Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.möglichst einzuschränken. Andre kommen ihm dabei mit gleichem Bedürfnis Wollen nur unsre Vereine durch ihre Musterhäuser dem Privatkapital zur Zugleich aber gerät dieser Verein in einen seltsamen Widerspruch mit sich Die Wohnungsverhültnisse eines Volkes werden im allgemeinen stets dem möglichst einzuschränken. Andre kommen ihm dabei mit gleichem Bedürfnis Wollen nur unsre Vereine durch ihre Musterhäuser dem Privatkapital zur Zugleich aber gerät dieser Verein in einen seltsamen Widerspruch mit sich Die Wohnungsverhültnisse eines Volkes werden im allgemeinen stets dem <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0181" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/206826"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_478" prev="#ID_477"> möglichst einzuschränken. Andre kommen ihm dabei mit gleichem Bedürfnis<lb/> entgegen. Er nimmt also Aftermieter an, er vermietet vielleicht Schlafstellen<lb/> in seinen eignen Wohnräumen. So entsteht die heillose Überfüllung der<lb/> Wohnungen. Und das ist die Wvhnnngsuot.</p><lb/> <p xml:id="ID_479"> Wollen nur unsre Vereine durch ihre Musterhäuser dem Privatkapital zur<lb/> Erbauung von dergleichen Häusern Mut machen, so wird es schwerlich genügen,<lb/> den Nachweis zu führen, daß sich aus solchen Häusern allenfalls vier Prozent<lb/> herausschlage» lassen. Es müßte auch der Beweis geführt werden, daß die<lb/> Verwaltung solcher Häuser uicht mit deu geschilderten Unannehmlichkeiten ver¬<lb/> bunden sei, was ungleich schwieriger ist. Jedenfalls bleibt dieser Beweis aus¬<lb/> geschlossen, wenn der Verein für Armenpflege zur Verwaltung seiner Schöpfungen<lb/> die Heranziehung freiwilliger Kräfte in weitestein Umsange in Aussicht nimmt.<lb/> Denn solche Kräfte, die dem Verein die Last der Sache abnehmen, stehen dein<lb/> Privaten nicht zu Gebote.</p><lb/> <p xml:id="ID_480"> Zugleich aber gerät dieser Verein in einen seltsamen Widerspruch mit sich<lb/> selbst, dadurch, daß die zweite Abteilung seiner Kommission Ziele ausstellt, die<lb/> wahrlich uicht geeignet sind, bei den Kapitalisten die Lust zur Erbauung solcher<lb/> Häuser zu fördern. Es sollen nämlich nach den Vorschlägen dieses Teiles der<lb/> Kommission auch die rechtlichen Verhältnisse der Miethäuser umgestaltet werden,<lb/> und zwar durchweg zu Gunsten der Mieter und zu Ungunsten der Vermieter.<lb/> Vor allein soll ein Verbot gegen „gesundheitswidrige" Benutzung der Wohnungen,<lb/> also namentlich anch gegen Überfüllung derselben, erlassen werden, und die<lb/> Einhaltung dieses Verbots soll der Vermieter bei eigner Verantwortlichkeit<lb/> überwachen. Es soll den Gerichten gestattet werden, bei Exmissionsklagen dem<lb/> Mieter Räumungsfristen von genügender Länge zu setzen. Es soll der Kreis<lb/> der Sachen, an die sich der Vermieter wegen seiner Mietzinsforderung halten<lb/> kann, durch bedeutende Erweiterung der nicht pfändbaren Sachen noch ver¬<lb/> engert werden. Ja es wird sogar neuerdings in juristischen Kreisen der Ge¬<lb/> danke betrieben, es solle das Zurnckbehaltungsrecht und das Pfandrecht, das<lb/> bisher dem Vermieter wegen feines Mietzinses an den von dem Mieter ein¬<lb/> gebrachten Sachen zustand, gänzlich beseitigt werden. Wenn nun durch alle<lb/> diese vvrgeschlagnen Neuerungen der Vermieter dem Mieter gegenüber sowohl<lb/> in persönlicher als in rechtlicher Beziehung noch weit ungünstiger als bisher<lb/> gestellt wird, wie kann man da wohl hoffen, das Privatkapital zu ermutigen,<lb/> an die Erbauung von Arbeiterwohnhäusern in großem Umfange heranzutreten?</p><lb/> <p xml:id="ID_481" next="#ID_482"> Die Wohnungsverhültnisse eines Volkes werden im allgemeinen stets dem<lb/> Maße des bei ihm herrschenden Wohlstandes entsprechen. Eine Verschiebung<lb/> dieser Verhältnisse zum Besser» sür die ärmern Volksklassen in großem Ma߬<lb/> stabe herbeizuführen wird kau», möglich sein. Sie würde uur geschehen können<lb/> mit Aufwendung ungeheurer Summen. Woher sollen diese Summen kommen?<lb/> Will man sie den bemittelte» Stände» auferlege», so würde» damit vo» diesen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0181]
möglichst einzuschränken. Andre kommen ihm dabei mit gleichem Bedürfnis
entgegen. Er nimmt also Aftermieter an, er vermietet vielleicht Schlafstellen
in seinen eignen Wohnräumen. So entsteht die heillose Überfüllung der
Wohnungen. Und das ist die Wvhnnngsuot.
Wollen nur unsre Vereine durch ihre Musterhäuser dem Privatkapital zur
Erbauung von dergleichen Häusern Mut machen, so wird es schwerlich genügen,
den Nachweis zu führen, daß sich aus solchen Häusern allenfalls vier Prozent
herausschlage» lassen. Es müßte auch der Beweis geführt werden, daß die
Verwaltung solcher Häuser uicht mit deu geschilderten Unannehmlichkeiten ver¬
bunden sei, was ungleich schwieriger ist. Jedenfalls bleibt dieser Beweis aus¬
geschlossen, wenn der Verein für Armenpflege zur Verwaltung seiner Schöpfungen
die Heranziehung freiwilliger Kräfte in weitestein Umsange in Aussicht nimmt.
Denn solche Kräfte, die dem Verein die Last der Sache abnehmen, stehen dein
Privaten nicht zu Gebote.
Zugleich aber gerät dieser Verein in einen seltsamen Widerspruch mit sich
selbst, dadurch, daß die zweite Abteilung seiner Kommission Ziele ausstellt, die
wahrlich uicht geeignet sind, bei den Kapitalisten die Lust zur Erbauung solcher
Häuser zu fördern. Es sollen nämlich nach den Vorschlägen dieses Teiles der
Kommission auch die rechtlichen Verhältnisse der Miethäuser umgestaltet werden,
und zwar durchweg zu Gunsten der Mieter und zu Ungunsten der Vermieter.
Vor allein soll ein Verbot gegen „gesundheitswidrige" Benutzung der Wohnungen,
also namentlich anch gegen Überfüllung derselben, erlassen werden, und die
Einhaltung dieses Verbots soll der Vermieter bei eigner Verantwortlichkeit
überwachen. Es soll den Gerichten gestattet werden, bei Exmissionsklagen dem
Mieter Räumungsfristen von genügender Länge zu setzen. Es soll der Kreis
der Sachen, an die sich der Vermieter wegen seiner Mietzinsforderung halten
kann, durch bedeutende Erweiterung der nicht pfändbaren Sachen noch ver¬
engert werden. Ja es wird sogar neuerdings in juristischen Kreisen der Ge¬
danke betrieben, es solle das Zurnckbehaltungsrecht und das Pfandrecht, das
bisher dem Vermieter wegen feines Mietzinses an den von dem Mieter ein¬
gebrachten Sachen zustand, gänzlich beseitigt werden. Wenn nun durch alle
diese vvrgeschlagnen Neuerungen der Vermieter dem Mieter gegenüber sowohl
in persönlicher als in rechtlicher Beziehung noch weit ungünstiger als bisher
gestellt wird, wie kann man da wohl hoffen, das Privatkapital zu ermutigen,
an die Erbauung von Arbeiterwohnhäusern in großem Umfange heranzutreten?
Die Wohnungsverhültnisse eines Volkes werden im allgemeinen stets dem
Maße des bei ihm herrschenden Wohlstandes entsprechen. Eine Verschiebung
dieser Verhältnisse zum Besser» sür die ärmern Volksklassen in großem Ma߬
stabe herbeizuführen wird kau», möglich sein. Sie würde uur geschehen können
mit Aufwendung ungeheurer Summen. Woher sollen diese Summen kommen?
Will man sie den bemittelte» Stände» auferlege», so würde» damit vo» diesen
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |