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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.

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Der Verfassungsstreit in Prenszen

geblich sind." Wiederholt wird dieses Versprechen in einer königlichen Ver¬
ordnung vom 22. Bull Z8l5, wo es heißt: "Um der preußischen Nation ein
Pfand unseres Vertrauens zu gebe", und damit der Nachkommenschaft die
Grundsätze, nach welchen Unsere Vorfahren und Wir selbst die Regierung
Unseres Reiches geführt haben, treu überliefert und vermittelst einer schriftlichen
Urkunde als Verfassung des preußische" Reiches dauerhaft bewahrt werde",
bestimmen Wir: ^ 1. Es soll eine Repräsentation des Volkes gebildet
werden" n. s. w. In t? 4 derselbe" Verordnung erstreckt sich die Wirksamkeit
der Lnudesrepräseutauten auf "die Beratung über alle Gegenstände der Gesetz¬
gebung, welche die persönlichen und Eigentumsrechte der Staatsbürger mit
Einschluß der Besteuerung betreffen." Von einer beschließenden und ent¬
scheidenden Mitwirkung der Volksvertretung bei der Gesetzgebung ist noch keine
Rede. Erst in einer Verordnung vom 17. Januar 1820 findet sich die folgende
Bestimmung: "Sollte der Staat künftighi" zu seiner Erhaltung in die Nvt-
we"digkeit kommen, zur Aufnahme eiues neuen Darlehens zu schreiten, so kam?
solches mir mit Zuziehung und unter Mitgarantie der künftigen reichsständischen
Versammlung geschehen."

Die Bestimmungen der deutschen Bundesakte und der Wiener Schlußakte,
aus denen man eine Verpflichtung der preußischen sowie aller andern deutschen
Regierungen zur Einführung einer Volksvertretung hat ableiten wollen, sind
so allgemein gehalten, daß sie bei Beurteilung dieser Frage eigentlich gar nicht
ins Gewicht fallen können. Der Art. 13 der deutschen Bundesakte lautet:
"In alleu Bundesstaaten wird eine landständische Verfassung stattfinden."
Art. 55 der Wiener Schlußakte lautet: "Den souveränen Fürsten der Bundes¬
staaten bleibt überlassen, diese innere Buudesangelegenheit mit Berücksichtigung
sowohl der früherhin gesetzlich bestandenen ständischen Rechte als der gegen¬
wärtig obwaltenden Verhältnisse zu ordnen." Art. 57: "Da der deutsche Bund,
mit Ausnahme der freien Städte, aus souveränen Fürsten besteht, so muß
dem hierdurch gegebenen Grundbegriffe zufolge die gesamte Staatsgewalt in
dem Oberhaupte des Staates vereinigt bleiben, und der Souverän kann dnrch
eine landständische Verfassung nur in der Atisübung bestimmter Rechte an die
Mitwirkung der Stände gebunden sein." Art. 58: "Die im Bunde vereinten
souveränen Fürsten dürfen durch keine landständische Verfassung in der Er¬
füllung ihrer bundesmäßigeu Verpflichtungen gehindert oder beschränkt werden."
Bei der Abfassung dieser Urkunden, die den deutschen Bund begründeten, lag
die Entscheidung wesentlich bei der österreichischen Negierung. bei Metternich;
der war aber nicht sehr für Volksrechte und Vvlksfreiheiteu, und von einer
Mitwirkung der Volksvertretung bei der Regierung wollte er gar nichts wissen.
Sein Grundsatz war ja: 'I'eine xour to xsuplo, rivn M- lui!

So lange Friedrich Wilhelm III. regierte, wurde eine Nationalvertretnng
in Preußen nicht eingeführt. Die Provinzialstände dagegen, so wie sie heute


Der Verfassungsstreit in Prenszen

geblich sind." Wiederholt wird dieses Versprechen in einer königlichen Ver¬
ordnung vom 22. Bull Z8l5, wo es heißt: „Um der preußischen Nation ein
Pfand unseres Vertrauens zu gebe», und damit der Nachkommenschaft die
Grundsätze, nach welchen Unsere Vorfahren und Wir selbst die Regierung
Unseres Reiches geführt haben, treu überliefert und vermittelst einer schriftlichen
Urkunde als Verfassung des preußische» Reiches dauerhaft bewahrt werde»,
bestimmen Wir: ^ 1. Es soll eine Repräsentation des Volkes gebildet
werden" n. s. w. In t? 4 derselbe» Verordnung erstreckt sich die Wirksamkeit
der Lnudesrepräseutauten auf „die Beratung über alle Gegenstände der Gesetz¬
gebung, welche die persönlichen und Eigentumsrechte der Staatsbürger mit
Einschluß der Besteuerung betreffen." Von einer beschließenden und ent¬
scheidenden Mitwirkung der Volksvertretung bei der Gesetzgebung ist noch keine
Rede. Erst in einer Verordnung vom 17. Januar 1820 findet sich die folgende
Bestimmung: „Sollte der Staat künftighi» zu seiner Erhaltung in die Nvt-
we»digkeit kommen, zur Aufnahme eiues neuen Darlehens zu schreiten, so kam?
solches mir mit Zuziehung und unter Mitgarantie der künftigen reichsständischen
Versammlung geschehen."

Die Bestimmungen der deutschen Bundesakte und der Wiener Schlußakte,
aus denen man eine Verpflichtung der preußischen sowie aller andern deutschen
Regierungen zur Einführung einer Volksvertretung hat ableiten wollen, sind
so allgemein gehalten, daß sie bei Beurteilung dieser Frage eigentlich gar nicht
ins Gewicht fallen können. Der Art. 13 der deutschen Bundesakte lautet:
„In alleu Bundesstaaten wird eine landständische Verfassung stattfinden."
Art. 55 der Wiener Schlußakte lautet: „Den souveränen Fürsten der Bundes¬
staaten bleibt überlassen, diese innere Buudesangelegenheit mit Berücksichtigung
sowohl der früherhin gesetzlich bestandenen ständischen Rechte als der gegen¬
wärtig obwaltenden Verhältnisse zu ordnen." Art. 57: „Da der deutsche Bund,
mit Ausnahme der freien Städte, aus souveränen Fürsten besteht, so muß
dem hierdurch gegebenen Grundbegriffe zufolge die gesamte Staatsgewalt in
dem Oberhaupte des Staates vereinigt bleiben, und der Souverän kann dnrch
eine landständische Verfassung nur in der Atisübung bestimmter Rechte an die
Mitwirkung der Stände gebunden sein." Art. 58: „Die im Bunde vereinten
souveränen Fürsten dürfen durch keine landständische Verfassung in der Er¬
füllung ihrer bundesmäßigeu Verpflichtungen gehindert oder beschränkt werden."
Bei der Abfassung dieser Urkunden, die den deutschen Bund begründeten, lag
die Entscheidung wesentlich bei der österreichischen Negierung. bei Metternich;
der war aber nicht sehr für Volksrechte und Vvlksfreiheiteu, und von einer
Mitwirkung der Volksvertretung bei der Regierung wollte er gar nichts wissen.
Sein Grundsatz war ja: 'I'eine xour to xsuplo, rivn M- lui!

So lange Friedrich Wilhelm III. regierte, wurde eine Nationalvertretnng
in Preußen nicht eingeführt. Die Provinzialstände dagegen, so wie sie heute


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[0415] Der Verfassungsstreit in Prenszen geblich sind." Wiederholt wird dieses Versprechen in einer königlichen Ver¬ ordnung vom 22. Bull Z8l5, wo es heißt: „Um der preußischen Nation ein Pfand unseres Vertrauens zu gebe», und damit der Nachkommenschaft die Grundsätze, nach welchen Unsere Vorfahren und Wir selbst die Regierung Unseres Reiches geführt haben, treu überliefert und vermittelst einer schriftlichen Urkunde als Verfassung des preußische» Reiches dauerhaft bewahrt werde», bestimmen Wir: ^ 1. Es soll eine Repräsentation des Volkes gebildet werden" n. s. w. In t? 4 derselbe» Verordnung erstreckt sich die Wirksamkeit der Lnudesrepräseutauten auf „die Beratung über alle Gegenstände der Gesetz¬ gebung, welche die persönlichen und Eigentumsrechte der Staatsbürger mit Einschluß der Besteuerung betreffen." Von einer beschließenden und ent¬ scheidenden Mitwirkung der Volksvertretung bei der Gesetzgebung ist noch keine Rede. Erst in einer Verordnung vom 17. Januar 1820 findet sich die folgende Bestimmung: „Sollte der Staat künftighi» zu seiner Erhaltung in die Nvt- we»digkeit kommen, zur Aufnahme eiues neuen Darlehens zu schreiten, so kam? solches mir mit Zuziehung und unter Mitgarantie der künftigen reichsständischen Versammlung geschehen." Die Bestimmungen der deutschen Bundesakte und der Wiener Schlußakte, aus denen man eine Verpflichtung der preußischen sowie aller andern deutschen Regierungen zur Einführung einer Volksvertretung hat ableiten wollen, sind so allgemein gehalten, daß sie bei Beurteilung dieser Frage eigentlich gar nicht ins Gewicht fallen können. Der Art. 13 der deutschen Bundesakte lautet: „In alleu Bundesstaaten wird eine landständische Verfassung stattfinden." Art. 55 der Wiener Schlußakte lautet: „Den souveränen Fürsten der Bundes¬ staaten bleibt überlassen, diese innere Buudesangelegenheit mit Berücksichtigung sowohl der früherhin gesetzlich bestandenen ständischen Rechte als der gegen¬ wärtig obwaltenden Verhältnisse zu ordnen." Art. 57: „Da der deutsche Bund, mit Ausnahme der freien Städte, aus souveränen Fürsten besteht, so muß dem hierdurch gegebenen Grundbegriffe zufolge die gesamte Staatsgewalt in dem Oberhaupte des Staates vereinigt bleiben, und der Souverän kann dnrch eine landständische Verfassung nur in der Atisübung bestimmter Rechte an die Mitwirkung der Stände gebunden sein." Art. 58: „Die im Bunde vereinten souveränen Fürsten dürfen durch keine landständische Verfassung in der Er¬ füllung ihrer bundesmäßigeu Verpflichtungen gehindert oder beschränkt werden." Bei der Abfassung dieser Urkunden, die den deutschen Bund begründeten, lag die Entscheidung wesentlich bei der österreichischen Negierung. bei Metternich; der war aber nicht sehr für Volksrechte und Vvlksfreiheiteu, und von einer Mitwirkung der Volksvertretung bei der Regierung wollte er gar nichts wissen. Sein Grundsatz war ja: 'I'eine xour to xsuplo, rivn M- lui! So lange Friedrich Wilhelm III. regierte, wurde eine Nationalvertretnng in Preußen nicht eingeführt. Die Provinzialstände dagegen, so wie sie heute

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_205998/415>, abgerufen am 01.07.2024.