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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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Die Ansiedelung deutscher Landwirte in Lothringen

Geschäfte durch Güterhandel und Zerstücknng größerer Besitze werden sich nicht
machen lassen. Für die Erwerbung kleinerer Güter oder eigentlicher Bauerngüter
liegen fast allenthalben günstige Bedingungen vor, und hierzu ist zu bemerken,
daß die Grundsteuer zwar etwas höher ist als in manchen Teilen Altdentsch-
lnnds, daß dagegen die Gemeinde- und Bezirkszuschlüge in der großen Mehrzahl
der Gemeinden ni> Pfennige von der Steuermark nicht überschreiten. Hohe
Zuschlage werden überhaupt meist nur in den Gemeinden erhoben, deren Steuer¬
soll ein geringes ist. Eine Aktiengesellschaft, die mittlere und kleinere Güter
erwürbe und wieder veräußerte, könnte wohl keine ordentlichen Geschäfte machen,
noch weniger aber würde sie den nationalen und politischen Zwecken des deutschen
Reiches dienen können, das vor allem eine Gebundenheit des Besitzes anstreben
muß. Was größere Güter betrifft, so würde eine Änderung der Gesetzgebung,
wodurch sichere Bermögensaulage in Fideikommissen oder Majoraten ermöglicht
würde, ohne Zweifel aufmunternd wirken, was aber kleinere Güter betrifft, so
müßten solche ans längere Zeitpacht oder zu Eigentum gegen Bestellung von
Bodenrenke vergeben werden. Eine Aktiengesellschaft würde daher zur Erreichung
der eigne", wie der wirtschaftliche" und der politischen Ziele und Zwecke des deut¬
schen Reiches schon der Natur der Sache nach ganz und gar nicht geeignet sein. Soll
der fremde Besitz in Lothringen auf die Dauer in deutsche Hände gebracht werden,
so kaun nur das deutsche Reich auf die schon vvrhandue Bewegung der Ein¬
wanderung fördernd einwirken, indem es die Mittel bereit stellt, diese nur durch
Geduld und Uneigennützigkeit zu lösende Aufgabe in die Hand zu nehmen.
Unternehmungen einzelner Kaufliebhaber mögen inzwischen vorausgehen, nud
wenn die Hilfe deS Reiches gesichert sein wird, wird die deutsche Kauflust ohne
Zweifel sehr gefördert werden. Die Verhältnisse in Lothringen liegen aber so,
daß einerseits die rein geschäftlichen Borfragen erst noch der Klärung bedürfen,
und daß anderseits eine Änderung der Gesetzgebung, sei es auch nur wegen der
-lbgaben für den Besitzübergang und des Notariatstarifs, kaum zu umgehen
sein würde. Das sind Nnsgaben des Reiches, die mit Hilfe des Landesnusschusses
für Elsaß-Lothringen wohl kaum gelöst werdet! können. Die Erwerbung und
die Verpachtung von Domänen durch das Reich -- nicht etwa nach einem
vorgefaßten Plane, sondern schrittweise nach der Gunst der Umstände -- würde
"eben der Aufmunterung von Privaten zum Ankaufe durch el" Entgegenkommen
in der Gesetzgebung der nationalen Aufgabe in Lothringen erst Haltung und
Richtung geben. So lange aber das Reich sich der Angelegenheit nicht annimmt, ist
'Aich das Reichsland selbst nicht in der Lage, selbständig vorzugehen. Oder sollte
8- B. das Reichsland die Handändernngsgebühren zum Zwecke der Förderung
deutschen Einwandrung allgemein herabsetzen und so zu Gunsten einiger
Erträge sich einer Einnahmequelle bemühen, für die schwer ein Ersatz zu finden
wäre? Für die Erwerbung durch das Reich könnte aber ausnahmsweise eine
Erleichterung gewährt werden. Selbst wenn dnrch Landesgesetz die Möglichkeit,


Die Ansiedelung deutscher Landwirte in Lothringen

Geschäfte durch Güterhandel und Zerstücknng größerer Besitze werden sich nicht
machen lassen. Für die Erwerbung kleinerer Güter oder eigentlicher Bauerngüter
liegen fast allenthalben günstige Bedingungen vor, und hierzu ist zu bemerken,
daß die Grundsteuer zwar etwas höher ist als in manchen Teilen Altdentsch-
lnnds, daß dagegen die Gemeinde- und Bezirkszuschlüge in der großen Mehrzahl
der Gemeinden ni> Pfennige von der Steuermark nicht überschreiten. Hohe
Zuschlage werden überhaupt meist nur in den Gemeinden erhoben, deren Steuer¬
soll ein geringes ist. Eine Aktiengesellschaft, die mittlere und kleinere Güter
erwürbe und wieder veräußerte, könnte wohl keine ordentlichen Geschäfte machen,
noch weniger aber würde sie den nationalen und politischen Zwecken des deutschen
Reiches dienen können, das vor allem eine Gebundenheit des Besitzes anstreben
muß. Was größere Güter betrifft, so würde eine Änderung der Gesetzgebung,
wodurch sichere Bermögensaulage in Fideikommissen oder Majoraten ermöglicht
würde, ohne Zweifel aufmunternd wirken, was aber kleinere Güter betrifft, so
müßten solche ans längere Zeitpacht oder zu Eigentum gegen Bestellung von
Bodenrenke vergeben werden. Eine Aktiengesellschaft würde daher zur Erreichung
der eigne», wie der wirtschaftliche» und der politischen Ziele und Zwecke des deut¬
schen Reiches schon der Natur der Sache nach ganz und gar nicht geeignet sein. Soll
der fremde Besitz in Lothringen auf die Dauer in deutsche Hände gebracht werden,
so kaun nur das deutsche Reich auf die schon vvrhandue Bewegung der Ein¬
wanderung fördernd einwirken, indem es die Mittel bereit stellt, diese nur durch
Geduld und Uneigennützigkeit zu lösende Aufgabe in die Hand zu nehmen.
Unternehmungen einzelner Kaufliebhaber mögen inzwischen vorausgehen, nud
wenn die Hilfe deS Reiches gesichert sein wird, wird die deutsche Kauflust ohne
Zweifel sehr gefördert werden. Die Verhältnisse in Lothringen liegen aber so,
daß einerseits die rein geschäftlichen Borfragen erst noch der Klärung bedürfen,
und daß anderseits eine Änderung der Gesetzgebung, sei es auch nur wegen der
-lbgaben für den Besitzübergang und des Notariatstarifs, kaum zu umgehen
sein würde. Das sind Nnsgaben des Reiches, die mit Hilfe des Landesnusschusses
für Elsaß-Lothringen wohl kaum gelöst werdet! können. Die Erwerbung und
die Verpachtung von Domänen durch das Reich — nicht etwa nach einem
vorgefaßten Plane, sondern schrittweise nach der Gunst der Umstände — würde
»eben der Aufmunterung von Privaten zum Ankaufe durch el« Entgegenkommen
in der Gesetzgebung der nationalen Aufgabe in Lothringen erst Haltung und
Richtung geben. So lange aber das Reich sich der Angelegenheit nicht annimmt, ist
'Aich das Reichsland selbst nicht in der Lage, selbständig vorzugehen. Oder sollte
8- B. das Reichsland die Handändernngsgebühren zum Zwecke der Förderung
deutschen Einwandrung allgemein herabsetzen und so zu Gunsten einiger
Erträge sich einer Einnahmequelle bemühen, für die schwer ein Ersatz zu finden
wäre? Für die Erwerbung durch das Reich könnte aber ausnahmsweise eine
Erleichterung gewährt werden. Selbst wenn dnrch Landesgesetz die Möglichkeit,


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[0269] Die Ansiedelung deutscher Landwirte in Lothringen Geschäfte durch Güterhandel und Zerstücknng größerer Besitze werden sich nicht machen lassen. Für die Erwerbung kleinerer Güter oder eigentlicher Bauerngüter liegen fast allenthalben günstige Bedingungen vor, und hierzu ist zu bemerken, daß die Grundsteuer zwar etwas höher ist als in manchen Teilen Altdentsch- lnnds, daß dagegen die Gemeinde- und Bezirkszuschlüge in der großen Mehrzahl der Gemeinden ni> Pfennige von der Steuermark nicht überschreiten. Hohe Zuschlage werden überhaupt meist nur in den Gemeinden erhoben, deren Steuer¬ soll ein geringes ist. Eine Aktiengesellschaft, die mittlere und kleinere Güter erwürbe und wieder veräußerte, könnte wohl keine ordentlichen Geschäfte machen, noch weniger aber würde sie den nationalen und politischen Zwecken des deutschen Reiches dienen können, das vor allem eine Gebundenheit des Besitzes anstreben muß. Was größere Güter betrifft, so würde eine Änderung der Gesetzgebung, wodurch sichere Bermögensaulage in Fideikommissen oder Majoraten ermöglicht würde, ohne Zweifel aufmunternd wirken, was aber kleinere Güter betrifft, so müßten solche ans längere Zeitpacht oder zu Eigentum gegen Bestellung von Bodenrenke vergeben werden. Eine Aktiengesellschaft würde daher zur Erreichung der eigne», wie der wirtschaftliche» und der politischen Ziele und Zwecke des deut¬ schen Reiches schon der Natur der Sache nach ganz und gar nicht geeignet sein. Soll der fremde Besitz in Lothringen auf die Dauer in deutsche Hände gebracht werden, so kaun nur das deutsche Reich auf die schon vvrhandue Bewegung der Ein¬ wanderung fördernd einwirken, indem es die Mittel bereit stellt, diese nur durch Geduld und Uneigennützigkeit zu lösende Aufgabe in die Hand zu nehmen. Unternehmungen einzelner Kaufliebhaber mögen inzwischen vorausgehen, nud wenn die Hilfe deS Reiches gesichert sein wird, wird die deutsche Kauflust ohne Zweifel sehr gefördert werden. Die Verhältnisse in Lothringen liegen aber so, daß einerseits die rein geschäftlichen Borfragen erst noch der Klärung bedürfen, und daß anderseits eine Änderung der Gesetzgebung, sei es auch nur wegen der -lbgaben für den Besitzübergang und des Notariatstarifs, kaum zu umgehen sein würde. Das sind Nnsgaben des Reiches, die mit Hilfe des Landesnusschusses für Elsaß-Lothringen wohl kaum gelöst werdet! können. Die Erwerbung und die Verpachtung von Domänen durch das Reich — nicht etwa nach einem vorgefaßten Plane, sondern schrittweise nach der Gunst der Umstände — würde »eben der Aufmunterung von Privaten zum Ankaufe durch el« Entgegenkommen in der Gesetzgebung der nationalen Aufgabe in Lothringen erst Haltung und Richtung geben. So lange aber das Reich sich der Angelegenheit nicht annimmt, ist 'Aich das Reichsland selbst nicht in der Lage, selbständig vorzugehen. Oder sollte 8- B. das Reichsland die Handändernngsgebühren zum Zwecke der Förderung deutschen Einwandrung allgemein herabsetzen und so zu Gunsten einiger Erträge sich einer Einnahmequelle bemühen, für die schwer ein Ersatz zu finden wäre? Für die Erwerbung durch das Reich könnte aber ausnahmsweise eine Erleichterung gewährt werden. Selbst wenn dnrch Landesgesetz die Möglichkeit,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/269>, abgerufen am 03.07.2024.