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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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Ine Ivcchnungsfrage

schiedenheiten zU'löcher den leitenden Organen ausgebrochen sind, die voraus-
sichtlich die Fortsetzung des Unternehmens erschweren werden. Der ganze Be¬
richt liest sich wie eine Anklageschrift gegen die Großindustrie und das Gro߬
kapital wegen ihrer Zurückhaltung, und zugleich gegen die Gesetzgebung, weil
diese für derartige Unternehmungen Kleine andre Form als die der Aktienge¬
sellschaft gewähre.

Eine zweite Kundgebung verwandter Art liegt uns vor in den Verhand¬
lungen des jüngst in Kassel versammelt gewesenen Vereins für Armenpflege
und Wohlthätigkeit. Dort hat über die Wohnungsfrage Gerichtsassessor
Aschrott Bericht erstattet. Bereits im vorigen Jahre hatte der Verein eine
Kommission niedergesetzt, die diese Frage in die Hand nehmen sollte. Nach
dem Berichte hat diese Kommission, in zwei Abteilungen geteilt, ihre Thätig¬
keit nach zwei Richtungen aufgenommen, nämlich über die Fragen: 1. Wie
ist die unbedingt erforderliche Vermehrung der für die unbemittelten Klassen
bestimmten und geeigneten Wohnungen zu erreichen? 2. Welche Anforderungen
sind ein die Gesetzgebung zu stellen, um den bisherigen Mißständen in dem
Wohnungswesen entgegenzutreten und gesunde Wohnuugsznstünde zu schaffen?
Beide Fragen sollen gleichzeitig ins Auge gefaßt werden, weil nur aus der
Verbindung beider ein gedeihliches Ergebnis zu erwarten stehe. Verbote gegen
die Benutzung schlechter Wohnungen, sagt der Bericht, könnten nicht erlassen
werden, wenn man nicht zugleich bessere Wohnungen zur Benutzung darbiete.
Die Vermehrung der Wohnungen allein aber ohne gleichzeitiges Verbot der
Benutzung schlechter Wohnungen könne nicht wirken, "da sonst die Errichtung
"euer Wohnungen nur das Zuströmen der Arbeiter nach den großen Städten
vermehren würde."

Um die Vermehrung der Wohnungen herbeizuführen, hält nun die Kom¬
mission für notwendig, die Beschaffung solcher Wohnungen nicht als Sache
der Humanität hinzustellen, du für diese immer nur kleine Summen ^ l'vmbs
Pvrcin zu haben seien, sondern sie Null der Finanzwelt die Überzeugung ver¬
schaffen, daß die Herstellung solcher Wohnungen auch finanziell ein sicheres
Unternehmen sei. Demgemäß hat die Konnnission Pläne anfertigen lassen sür
die Erbauung und Verwaltung von großen Arbeitermiethänsern, wonach sich
ergeben soll, daß sich solche Häuser mit fünf Prozent (von denen jedoch nnr
vier Prozent an die Aktionäre verteilt werden sollen) verzinse:, würden. Dabei
wird jedoch für die Hausverwaltung eine möglichst weitgehende Heranziehung
freiwilliger Kräfte linsbesondre von lncliW MrcmössöL bei Einziehung der
Mieter) in Aussicht genommen. Der Bericht schließt mit den Wortein "Es
darf die Erwartung ausgesprochen werden, daß dieses Mnstermiethcms nicht
auf dem Papier stehen bleiben, sondern praktisch ausgeführt werden wird; damit
wird der unabweisbare Nachweis geführt werden, daß die Errichtung von
geeigneten Arbeiterwohnungen ein rentables Unternehmen bildet."


Ine Ivcchnungsfrage

schiedenheiten zU'löcher den leitenden Organen ausgebrochen sind, die voraus-
sichtlich die Fortsetzung des Unternehmens erschweren werden. Der ganze Be¬
richt liest sich wie eine Anklageschrift gegen die Großindustrie und das Gro߬
kapital wegen ihrer Zurückhaltung, und zugleich gegen die Gesetzgebung, weil
diese für derartige Unternehmungen Kleine andre Form als die der Aktienge¬
sellschaft gewähre.

Eine zweite Kundgebung verwandter Art liegt uns vor in den Verhand¬
lungen des jüngst in Kassel versammelt gewesenen Vereins für Armenpflege
und Wohlthätigkeit. Dort hat über die Wohnungsfrage Gerichtsassessor
Aschrott Bericht erstattet. Bereits im vorigen Jahre hatte der Verein eine
Kommission niedergesetzt, die diese Frage in die Hand nehmen sollte. Nach
dem Berichte hat diese Kommission, in zwei Abteilungen geteilt, ihre Thätig¬
keit nach zwei Richtungen aufgenommen, nämlich über die Fragen: 1. Wie
ist die unbedingt erforderliche Vermehrung der für die unbemittelten Klassen
bestimmten und geeigneten Wohnungen zu erreichen? 2. Welche Anforderungen
sind ein die Gesetzgebung zu stellen, um den bisherigen Mißständen in dem
Wohnungswesen entgegenzutreten und gesunde Wohnuugsznstünde zu schaffen?
Beide Fragen sollen gleichzeitig ins Auge gefaßt werden, weil nur aus der
Verbindung beider ein gedeihliches Ergebnis zu erwarten stehe. Verbote gegen
die Benutzung schlechter Wohnungen, sagt der Bericht, könnten nicht erlassen
werden, wenn man nicht zugleich bessere Wohnungen zur Benutzung darbiete.
Die Vermehrung der Wohnungen allein aber ohne gleichzeitiges Verbot der
Benutzung schlechter Wohnungen könne nicht wirken, „da sonst die Errichtung
»euer Wohnungen nur das Zuströmen der Arbeiter nach den großen Städten
vermehren würde."

Um die Vermehrung der Wohnungen herbeizuführen, hält nun die Kom¬
mission für notwendig, die Beschaffung solcher Wohnungen nicht als Sache
der Humanität hinzustellen, du für diese immer nur kleine Summen ^ l'vmbs
Pvrcin zu haben seien, sondern sie Null der Finanzwelt die Überzeugung ver¬
schaffen, daß die Herstellung solcher Wohnungen auch finanziell ein sicheres
Unternehmen sei. Demgemäß hat die Konnnission Pläne anfertigen lassen sür
die Erbauung und Verwaltung von großen Arbeitermiethänsern, wonach sich
ergeben soll, daß sich solche Häuser mit fünf Prozent (von denen jedoch nnr
vier Prozent an die Aktionäre verteilt werden sollen) verzinse:, würden. Dabei
wird jedoch für die Hausverwaltung eine möglichst weitgehende Heranziehung
freiwilliger Kräfte linsbesondre von lncliW MrcmössöL bei Einziehung der
Mieter) in Aussicht genommen. Der Bericht schließt mit den Wortein „Es
darf die Erwartung ausgesprochen werden, daß dieses Mnstermiethcms nicht
auf dem Papier stehen bleiben, sondern praktisch ausgeführt werden wird; damit
wird der unabweisbare Nachweis geführt werden, daß die Errichtung von
geeigneten Arbeiterwohnungen ein rentables Unternehmen bildet."


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[0179] Ine Ivcchnungsfrage schiedenheiten zU'löcher den leitenden Organen ausgebrochen sind, die voraus- sichtlich die Fortsetzung des Unternehmens erschweren werden. Der ganze Be¬ richt liest sich wie eine Anklageschrift gegen die Großindustrie und das Gro߬ kapital wegen ihrer Zurückhaltung, und zugleich gegen die Gesetzgebung, weil diese für derartige Unternehmungen Kleine andre Form als die der Aktienge¬ sellschaft gewähre. Eine zweite Kundgebung verwandter Art liegt uns vor in den Verhand¬ lungen des jüngst in Kassel versammelt gewesenen Vereins für Armenpflege und Wohlthätigkeit. Dort hat über die Wohnungsfrage Gerichtsassessor Aschrott Bericht erstattet. Bereits im vorigen Jahre hatte der Verein eine Kommission niedergesetzt, die diese Frage in die Hand nehmen sollte. Nach dem Berichte hat diese Kommission, in zwei Abteilungen geteilt, ihre Thätig¬ keit nach zwei Richtungen aufgenommen, nämlich über die Fragen: 1. Wie ist die unbedingt erforderliche Vermehrung der für die unbemittelten Klassen bestimmten und geeigneten Wohnungen zu erreichen? 2. Welche Anforderungen sind ein die Gesetzgebung zu stellen, um den bisherigen Mißständen in dem Wohnungswesen entgegenzutreten und gesunde Wohnuugsznstünde zu schaffen? Beide Fragen sollen gleichzeitig ins Auge gefaßt werden, weil nur aus der Verbindung beider ein gedeihliches Ergebnis zu erwarten stehe. Verbote gegen die Benutzung schlechter Wohnungen, sagt der Bericht, könnten nicht erlassen werden, wenn man nicht zugleich bessere Wohnungen zur Benutzung darbiete. Die Vermehrung der Wohnungen allein aber ohne gleichzeitiges Verbot der Benutzung schlechter Wohnungen könne nicht wirken, „da sonst die Errichtung »euer Wohnungen nur das Zuströmen der Arbeiter nach den großen Städten vermehren würde." Um die Vermehrung der Wohnungen herbeizuführen, hält nun die Kom¬ mission für notwendig, die Beschaffung solcher Wohnungen nicht als Sache der Humanität hinzustellen, du für diese immer nur kleine Summen ^ l'vmbs Pvrcin zu haben seien, sondern sie Null der Finanzwelt die Überzeugung ver¬ schaffen, daß die Herstellung solcher Wohnungen auch finanziell ein sicheres Unternehmen sei. Demgemäß hat die Konnnission Pläne anfertigen lassen sür die Erbauung und Verwaltung von großen Arbeitermiethänsern, wonach sich ergeben soll, daß sich solche Häuser mit fünf Prozent (von denen jedoch nnr vier Prozent an die Aktionäre verteilt werden sollen) verzinse:, würden. Dabei wird jedoch für die Hausverwaltung eine möglichst weitgehende Heranziehung freiwilliger Kräfte linsbesondre von lncliW MrcmössöL bei Einziehung der Mieter) in Aussicht genommen. Der Bericht schließt mit den Wortein „Es darf die Erwartung ausgesprochen werden, daß dieses Mnstermiethcms nicht auf dem Papier stehen bleiben, sondern praktisch ausgeführt werden wird; damit wird der unabweisbare Nachweis geführt werden, daß die Errichtung von geeigneten Arbeiterwohnungen ein rentables Unternehmen bildet."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/179>, abgerufen am 23.07.2024.