrift, wie wir hören, sehr verschieden aufgenommen. Wir können hier selbstverständlich nur einige von deu be¬ treffenden Urteilen folgen lassen, und wir wählen dazu ein bonapartistisches
Stoffels Flugschrift
derartigen Überfällen machte die kleinen Potentaten dieser Gegenden abhängig und nachgiebig gegen den Willen der französischen Herrscher, und schon lange vor dem Rheinbünde geboten sie zuweilen über deren Kräfte wie über die von Vasallen, ja noch Jahrzehnte lang, noch bis tief in die Zeit des deutschen Bundes hinein machte sich in Baden, Württemberg, Baiern und Hessen-Darm¬ stadt französischer Einfluß geltend, da man im Frieden von 1814 versäumt oder, durch den Neid der mit Deutschland verbündeten Mächte genötigt, unter¬ lassen hatte, Frankreich eins der Mittel zu erfolgreichen Feldzügen gegen den östlichen Nachbar zu nehmen. stosset widerlegt mit seiner Erinnerung an den ewigen Krieg zwischen Frankreich und Deutschland selbst seine Behauptung, es sei eine schwere Unterlassungssünde gewesen, nach den deutschen Siegen des letzten Krieges das Verhältnis Deutschlands zu Frankreich nicht wieder herzu¬ stellen, wie es bis 1870 im Juli bestanden hatte. Vielleicht ließe sich von einer solchen Sünde reden, wenn man die Genügsamkeit ins Auge faßt, die von einer Wiederherausgabe des im westfälischen Frieden von uns an Frank¬ reich Verlornen Gebietes absehen ließ. Doch dies beiseite: der deutsche Reichs¬ kanzler hat eben, wie das seine Art ist, nur gefordert, was sich durch lange Erfahrung als unbedingt notwendiges Bedürfnis Deutschlands herausgestellt hatte. Nichts läßt hoffen, daß die östlichen Grenznachbarn Frankreichs in Zukunft mehr Ruhe vor grundlosen Angriffen des bösartigen gallischen Streit¬ hahns haben werden. Das einzige Mittel gegen derlei Angriffe ist genügende militärische Sicherung. Diese aber wurde erreicht durch Hinausrücknng der deutschen Grenze bis zum Gebirgswalle der Vogesen und die Erwerbung und Verstärkung von Metz als Flautenbedrohnng, wenn wieder ein französisches Heer gegen Osten sich in Bewegung setzen sollte. Diese Verbesserung unsrer Verteidigungslinie hat aber nicht sowohl die bessere Deckung Berlins als viel¬ mehr die Verstärkung der Lage Süddeutschlands zum Zwecke gehabt. Von Straßbnrg und dem einspringenden Winkel bei Weißenburg aus konnten die im Elsaß stets reichlich bereit gehaltenen französischen Truppen früher zu jeder Stunde Baden, die Pfalz und Württemberg überschwemmen, ehe deutsche Streit¬ kräfte in hinreichender Stärke beisammen waren, um die Eindringlichen zurück¬ zuwerfen. Diese nicht zu bestreitende Thatsache und ihr oft erlebter Mißbrauch zwang die deutsche Politik geradezu, ihre Verteidigungsstellung weiter »ach Westen zu verlegen, wozu es auch dadurch berechtigt war, daß es damit nur den Besitz eiues Grenzlandes wieder in Anspruch nahm und zurückgewann, das ihm von den Franzosen gewaltthätig entrissen worden war. Der »ülitärische Grund aber ist der wichtigere, er spricht auch das Verdammungsurteil über Stoffels Hoffnungen für die Zukunft. '
In Paris hat man Stoffels Flugschrift, wie wir hören, sehr verschieden aufgenommen. Wir können hier selbstverständlich nur einige von deu be¬ treffenden Urteilen folgen lassen, und wir wählen dazu ein bonapartistisches
<TEI><text><body><div><divn="1"><pbfacs="#f0358"corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/207003"/><fwtype="header"place="top"> Stoffels Flugschrift</fw><lb/><pxml:id="ID_929"prev="#ID_928"> derartigen Überfällen machte die kleinen Potentaten dieser Gegenden abhängig<lb/>
und nachgiebig gegen den Willen der französischen Herrscher, und schon lange<lb/>
vor dem Rheinbünde geboten sie zuweilen über deren Kräfte wie über die von<lb/>
Vasallen, ja noch Jahrzehnte lang, noch bis tief in die Zeit des deutschen<lb/>
Bundes hinein machte sich in Baden, Württemberg, Baiern und Hessen-Darm¬<lb/>
stadt französischer Einfluß geltend, da man im Frieden von 1814 versäumt<lb/>
oder, durch den Neid der mit Deutschland verbündeten Mächte genötigt, unter¬<lb/>
lassen hatte, Frankreich eins der Mittel zu erfolgreichen Feldzügen gegen den<lb/>
östlichen Nachbar zu nehmen. stosset widerlegt mit seiner Erinnerung an den<lb/>
ewigen Krieg zwischen Frankreich und Deutschland selbst seine Behauptung, es<lb/>
sei eine schwere Unterlassungssünde gewesen, nach den deutschen Siegen des<lb/>
letzten Krieges das Verhältnis Deutschlands zu Frankreich nicht wieder herzu¬<lb/>
stellen, wie es bis 1870 im Juli bestanden hatte. Vielleicht ließe sich von<lb/>
einer solchen Sünde reden, wenn man die Genügsamkeit ins Auge faßt, die<lb/>
von einer Wiederherausgabe des im westfälischen Frieden von uns an Frank¬<lb/>
reich Verlornen Gebietes absehen ließ. Doch dies beiseite: der deutsche Reichs¬<lb/>
kanzler hat eben, wie das seine Art ist, nur gefordert, was sich durch lange<lb/>
Erfahrung als unbedingt notwendiges Bedürfnis Deutschlands herausgestellt<lb/>
hatte. Nichts läßt hoffen, daß die östlichen Grenznachbarn Frankreichs in<lb/>
Zukunft mehr Ruhe vor grundlosen Angriffen des bösartigen gallischen Streit¬<lb/>
hahns haben werden. Das einzige Mittel gegen derlei Angriffe ist genügende<lb/>
militärische Sicherung. Diese aber wurde erreicht durch Hinausrücknng der<lb/>
deutschen Grenze bis zum Gebirgswalle der Vogesen und die Erwerbung und<lb/>
Verstärkung von Metz als Flautenbedrohnng, wenn wieder ein französisches<lb/>
Heer gegen Osten sich in Bewegung setzen sollte. Diese Verbesserung unsrer<lb/>
Verteidigungslinie hat aber nicht sowohl die bessere Deckung Berlins als viel¬<lb/>
mehr die Verstärkung der Lage Süddeutschlands zum Zwecke gehabt. Von<lb/>
Straßbnrg und dem einspringenden Winkel bei Weißenburg aus konnten die<lb/>
im Elsaß stets reichlich bereit gehaltenen französischen Truppen früher zu jeder<lb/>
Stunde Baden, die Pfalz und Württemberg überschwemmen, ehe deutsche Streit¬<lb/>
kräfte in hinreichender Stärke beisammen waren, um die Eindringlichen zurück¬<lb/>
zuwerfen. Diese nicht zu bestreitende Thatsache und ihr oft erlebter Mißbrauch<lb/>
zwang die deutsche Politik geradezu, ihre Verteidigungsstellung weiter »ach<lb/>
Westen zu verlegen, wozu es auch dadurch berechtigt war, daß es damit nur<lb/>
den Besitz eiues Grenzlandes wieder in Anspruch nahm und zurückgewann, das<lb/>
ihm von den Franzosen gewaltthätig entrissen worden war. Der »ülitärische<lb/>
Grund aber ist der wichtigere, er spricht auch das Verdammungsurteil über<lb/>
Stoffels Hoffnungen für die Zukunft. '</p><lb/><pxml:id="ID_930"next="#ID_931"> In Paris hat man Stoffels Flugschrift, wie wir hören, sehr verschieden<lb/>
aufgenommen. Wir können hier selbstverständlich nur einige von deu be¬<lb/>
treffenden Urteilen folgen lassen, und wir wählen dazu ein bonapartistisches</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[0358]
Stoffels Flugschrift
derartigen Überfällen machte die kleinen Potentaten dieser Gegenden abhängig
und nachgiebig gegen den Willen der französischen Herrscher, und schon lange
vor dem Rheinbünde geboten sie zuweilen über deren Kräfte wie über die von
Vasallen, ja noch Jahrzehnte lang, noch bis tief in die Zeit des deutschen
Bundes hinein machte sich in Baden, Württemberg, Baiern und Hessen-Darm¬
stadt französischer Einfluß geltend, da man im Frieden von 1814 versäumt
oder, durch den Neid der mit Deutschland verbündeten Mächte genötigt, unter¬
lassen hatte, Frankreich eins der Mittel zu erfolgreichen Feldzügen gegen den
östlichen Nachbar zu nehmen. stosset widerlegt mit seiner Erinnerung an den
ewigen Krieg zwischen Frankreich und Deutschland selbst seine Behauptung, es
sei eine schwere Unterlassungssünde gewesen, nach den deutschen Siegen des
letzten Krieges das Verhältnis Deutschlands zu Frankreich nicht wieder herzu¬
stellen, wie es bis 1870 im Juli bestanden hatte. Vielleicht ließe sich von
einer solchen Sünde reden, wenn man die Genügsamkeit ins Auge faßt, die
von einer Wiederherausgabe des im westfälischen Frieden von uns an Frank¬
reich Verlornen Gebietes absehen ließ. Doch dies beiseite: der deutsche Reichs¬
kanzler hat eben, wie das seine Art ist, nur gefordert, was sich durch lange
Erfahrung als unbedingt notwendiges Bedürfnis Deutschlands herausgestellt
hatte. Nichts läßt hoffen, daß die östlichen Grenznachbarn Frankreichs in
Zukunft mehr Ruhe vor grundlosen Angriffen des bösartigen gallischen Streit¬
hahns haben werden. Das einzige Mittel gegen derlei Angriffe ist genügende
militärische Sicherung. Diese aber wurde erreicht durch Hinausrücknng der
deutschen Grenze bis zum Gebirgswalle der Vogesen und die Erwerbung und
Verstärkung von Metz als Flautenbedrohnng, wenn wieder ein französisches
Heer gegen Osten sich in Bewegung setzen sollte. Diese Verbesserung unsrer
Verteidigungslinie hat aber nicht sowohl die bessere Deckung Berlins als viel¬
mehr die Verstärkung der Lage Süddeutschlands zum Zwecke gehabt. Von
Straßbnrg und dem einspringenden Winkel bei Weißenburg aus konnten die
im Elsaß stets reichlich bereit gehaltenen französischen Truppen früher zu jeder
Stunde Baden, die Pfalz und Württemberg überschwemmen, ehe deutsche Streit¬
kräfte in hinreichender Stärke beisammen waren, um die Eindringlichen zurück¬
zuwerfen. Diese nicht zu bestreitende Thatsache und ihr oft erlebter Mißbrauch
zwang die deutsche Politik geradezu, ihre Verteidigungsstellung weiter »ach
Westen zu verlegen, wozu es auch dadurch berechtigt war, daß es damit nur
den Besitz eiues Grenzlandes wieder in Anspruch nahm und zurückgewann, das
ihm von den Franzosen gewaltthätig entrissen worden war. Der »ülitärische
Grund aber ist der wichtigere, er spricht auch das Verdammungsurteil über
Stoffels Hoffnungen für die Zukunft. '
In Paris hat man Stoffels Flugschrift, wie wir hören, sehr verschieden
aufgenommen. Wir können hier selbstverständlich nur einige von deu be¬
treffenden Urteilen folgen lassen, und wir wählen dazu ein bonapartistisches
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:
Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.
Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;
Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/358>, abgerufen am 23.01.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.