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Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr.

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alles Russischen, ihr deutsches Wesen, die deutsche Sprache und ihre eigne Ver¬
waltung. Als charakteristische Züge des deutschen Ansiedlers bezeichnet die
5Joppe>je ^Vromstr strenge Disziplin, Nüchternheit und Energie bei der Arbeit.
So stelle er eine "schwere, ungeschliffene, rohe Kraft dar," deren einziges Ziel
es sei, fremde Ländereien für jeden Preis "an sich zu reißen." Um die
deutschen Kolonien herum verschwinde die russische Bevölkerung gänzlich. Das
russische Blatt warnt dem gegenüber davor, solche Zustände zu begünstigen
oder sich gleichgiltig dagegen zu Verhalten, und befürwortet mich für die süd-
russischen Gebiete den Erlaß gesetzlicher Bestimmungen zum Zwecke der Be¬
schränkung des Grnnderwerbs durch Ausländer. In einem andern Artikel
macht die I^mvojiz Wrsrusa die Mitteilung, daß im russischen Ministerium des
Innern auf eine solche Beschränkung der ausländischen Kolonisation bezügliche
Vorlagen bereits ausgearbeitet würden und binnen kurzem zur Sanktion höhern
Orts vorgelegt werden würden.

In ähnlichem Sinne wie die ^ovojo Vremja spricht sich auch der Lsvjet,
gegen die deutschen Einwanderer aus; er bezeichnet sie als "patzig und hoch¬
trabend." Der 8"v,jvt, wirft die Frage auf, woher diese Kolonisten wohl die
Mittel nähmen, mit denen sie große Ländereien zu den höchsten Preisen er¬
werben, um dann später trotzdem damit zu Prosperiren. Die Antwort
findet der 8"vo,ot in dem Vorhandensein einer mächtigen, streng organisirten
Propaganda. Der Aufsatz schließt unter dem Ausdruck der Hoffnung, daß die
russische Verwaltung in den Südwestgebieten dieses "herausfordernde Gebahren"
der deutschen Kolonisten nicht unbeachtet lasse und deu "deutscheu Okknpativns-
gelüsten auf wirtschaftlichem Gebiete" ein Ende machen werde.

Ähnliche Nachrichten sind in neuerer Zeit auch aus Nordamerika hierher
gelangt. Auch von dort wird berichtet, daß mau jenseits des Ozeans anfange,
den deutsche" Kolonisten seiner Arbeitsamkeit und Bedürfnislosigkeit wegen zu
beneiden und zu hassen. Während aber nach Lage der Verhältnisse eine solche
Agitation in Nordamerika kaum zu Besorgnissen Anlaß geben kauu, mögen
sich hinsichtlich der russischen Kolonisirung die deutschen Ansiedler das Beispiel
der Balle,: und der früher privilegirten südrussischen Kolonisten vorhalten und
sich die dort maßgebende politische Auffassung vergegenwärtigen. In dieser
Beziehung ist der nach der obigen Ausführung von der Umvo^v M'suum ver¬
tretene Grundsatz I^r toros xriniö 1e äroit, bezeichnend. Die russische Zeitung
wendet ^ihn in^ihren Aufsätzen zwar auf Deutschland an; in weit höherm Grade
jedoch wird darnach in Rußland verfahren.




alles Russischen, ihr deutsches Wesen, die deutsche Sprache und ihre eigne Ver¬
waltung. Als charakteristische Züge des deutschen Ansiedlers bezeichnet die
5Joppe>je ^Vromstr strenge Disziplin, Nüchternheit und Energie bei der Arbeit.
So stelle er eine „schwere, ungeschliffene, rohe Kraft dar," deren einziges Ziel
es sei, fremde Ländereien für jeden Preis „an sich zu reißen." Um die
deutschen Kolonien herum verschwinde die russische Bevölkerung gänzlich. Das
russische Blatt warnt dem gegenüber davor, solche Zustände zu begünstigen
oder sich gleichgiltig dagegen zu Verhalten, und befürwortet mich für die süd-
russischen Gebiete den Erlaß gesetzlicher Bestimmungen zum Zwecke der Be¬
schränkung des Grnnderwerbs durch Ausländer. In einem andern Artikel
macht die I^mvojiz Wrsrusa die Mitteilung, daß im russischen Ministerium des
Innern auf eine solche Beschränkung der ausländischen Kolonisation bezügliche
Vorlagen bereits ausgearbeitet würden und binnen kurzem zur Sanktion höhern
Orts vorgelegt werden würden.

In ähnlichem Sinne wie die ^ovojo Vremja spricht sich auch der Lsvjet,
gegen die deutschen Einwanderer aus; er bezeichnet sie als „patzig und hoch¬
trabend." Der 8«v,jvt, wirft die Frage auf, woher diese Kolonisten wohl die
Mittel nähmen, mit denen sie große Ländereien zu den höchsten Preisen er¬
werben, um dann später trotzdem damit zu Prosperiren. Die Antwort
findet der 8»vo,ot in dem Vorhandensein einer mächtigen, streng organisirten
Propaganda. Der Aufsatz schließt unter dem Ausdruck der Hoffnung, daß die
russische Verwaltung in den Südwestgebieten dieses „herausfordernde Gebahren"
der deutschen Kolonisten nicht unbeachtet lasse und deu „deutscheu Okknpativns-
gelüsten auf wirtschaftlichem Gebiete" ein Ende machen werde.

Ähnliche Nachrichten sind in neuerer Zeit auch aus Nordamerika hierher
gelangt. Auch von dort wird berichtet, daß mau jenseits des Ozeans anfange,
den deutsche» Kolonisten seiner Arbeitsamkeit und Bedürfnislosigkeit wegen zu
beneiden und zu hassen. Während aber nach Lage der Verhältnisse eine solche
Agitation in Nordamerika kaum zu Besorgnissen Anlaß geben kauu, mögen
sich hinsichtlich der russischen Kolonisirung die deutschen Ansiedler das Beispiel
der Balle,: und der früher privilegirten südrussischen Kolonisten vorhalten und
sich die dort maßgebende politische Auffassung vergegenwärtigen. In dieser
Beziehung ist der nach der obigen Ausführung von der Umvo^v M'suum ver¬
tretene Grundsatz I^r toros xriniö 1e äroit, bezeichnend. Die russische Zeitung
wendet ^ihn in^ihren Aufsätzen zwar auf Deutschland an; in weit höherm Grade
jedoch wird darnach in Rußland verfahren.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 49, 1890, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341851_206644/103>, abgerufen am 25.08.2024.