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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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Manzoni und Goethe

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Mehr als in dieser Erstlingsode tritt noch in dein zwei Jahre später
erschienenen kleinen Lehrgedicht Urania, in dem er den von Corinna besiegten
Pindar durch die Muse belehren und trösten läßt, die Anlehnung an die alte
mythologisirende Dichtweise hervor. Um so wunderbarer berühren uns seine
kurze Zeit nachher (1809) erschienenen heiligen Hymnen (luni 8ac,ri), in denen
religiöse Gegenstände, die Geburt Christi (II Xatals), die Passion, die Auf¬
erstehung, das Pfingstfest und der Name Muria in volltönenden, begeisterten
Rhythmen voll glühender Glaubensinnigkeit in kühnem, bilderreichen Oden-
schwuug in damals unerhörter Weise zum Gegenstände der dichterischen Auf---
fassung und des poetischen Ausdruckes gemacht sind.

Von deu Eltern in den Überlieferungen der Aufklärungsperiode erzogen,
war Manzoni in seiner Jugend gelehrt worden, in Montesquieu, Voltaire
und deu Eneyklvpädisten seine Vorbilder zu erblicken. Aber seine Seele war
nicht darnach angelegt, um durch den rationalistischen Deismus, den kühlen
Skeptizismus oder öffnen Materialismus, die das französische Schrifttum des
achtzehnten Jahrhunderts durchwehen, auf die Dauer befriedigt zu werden.
Als er im Jahre 1808, erst dreinndzwanzigjährig, eine fromme Protestantin,
die Genferin Luise Blondel, geheiratet hatte, die ihm zu Liebe zum Katholi¬
zismus übergetreten war, sprengte sein glaubensbedürftiges Herz gewaltsam die
Eisrinde. Schon von früher Jugend an war es, wie er selbst es in der
Urania ausspricht, sein heißer Herzenswunsch gewesen, "dereinst zu dem nus-
erwählteu Fähnlein italienischer Dichter gezählt zu werden"; jetzt empfand er,
wohinaus sein dichterischer Beruf liege. Er erknunte oder glaubte zu erkennen,
daß sein leidenschaftlich geliebtes Volk nnr durch eine religiöse Wiedergeburt
aus sittlicher und politischer Versumpfung gerettet werden könne. In den luni
"aeri finden wir keine ästhetische Auffassung der Religion, die mit der religiösen
Wahrheit spielte, wie der Kolorist mit der Farbe, wie in den Nartyrs und dem
(nouis Zu cirri8tiani8in<z, sondern eine ebenso tief wahrhaftige, wie naive Be¬
geisterung für das orthodoxe Bekenntnis der römisch-katholischen Kirche, dabei
aber ohne jede Spur von Unduldsamkeit oder Verketzerung Andersgläubiger.
"Der Verfasser," sagt Goethe mit Recht, "erscheint als Christ ohne Schwärmerei,
als römisch-katholisch ohne Bigotterie, als Eiferer ohne Härte." Schon lag



Fühlen . . . und denke"; mit Wenigem dich begnügen; von dem Ziele nie die Angen
abwenden; rein die Hand bewahren nud rein den Geist; von den menschlichen Dingen so
viel erproben, das; es dir genüge, dich nicht um sie zu kümmern; nie dich zum Sklaven
machen; keinen Frieden mit den Schlechten schließen; die heilge Wahrheit niemals verraten;
nie ein Wort aussprechen zum Lobe des Lasters oder zur Verhöhnung der Tugend.
Manzoni und Goethe

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Mir moll traelir; un i>rokorir w-ii portio
LIis xlauci^ -»1 vinia, n I-t virt>> äsriäa."')

Mehr als in dieser Erstlingsode tritt noch in dein zwei Jahre später
erschienenen kleinen Lehrgedicht Urania, in dem er den von Corinna besiegten
Pindar durch die Muse belehren und trösten läßt, die Anlehnung an die alte
mythologisirende Dichtweise hervor. Um so wunderbarer berühren uns seine
kurze Zeit nachher (1809) erschienenen heiligen Hymnen (luni 8ac,ri), in denen
religiöse Gegenstände, die Geburt Christi (II Xatals), die Passion, die Auf¬
erstehung, das Pfingstfest und der Name Muria in volltönenden, begeisterten
Rhythmen voll glühender Glaubensinnigkeit in kühnem, bilderreichen Oden-
schwuug in damals unerhörter Weise zum Gegenstände der dichterischen Auf---
fassung und des poetischen Ausdruckes gemacht sind.

Von deu Eltern in den Überlieferungen der Aufklärungsperiode erzogen,
war Manzoni in seiner Jugend gelehrt worden, in Montesquieu, Voltaire
und deu Eneyklvpädisten seine Vorbilder zu erblicken. Aber seine Seele war
nicht darnach angelegt, um durch den rationalistischen Deismus, den kühlen
Skeptizismus oder öffnen Materialismus, die das französische Schrifttum des
achtzehnten Jahrhunderts durchwehen, auf die Dauer befriedigt zu werden.
Als er im Jahre 1808, erst dreinndzwanzigjährig, eine fromme Protestantin,
die Genferin Luise Blondel, geheiratet hatte, die ihm zu Liebe zum Katholi¬
zismus übergetreten war, sprengte sein glaubensbedürftiges Herz gewaltsam die
Eisrinde. Schon von früher Jugend an war es, wie er selbst es in der
Urania ausspricht, sein heißer Herzenswunsch gewesen, „dereinst zu dem nus-
erwählteu Fähnlein italienischer Dichter gezählt zu werden"; jetzt empfand er,
wohinaus sein dichterischer Beruf liege. Er erknunte oder glaubte zu erkennen,
daß sein leidenschaftlich geliebtes Volk nnr durch eine religiöse Wiedergeburt
aus sittlicher und politischer Versumpfung gerettet werden könne. In den luni
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Wahrheit spielte, wie der Kolorist mit der Farbe, wie in den Nartyrs und dem
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geisterung für das orthodoxe Bekenntnis der römisch-katholischen Kirche, dabei
aber ohne jede Spur von Unduldsamkeit oder Verketzerung Andersgläubiger.
„Der Verfasser," sagt Goethe mit Recht, „erscheint als Christ ohne Schwärmerei,
als römisch-katholisch ohne Bigotterie, als Eiferer ohne Härte." Schon lag



Fühlen . . . und denke»; mit Wenigem dich begnügen; von dem Ziele nie die Angen
abwenden; rein die Hand bewahren nud rein den Geist; von den menschlichen Dingen so
viel erproben, das; es dir genüge, dich nicht um sie zu kümmern; nie dich zum Sklaven
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nie ein Wort aussprechen zum Lobe des Lasters oder zur Verhöhnung der Tugend.
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[0085] Manzoni und Goethe ?<zr noir ourarlo; non et Ar w->i svrvo, Zison sg.r trsZu-t ovi piu; it sg.illo V-;ri) Mir moll traelir; un i>rokorir w-ii portio LIis xlauci^ -»1 vinia, n I-t virt>> äsriäa."') Mehr als in dieser Erstlingsode tritt noch in dein zwei Jahre später erschienenen kleinen Lehrgedicht Urania, in dem er den von Corinna besiegten Pindar durch die Muse belehren und trösten läßt, die Anlehnung an die alte mythologisirende Dichtweise hervor. Um so wunderbarer berühren uns seine kurze Zeit nachher (1809) erschienenen heiligen Hymnen (luni 8ac,ri), in denen religiöse Gegenstände, die Geburt Christi (II Xatals), die Passion, die Auf¬ erstehung, das Pfingstfest und der Name Muria in volltönenden, begeisterten Rhythmen voll glühender Glaubensinnigkeit in kühnem, bilderreichen Oden- schwuug in damals unerhörter Weise zum Gegenstände der dichterischen Auf--- fassung und des poetischen Ausdruckes gemacht sind. Von deu Eltern in den Überlieferungen der Aufklärungsperiode erzogen, war Manzoni in seiner Jugend gelehrt worden, in Montesquieu, Voltaire und deu Eneyklvpädisten seine Vorbilder zu erblicken. Aber seine Seele war nicht darnach angelegt, um durch den rationalistischen Deismus, den kühlen Skeptizismus oder öffnen Materialismus, die das französische Schrifttum des achtzehnten Jahrhunderts durchwehen, auf die Dauer befriedigt zu werden. Als er im Jahre 1808, erst dreinndzwanzigjährig, eine fromme Protestantin, die Genferin Luise Blondel, geheiratet hatte, die ihm zu Liebe zum Katholi¬ zismus übergetreten war, sprengte sein glaubensbedürftiges Herz gewaltsam die Eisrinde. Schon von früher Jugend an war es, wie er selbst es in der Urania ausspricht, sein heißer Herzenswunsch gewesen, „dereinst zu dem nus- erwählteu Fähnlein italienischer Dichter gezählt zu werden"; jetzt empfand er, wohinaus sein dichterischer Beruf liege. Er erknunte oder glaubte zu erkennen, daß sein leidenschaftlich geliebtes Volk nnr durch eine religiöse Wiedergeburt aus sittlicher und politischer Versumpfung gerettet werden könne. In den luni »aeri finden wir keine ästhetische Auffassung der Religion, die mit der religiösen Wahrheit spielte, wie der Kolorist mit der Farbe, wie in den Nartyrs und dem (nouis Zu cirri8tiani8in<z, sondern eine ebenso tief wahrhaftige, wie naive Be¬ geisterung für das orthodoxe Bekenntnis der römisch-katholischen Kirche, dabei aber ohne jede Spur von Unduldsamkeit oder Verketzerung Andersgläubiger. „Der Verfasser," sagt Goethe mit Recht, „erscheint als Christ ohne Schwärmerei, als römisch-katholisch ohne Bigotterie, als Eiferer ohne Härte." Schon lag Fühlen . . . und denke»; mit Wenigem dich begnügen; von dem Ziele nie die Angen abwenden; rein die Hand bewahren nud rein den Geist; von den menschlichen Dingen so viel erproben, das; es dir genüge, dich nicht um sie zu kümmern; nie dich zum Sklaven machen; keinen Frieden mit den Schlechten schließen; die heilge Wahrheit niemals verraten; nie ein Wort aussprechen zum Lobe des Lasters oder zur Verhöhnung der Tugend.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/85>, abgerufen am 05.02.2025.