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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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Allerhand Sprachdummheiten

UM sich: die Verbindung von in mit Substantiven auf --ung. Den Anfang
scheint in Ermangelung gemacht zu haben, dann kam in Erwägung; die
beiden haben aber bereits eine ganze Masse ähnlicher Bildungen nach sich ge¬
zogen, und das Ende ist noch gar nicht abzusehen, jede Woche überrascht uns
mit neuen. Briefe von Juristen und Geschäftsleuten fangen kaum noch anders
an als: In Beantwortung oder in Erwiderung Ihres geehrten u. s. w,,
ein Aufsatz wird geschrieben in Anlehnung oder in Anknüpfung an ein
neu erschienenes Buch, ein Zinsfuß wird herabgesetzt in Entsprechung eines
Gesuchs, eine Zeitungsmitteilung wird gemacht in Ergänzung oder in Be¬
richtigung einer früher gebrachten Mitteilung, der Polizeirat vollzieht eine
Handlung in Vertretung oder in Stellvertretung des Polizeidirektors,
eine Auszeichnung wird jemand verliehen in Anerkennung seiner Verdienste,
und so gehts weiter; man schreibt: in Würdigung der volkswirtschaftlichen
Wichtigkeit des Sparkassenwesens -- in Veranlassung des heutigen fünfund¬
zwanzigjährigen Geschäftsjubiläums -- in Begründung der Anklage bean¬
tragte der Staatsanwalt das höchste Strafmaß -- in Überschätzung dieses
Umstandes behauptete er -- der in Verlängerung des Neumarktes durch
die Promenade führende Fußweg -- in Befolgung seiner Befehle wurden
folgende weitere Gebietsteile unterworfen -- in Ausführung von 14 des
Ortsstatuts bringen wir zur Kenntnis. Ja vor wenigen Tagen ging sogar
eine Anekdote aus den Memoiren der Madame Carette durch die Zeitungen,
wonach Bismarck dieser Dame aus einem Balle am Hofe Napoleons eine Rose
überreicht haben sollte mit den Worten: Wollen Sie diese Rose annehmen
in Erinnerung an den letzten Walzer, den ich in meinem Leben getanzt habe!
Wer ein wenig nachdenkt, der sieht, daß hier die verschiedensten logischen Ver¬
hältnisse und die verschiedensten grammatischen Konstruktionen in roh mecha¬
nischer Weise gleichsam auf eine Formel gebracht sind, wie sie für unsre denk¬
faule Zeit so recht geschaffen ist. Ein Teil dieser unsinnigen in soll den
Beweggrund ausdrücken, der doch nur durch aus bezeichnet werden kann; in
Ermangelung, in Anerkennung, in Überschätzung -- das soll heißen:
aus Mangel, aus Anerkennung, ans Überschätzung! Wenn das logische
Verhältnis durch einen Nebensatz ausgedrückt werden sollte, konnte es hier nur
heißen: weil es daran mangelt, weil ich anerkenne, weil er überschätzt. Ein
andrer Teil soll den Zweck bezeichnen, der doch nur durch zu ausgedrückt
werden kann; in Ergünzuug, in Berichtigung, in Erinnerung -- das
soll heißen: zur Ergänzung, zur Berichtigung, zur Erinnerung. Mit
einem Verbum ausgedrückt, könnte das nur heißen: um zu berichtigen, um
zu ergänzen, damit Sie sich daran erinnern. Wieder in andern Fällen
Ware vielmehr als am Platze statt in: ein Weg wird doch als Verlängerung
des Neumarktes durch die Promenade geführt (oder allenfalls auch zur Ver¬
längerung), ein Brief wird geschrieben als Antwort auf einen andern (oder


Allerhand Sprachdummheiten

UM sich: die Verbindung von in mit Substantiven auf —ung. Den Anfang
scheint in Ermangelung gemacht zu haben, dann kam in Erwägung; die
beiden haben aber bereits eine ganze Masse ähnlicher Bildungen nach sich ge¬
zogen, und das Ende ist noch gar nicht abzusehen, jede Woche überrascht uns
mit neuen. Briefe von Juristen und Geschäftsleuten fangen kaum noch anders
an als: In Beantwortung oder in Erwiderung Ihres geehrten u. s. w,,
ein Aufsatz wird geschrieben in Anlehnung oder in Anknüpfung an ein
neu erschienenes Buch, ein Zinsfuß wird herabgesetzt in Entsprechung eines
Gesuchs, eine Zeitungsmitteilung wird gemacht in Ergänzung oder in Be¬
richtigung einer früher gebrachten Mitteilung, der Polizeirat vollzieht eine
Handlung in Vertretung oder in Stellvertretung des Polizeidirektors,
eine Auszeichnung wird jemand verliehen in Anerkennung seiner Verdienste,
und so gehts weiter; man schreibt: in Würdigung der volkswirtschaftlichen
Wichtigkeit des Sparkassenwesens — in Veranlassung des heutigen fünfund¬
zwanzigjährigen Geschäftsjubiläums — in Begründung der Anklage bean¬
tragte der Staatsanwalt das höchste Strafmaß — in Überschätzung dieses
Umstandes behauptete er — der in Verlängerung des Neumarktes durch
die Promenade führende Fußweg — in Befolgung seiner Befehle wurden
folgende weitere Gebietsteile unterworfen — in Ausführung von 14 des
Ortsstatuts bringen wir zur Kenntnis. Ja vor wenigen Tagen ging sogar
eine Anekdote aus den Memoiren der Madame Carette durch die Zeitungen,
wonach Bismarck dieser Dame aus einem Balle am Hofe Napoleons eine Rose
überreicht haben sollte mit den Worten: Wollen Sie diese Rose annehmen
in Erinnerung an den letzten Walzer, den ich in meinem Leben getanzt habe!
Wer ein wenig nachdenkt, der sieht, daß hier die verschiedensten logischen Ver¬
hältnisse und die verschiedensten grammatischen Konstruktionen in roh mecha¬
nischer Weise gleichsam auf eine Formel gebracht sind, wie sie für unsre denk¬
faule Zeit so recht geschaffen ist. Ein Teil dieser unsinnigen in soll den
Beweggrund ausdrücken, der doch nur durch aus bezeichnet werden kann; in
Ermangelung, in Anerkennung, in Überschätzung — das soll heißen:
aus Mangel, aus Anerkennung, ans Überschätzung! Wenn das logische
Verhältnis durch einen Nebensatz ausgedrückt werden sollte, konnte es hier nur
heißen: weil es daran mangelt, weil ich anerkenne, weil er überschätzt. Ein
andrer Teil soll den Zweck bezeichnen, der doch nur durch zu ausgedrückt
werden kann; in Ergünzuug, in Berichtigung, in Erinnerung — das
soll heißen: zur Ergänzung, zur Berichtigung, zur Erinnerung. Mit
einem Verbum ausgedrückt, könnte das nur heißen: um zu berichtigen, um
zu ergänzen, damit Sie sich daran erinnern. Wieder in andern Fällen
Ware vielmehr als am Platze statt in: ein Weg wird doch als Verlängerung
des Neumarktes durch die Promenade geführt (oder allenfalls auch zur Ver¬
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[0327] Allerhand Sprachdummheiten UM sich: die Verbindung von in mit Substantiven auf —ung. Den Anfang scheint in Ermangelung gemacht zu haben, dann kam in Erwägung; die beiden haben aber bereits eine ganze Masse ähnlicher Bildungen nach sich ge¬ zogen, und das Ende ist noch gar nicht abzusehen, jede Woche überrascht uns mit neuen. Briefe von Juristen und Geschäftsleuten fangen kaum noch anders an als: In Beantwortung oder in Erwiderung Ihres geehrten u. s. w,, ein Aufsatz wird geschrieben in Anlehnung oder in Anknüpfung an ein neu erschienenes Buch, ein Zinsfuß wird herabgesetzt in Entsprechung eines Gesuchs, eine Zeitungsmitteilung wird gemacht in Ergänzung oder in Be¬ richtigung einer früher gebrachten Mitteilung, der Polizeirat vollzieht eine Handlung in Vertretung oder in Stellvertretung des Polizeidirektors, eine Auszeichnung wird jemand verliehen in Anerkennung seiner Verdienste, und so gehts weiter; man schreibt: in Würdigung der volkswirtschaftlichen Wichtigkeit des Sparkassenwesens — in Veranlassung des heutigen fünfund¬ zwanzigjährigen Geschäftsjubiläums — in Begründung der Anklage bean¬ tragte der Staatsanwalt das höchste Strafmaß — in Überschätzung dieses Umstandes behauptete er — der in Verlängerung des Neumarktes durch die Promenade führende Fußweg — in Befolgung seiner Befehle wurden folgende weitere Gebietsteile unterworfen — in Ausführung von 14 des Ortsstatuts bringen wir zur Kenntnis. Ja vor wenigen Tagen ging sogar eine Anekdote aus den Memoiren der Madame Carette durch die Zeitungen, wonach Bismarck dieser Dame aus einem Balle am Hofe Napoleons eine Rose überreicht haben sollte mit den Worten: Wollen Sie diese Rose annehmen in Erinnerung an den letzten Walzer, den ich in meinem Leben getanzt habe! Wer ein wenig nachdenkt, der sieht, daß hier die verschiedensten logischen Ver¬ hältnisse und die verschiedensten grammatischen Konstruktionen in roh mecha¬ nischer Weise gleichsam auf eine Formel gebracht sind, wie sie für unsre denk¬ faule Zeit so recht geschaffen ist. Ein Teil dieser unsinnigen in soll den Beweggrund ausdrücken, der doch nur durch aus bezeichnet werden kann; in Ermangelung, in Anerkennung, in Überschätzung — das soll heißen: aus Mangel, aus Anerkennung, ans Überschätzung! Wenn das logische Verhältnis durch einen Nebensatz ausgedrückt werden sollte, konnte es hier nur heißen: weil es daran mangelt, weil ich anerkenne, weil er überschätzt. Ein andrer Teil soll den Zweck bezeichnen, der doch nur durch zu ausgedrückt werden kann; in Ergünzuug, in Berichtigung, in Erinnerung — das soll heißen: zur Ergänzung, zur Berichtigung, zur Erinnerung. Mit einem Verbum ausgedrückt, könnte das nur heißen: um zu berichtigen, um zu ergänzen, damit Sie sich daran erinnern. Wieder in andern Fällen Ware vielmehr als am Platze statt in: ein Weg wird doch als Verlängerung des Neumarktes durch die Promenade geführt (oder allenfalls auch zur Ver¬ längerung), ein Brief wird geschrieben als Antwort auf einen andern (oder

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/327>, abgerufen am 23.07.2024.