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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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Junge Liebe

In, zum Teufel auch! Wir haben gestern niederträchtiges Pech mit
unserm Geschäft gehabt.

Was ist euch denn begegnet? fragte sie lächelnd weiter. Sie merkte erst
jetzt, daß Lars schon einen über den Durst getrunken hatte.

Hast du denn nicht davon gehört? Hast du denn heute noch nicht mit
deiner Mutter gesprochen?

Nein.

Na, es ist ja auch wahr, sie ahnt ja selber uoch nichts davon. Sie
hatte eine ganz verdammte Hast, uach Hause zu kommen.

So? fragte Martha und sah ihn wieder aufmerksam an. Was ist denn
geschehen?

Herr Gott! Wir haben Sören verloren!

Was sagst du?

Ja, siehst du, mein Kind, es ging ganz prächtig mit der Schaukel und
mit den Kcmeelstangeu. Als wir uns aber nach Sören umsehen wollten, der
ja das Geschüft mit den Zigarren übernommen hatte, so denke dir nur, wir
hatten ihn verloren! Natürlich hatte er sich betrunken, denn den Kasten fanden
wir mitten auf dem Wege, aber er war vollständig leer, und er selber hat
sich gewiß unter einen Busch schlafen gelegt!

Hast du ihn denn noch nicht gefunden?

Nein, das weiß der liebe Himmel, ich konnte nichts im Walde finden als
einen blassen Jungen, der am Wege saß und aus einer kleinen Pfeife sog.

Da saß einer am Wege? fragte Martha plötzlich gespannt. Wer mag
das wohl gewesen sein?

Ich glaube, es war einer von deu Studenten, die sich hier herumtreiben.

Ein glückseliges Lächeln glitt über Marthcis Antlitz.

Er wollte mit der Post fort, fügte Lars hinzu.

Mit der Post? -- sie griff unwillkürlich nach seinem Arme. Bist dn
dessen auch sicher?

Weiß Gott, ich bin dessen sicher! Ich sah ihn ja nachher selber hinein¬
kriechen. Aber was fehlt dir denn? Du bist ja auf einmal kreideweiß ge¬
worden, mein Kind?

Sie war wirklich nahe daran, umzusinken. Sie hatte die eine Hand über
die Augen gelegt und biß sich krampfhaft in die Lippen, während sie sich einen
Augenblick auf seinen Arm stützte.

Mir -- mir ist nicht ganz wohl. Ich habe diese Nacht schlecht ge¬
schlafen. -- Ich glaube, ich will lieber nach Hause gehen.

Herr meines Lebens! Kind, du wirst uns doch jetzt nicht krank
werden?

Nein nein -- es hat nichts zu sagen. Es ist nur -- laß uns nur jetzt
ucich Hause gehen! ^


Junge Liebe

In, zum Teufel auch! Wir haben gestern niederträchtiges Pech mit
unserm Geschäft gehabt.

Was ist euch denn begegnet? fragte sie lächelnd weiter. Sie merkte erst
jetzt, daß Lars schon einen über den Durst getrunken hatte.

Hast du denn nicht davon gehört? Hast du denn heute noch nicht mit
deiner Mutter gesprochen?

Nein.

Na, es ist ja auch wahr, sie ahnt ja selber uoch nichts davon. Sie
hatte eine ganz verdammte Hast, uach Hause zu kommen.

So? fragte Martha und sah ihn wieder aufmerksam an. Was ist denn
geschehen?

Herr Gott! Wir haben Sören verloren!

Was sagst du?

Ja, siehst du, mein Kind, es ging ganz prächtig mit der Schaukel und
mit den Kcmeelstangeu. Als wir uns aber nach Sören umsehen wollten, der
ja das Geschüft mit den Zigarren übernommen hatte, so denke dir nur, wir
hatten ihn verloren! Natürlich hatte er sich betrunken, denn den Kasten fanden
wir mitten auf dem Wege, aber er war vollständig leer, und er selber hat
sich gewiß unter einen Busch schlafen gelegt!

Hast du ihn denn noch nicht gefunden?

Nein, das weiß der liebe Himmel, ich konnte nichts im Walde finden als
einen blassen Jungen, der am Wege saß und aus einer kleinen Pfeife sog.

Da saß einer am Wege? fragte Martha plötzlich gespannt. Wer mag
das wohl gewesen sein?

Ich glaube, es war einer von deu Studenten, die sich hier herumtreiben.

Ein glückseliges Lächeln glitt über Marthcis Antlitz.

Er wollte mit der Post fort, fügte Lars hinzu.

Mit der Post? — sie griff unwillkürlich nach seinem Arme. Bist dn
dessen auch sicher?

Weiß Gott, ich bin dessen sicher! Ich sah ihn ja nachher selber hinein¬
kriechen. Aber was fehlt dir denn? Du bist ja auf einmal kreideweiß ge¬
worden, mein Kind?

Sie war wirklich nahe daran, umzusinken. Sie hatte die eine Hand über
die Augen gelegt und biß sich krampfhaft in die Lippen, während sie sich einen
Augenblick auf seinen Arm stützte.

Mir — mir ist nicht ganz wohl. Ich habe diese Nacht schlecht ge¬
schlafen. — Ich glaube, ich will lieber nach Hause gehen.

Herr meines Lebens! Kind, du wirst uns doch jetzt nicht krank
werden?

Nein nein — es hat nichts zu sagen. Es ist nur — laß uns nur jetzt
ucich Hause gehen! ^


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[0443] Junge Liebe In, zum Teufel auch! Wir haben gestern niederträchtiges Pech mit unserm Geschäft gehabt. Was ist euch denn begegnet? fragte sie lächelnd weiter. Sie merkte erst jetzt, daß Lars schon einen über den Durst getrunken hatte. Hast du denn nicht davon gehört? Hast du denn heute noch nicht mit deiner Mutter gesprochen? Nein. Na, es ist ja auch wahr, sie ahnt ja selber uoch nichts davon. Sie hatte eine ganz verdammte Hast, uach Hause zu kommen. So? fragte Martha und sah ihn wieder aufmerksam an. Was ist denn geschehen? Herr Gott! Wir haben Sören verloren! Was sagst du? Ja, siehst du, mein Kind, es ging ganz prächtig mit der Schaukel und mit den Kcmeelstangeu. Als wir uns aber nach Sören umsehen wollten, der ja das Geschüft mit den Zigarren übernommen hatte, so denke dir nur, wir hatten ihn verloren! Natürlich hatte er sich betrunken, denn den Kasten fanden wir mitten auf dem Wege, aber er war vollständig leer, und er selber hat sich gewiß unter einen Busch schlafen gelegt! Hast du ihn denn noch nicht gefunden? Nein, das weiß der liebe Himmel, ich konnte nichts im Walde finden als einen blassen Jungen, der am Wege saß und aus einer kleinen Pfeife sog. Da saß einer am Wege? fragte Martha plötzlich gespannt. Wer mag das wohl gewesen sein? Ich glaube, es war einer von deu Studenten, die sich hier herumtreiben. Ein glückseliges Lächeln glitt über Marthcis Antlitz. Er wollte mit der Post fort, fügte Lars hinzu. Mit der Post? — sie griff unwillkürlich nach seinem Arme. Bist dn dessen auch sicher? Weiß Gott, ich bin dessen sicher! Ich sah ihn ja nachher selber hinein¬ kriechen. Aber was fehlt dir denn? Du bist ja auf einmal kreideweiß ge¬ worden, mein Kind? Sie war wirklich nahe daran, umzusinken. Sie hatte die eine Hand über die Augen gelegt und biß sich krampfhaft in die Lippen, während sie sich einen Augenblick auf seinen Arm stützte. Mir — mir ist nicht ganz wohl. Ich habe diese Nacht schlecht ge¬ schlafen. — Ich glaube, ich will lieber nach Hause gehen. Herr meines Lebens! Kind, du wirst uns doch jetzt nicht krank werden? Nein nein — es hat nichts zu sagen. Es ist nur — laß uns nur jetzt ucich Hause gehen! ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/443>, abgerufen am 22.07.2024.