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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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Siw.ngs- und Korse.enzprotokolle, Telegramme und Korrespondenzen aller Art
zahlreiche Noten der fremden Mächte, wichtige Kammerverhandlungen und
Zeitnngsansschnittc, alles wohlgeordnet. Erwünschte Ergänzungen lieferten d.c
Alten des Staatsministeriums, des großen Generalstabs, mündliche Mitteilungen
der an den Ereignissen mitwirkenden oder ihnen nahestehenden Personen, sow.c
für die gegnerische Politik die alten Archive von Hannover, Kurhessen und
Nassau." . , .

Verbürgt das nun die volle Wahrheit? Ast damit das Jdeal^desfe" er¬
reicht, was die Kunst des Geschichtsschreibers an Material bedarf? Sybel sagt:
.Es war damit für den größten Teil .meiner Arbeit die Möglichkeit gegeben,
"ach den Dokumenten selbst, die im Gange der preußischen Akt.on erwachsen
waren oder denselben bestimmt hatten, die Geschichte jener Jahrzehnte zu
schreiben. Auf das genaueste ließ sich jede Wendung der preußischen Pol.t.l,
"' den entscheidende./Krisen oft Tag für Tag. ja zuweilen Stunde für stunde
verfolge..." Das wäre gewiß viel und würde das Gefühl stolzer Schöpferkraft
rechtfertigen, mit den. der Verfasser fortfährt: ..Ich glaube es aussprechen zu
dürfen, daß nach so zahllosen unvollständigen, halbwahren oder .."wahren
Darstellungen hier ein treues und umfassendes Bild der preußischen Bestrebungen
gegeben wird. Man wird überrascht sein, wie viele bedeutende Momente >u
diesem Zusammenhange zum erstenmale an das ^icht trete" oder doch in neuer
Aeleuchtuug erscheine..." Wenn sich u"r gegen den Wert mancher von diesen
zahlreichen Quellen und ihre Benutzung nicht einiges einwenden ließe. Es .se
viel, was dem Verfasser des Werkes zu Gebote gestanden hat, sehr viel ...ehr
als das, was andre vor ihm habe" benutzen könne... aber dennoch nicht alles,
was notwendig gewesen wäre, ..... Superlative wie "ans das genaueste" und
ihre Anwendung ans "jede Wendung der preußische" Politik" zu rechtfertigen.
Dazu wäre zunächst erforderlich gewesen, daß der Verfasser nicht bloß d.c
preußische., Archive und einige von den gegnerischen, sondern auch d.e übrige"
Hütte benutze" dürfe"; dem. ..ihr sollt sie billig hören beede." Dann aber, hat
er von den für sei" lliiterueh.nen wichtigen preußischen Dokumenten alles gesehen,
auch die Selretn und Selretissi.na, und. war das der Fall, hat er alles für
s^n Buch zu verwenden Erlaubnis gehabt? Wir brauchen wohl kaum Gründe
dafür anzugeben, wenn wir das stark bezweifeln. Das Material also. ...it dem
er gearbeitet hat. wird allerdings reich, aber bei aller Fülle unvollständig, und
äwar für sehr wichtige Frage., unvollständig gewesen sein. Dazu kommt nochein Punkt, über den Nur keinen Geringern, als den Fürsten Bismarck Kritik
üben lassen wollen. Sybel spricht, wenigstens mittelbar, von seinem Material,
als ob es etwa von gleichen. Werte wäre, wie Rankes venezianische Gesandt¬
schaftsberichte. Der Bundeskanzler aber äußerte sich") um 22. Februar 1871



*) Vgl. Genf Bismarck und seine Leute von Moritz Busch, 7. Anfluge, S. W" ff.

Siw.ngs- und Korse.enzprotokolle, Telegramme und Korrespondenzen aller Art
zahlreiche Noten der fremden Mächte, wichtige Kammerverhandlungen und
Zeitnngsansschnittc, alles wohlgeordnet. Erwünschte Ergänzungen lieferten d.c
Alten des Staatsministeriums, des großen Generalstabs, mündliche Mitteilungen
der an den Ereignissen mitwirkenden oder ihnen nahestehenden Personen, sow.c
für die gegnerische Politik die alten Archive von Hannover, Kurhessen und
Nassau." . , .

Verbürgt das nun die volle Wahrheit? Ast damit das Jdeal^desfe» er¬
reicht, was die Kunst des Geschichtsschreibers an Material bedarf? Sybel sagt:
.Es war damit für den größten Teil .meiner Arbeit die Möglichkeit gegeben,
"ach den Dokumenten selbst, die im Gange der preußischen Akt.on erwachsen
waren oder denselben bestimmt hatten, die Geschichte jener Jahrzehnte zu
schreiben. Auf das genaueste ließ sich jede Wendung der preußischen Pol.t.l,
"' den entscheidende./Krisen oft Tag für Tag. ja zuweilen Stunde für stunde
verfolge..." Das wäre gewiß viel und würde das Gefühl stolzer Schöpferkraft
rechtfertigen, mit den. der Verfasser fortfährt: ..Ich glaube es aussprechen zu
dürfen, daß nach so zahllosen unvollständigen, halbwahren oder ..»wahren
Darstellungen hier ein treues und umfassendes Bild der preußischen Bestrebungen
gegeben wird. Man wird überrascht sein, wie viele bedeutende Momente >u
diesem Zusammenhange zum erstenmale an das ^icht trete» oder doch in neuer
Aeleuchtuug erscheine..." Wenn sich u»r gegen den Wert mancher von diesen
zahlreichen Quellen und ihre Benutzung nicht einiges einwenden ließe. Es .se
viel, was dem Verfasser des Werkes zu Gebote gestanden hat, sehr viel ...ehr
als das, was andre vor ihm habe» benutzen könne... aber dennoch nicht alles,
was notwendig gewesen wäre, ..... Superlative wie „ans das genaueste" und
ihre Anwendung ans „jede Wendung der preußische» Politik" zu rechtfertigen.
Dazu wäre zunächst erforderlich gewesen, daß der Verfasser nicht bloß d.c
preußische., Archive und einige von den gegnerischen, sondern auch d.e übrige»
Hütte benutze» dürfe»; dem. ..ihr sollt sie billig hören beede." Dann aber, hat
er von den für sei» lliiterueh.nen wichtigen preußischen Dokumenten alles gesehen,
auch die Selretn und Selretissi.na, und. war das der Fall, hat er alles für
s^n Buch zu verwenden Erlaubnis gehabt? Wir brauchen wohl kaum Gründe
dafür anzugeben, wenn wir das stark bezweifeln. Das Material also. ...it dem
er gearbeitet hat. wird allerdings reich, aber bei aller Fülle unvollständig, und
äwar für sehr wichtige Frage., unvollständig gewesen sein. Dazu kommt nochein Punkt, über den Nur keinen Geringern, als den Fürsten Bismarck Kritik
üben lassen wollen. Sybel spricht, wenigstens mittelbar, von seinem Material,
als ob es etwa von gleichen. Werte wäre, wie Rankes venezianische Gesandt¬
schaftsberichte. Der Bundeskanzler aber äußerte sich") um 22. Februar 1871



*) Vgl. Genf Bismarck und seine Leute von Moritz Busch, 7. Anfluge, S. W» ff.
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[0227] Siw.ngs- und Korse.enzprotokolle, Telegramme und Korrespondenzen aller Art zahlreiche Noten der fremden Mächte, wichtige Kammerverhandlungen und Zeitnngsansschnittc, alles wohlgeordnet. Erwünschte Ergänzungen lieferten d.c Alten des Staatsministeriums, des großen Generalstabs, mündliche Mitteilungen der an den Ereignissen mitwirkenden oder ihnen nahestehenden Personen, sow.c für die gegnerische Politik die alten Archive von Hannover, Kurhessen und Nassau." . , . Verbürgt das nun die volle Wahrheit? Ast damit das Jdeal^desfe» er¬ reicht, was die Kunst des Geschichtsschreibers an Material bedarf? Sybel sagt: .Es war damit für den größten Teil .meiner Arbeit die Möglichkeit gegeben, "ach den Dokumenten selbst, die im Gange der preußischen Akt.on erwachsen waren oder denselben bestimmt hatten, die Geschichte jener Jahrzehnte zu schreiben. Auf das genaueste ließ sich jede Wendung der preußischen Pol.t.l, "' den entscheidende./Krisen oft Tag für Tag. ja zuweilen Stunde für stunde verfolge..." Das wäre gewiß viel und würde das Gefühl stolzer Schöpferkraft rechtfertigen, mit den. der Verfasser fortfährt: ..Ich glaube es aussprechen zu dürfen, daß nach so zahllosen unvollständigen, halbwahren oder ..»wahren Darstellungen hier ein treues und umfassendes Bild der preußischen Bestrebungen gegeben wird. Man wird überrascht sein, wie viele bedeutende Momente >u diesem Zusammenhange zum erstenmale an das ^icht trete» oder doch in neuer Aeleuchtuug erscheine..." Wenn sich u»r gegen den Wert mancher von diesen zahlreichen Quellen und ihre Benutzung nicht einiges einwenden ließe. Es .se viel, was dem Verfasser des Werkes zu Gebote gestanden hat, sehr viel ...ehr als das, was andre vor ihm habe» benutzen könne... aber dennoch nicht alles, was notwendig gewesen wäre, ..... Superlative wie „ans das genaueste" und ihre Anwendung ans „jede Wendung der preußische» Politik" zu rechtfertigen. Dazu wäre zunächst erforderlich gewesen, daß der Verfasser nicht bloß d.c preußische., Archive und einige von den gegnerischen, sondern auch d.e übrige» Hütte benutze» dürfe»; dem. ..ihr sollt sie billig hören beede." Dann aber, hat er von den für sei» lliiterueh.nen wichtigen preußischen Dokumenten alles gesehen, auch die Selretn und Selretissi.na, und. war das der Fall, hat er alles für s^n Buch zu verwenden Erlaubnis gehabt? Wir brauchen wohl kaum Gründe dafür anzugeben, wenn wir das stark bezweifeln. Das Material also. ...it dem er gearbeitet hat. wird allerdings reich, aber bei aller Fülle unvollständig, und äwar für sehr wichtige Frage., unvollständig gewesen sein. Dazu kommt nochein Punkt, über den Nur keinen Geringern, als den Fürsten Bismarck Kritik üben lassen wollen. Sybel spricht, wenigstens mittelbar, von seinem Material, als ob es etwa von gleichen. Werte wäre, wie Rankes venezianische Gesandt¬ schaftsberichte. Der Bundeskanzler aber äußerte sich") um 22. Februar 1871 *) Vgl. Genf Bismarck und seine Leute von Moritz Busch, 7. Anfluge, S. W» ff.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/227>, abgerufen am 23.07.2024.