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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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Aus dem Leben des Kardinals Ranscher

livrer ist." Solche Worte erinnern fast an Johannes von Müller, den Pro¬
testanten, der in den Jahren 1782 bis 1787 die josephinische Kirchenpolitik
gleichfalls mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit einer geistigen, von dem
Staat im Wesen unabhängigen Macht so glänzend bekämpft hatte.

Das Konkordat kam bekanntlich in den Jahre", die dein unglücklichen
Krieg von 1866 folgten, stückweise zu Falle. Über die Stellung Rauschers
in dieser Periode bringt Schulte manche anziehende Mitteilung. Es wird
erinnerlich sein, das; damals, als man sich in der Wiener Hofburg entschloß,
die "Regeneration" des Reiches durch Befriedigung der Ungarn, durch liberale
Zugeständnisse und durch Begünstigung der Deutschen in der westlichen Reichs-
hülfte zu unternehmen, sich alsbald eine klerikal-föderalistische Opposition erhob.
Rauscher, mit seinen cmsgeprügt altösterreichisch-zentralistischen Ansichten, stand
ihr fern. Als ihm aber im September 1867 von Schulte in einer vertrau-
lichen Unterredung in dem Lustschloß Se. Veit nahegelegt wurde, wie der
Kaiser sich -- was der Kardinal durchaus nicht glauben wollte -- sich doch
bestimmt fühlen konnte, den Zeitumständen dnrch die Aufhebung des Konkordats
ein Opfer zu bringen, brach er in die Worte aus: "Wenn man so weit geht,
trete ich der Opposition bei; hier auf demselben Sessel, worauf Sie sitzen, hat
mir ... das Angebot gemacht . . ., wenn ich meine Politik aufgebe; ich
habe den Staat gerettet!" Dies war ein in der Aufregung gesprochenes Wort,
den: keine Thaten folgten; er blieb, der er war, der Zentralist, der in den
Deutschen Österreichs das staatserhaltende und völkerverbindende Element der
Monarchie sah, und nie ist er in den Veratungen und Abstimmungen des
Herrenhauses von dieser Überzeugung abgewichen. Er wurde darum auch
bald die Zielscheibe starker und wenig edler Angriffe der föderalistischen
Klerikalen, deren Organ das "Vaterland" damals schon war. Mit Mäßigung,
aber entschieden wies er sie in seinein "Volksfreund" zurück. So wurde er
-- in den fünfziger Jahren in Wien einer der bestgehaßten Männer -- am
Abend seines Lebens unter den Deutschen Österreichs populär.

Sehr bedeutend ist Kardinal Rauscher auf dem vatikanischen Konzil von
1870--1871 hervorgetreten. Die Ansicht Schuttes, er habe sich da, "vor die
Entscheidung gestellt: soll die Überzeugung oder der Glaube durchdringen oder
auf Kosten beider die einheitliche Macht der Hierarchie gerettet werden, sich
für das letztere entschieden," vermögen wir nicht zu teilen, sondern schließen
uns der Ansicht seines Verteidigers an, Rauscher habe gegen den Glaubenssatz
der Unfehlbarkeit des Papstes kein Bedenken des Glaubens gehabt, sondern
uur das des Staatsmanns: er fand die feierliche Verkündigung dieses Satzes
bei der damaligen Lage der katholischen Kirche unzweckmäßig, und darum
stimmte er zuerst dagegen; als aber die Mehrheit des Konzils sich dafür ent¬
schied, schien es ihm schon aus Gründen der kirchlichen Disziplin selbst¬
verständlich, sich diesem Spruche zu unterwerfen. Wenn er dünn in seiner


Aus dem Leben des Kardinals Ranscher

livrer ist." Solche Worte erinnern fast an Johannes von Müller, den Pro¬
testanten, der in den Jahren 1782 bis 1787 die josephinische Kirchenpolitik
gleichfalls mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit einer geistigen, von dem
Staat im Wesen unabhängigen Macht so glänzend bekämpft hatte.

Das Konkordat kam bekanntlich in den Jahre», die dein unglücklichen
Krieg von 1866 folgten, stückweise zu Falle. Über die Stellung Rauschers
in dieser Periode bringt Schulte manche anziehende Mitteilung. Es wird
erinnerlich sein, das; damals, als man sich in der Wiener Hofburg entschloß,
die „Regeneration" des Reiches durch Befriedigung der Ungarn, durch liberale
Zugeständnisse und durch Begünstigung der Deutschen in der westlichen Reichs-
hülfte zu unternehmen, sich alsbald eine klerikal-föderalistische Opposition erhob.
Rauscher, mit seinen cmsgeprügt altösterreichisch-zentralistischen Ansichten, stand
ihr fern. Als ihm aber im September 1867 von Schulte in einer vertrau-
lichen Unterredung in dem Lustschloß Se. Veit nahegelegt wurde, wie der
Kaiser sich — was der Kardinal durchaus nicht glauben wollte — sich doch
bestimmt fühlen konnte, den Zeitumständen dnrch die Aufhebung des Konkordats
ein Opfer zu bringen, brach er in die Worte aus: „Wenn man so weit geht,
trete ich der Opposition bei; hier auf demselben Sessel, worauf Sie sitzen, hat
mir ... das Angebot gemacht . . ., wenn ich meine Politik aufgebe; ich
habe den Staat gerettet!" Dies war ein in der Aufregung gesprochenes Wort,
den: keine Thaten folgten; er blieb, der er war, der Zentralist, der in den
Deutschen Österreichs das staatserhaltende und völkerverbindende Element der
Monarchie sah, und nie ist er in den Veratungen und Abstimmungen des
Herrenhauses von dieser Überzeugung abgewichen. Er wurde darum auch
bald die Zielscheibe starker und wenig edler Angriffe der föderalistischen
Klerikalen, deren Organ das „Vaterland" damals schon war. Mit Mäßigung,
aber entschieden wies er sie in seinein „Volksfreund" zurück. So wurde er
— in den fünfziger Jahren in Wien einer der bestgehaßten Männer — am
Abend seines Lebens unter den Deutschen Österreichs populär.

Sehr bedeutend ist Kardinal Rauscher auf dem vatikanischen Konzil von
1870—1871 hervorgetreten. Die Ansicht Schuttes, er habe sich da, „vor die
Entscheidung gestellt: soll die Überzeugung oder der Glaube durchdringen oder
auf Kosten beider die einheitliche Macht der Hierarchie gerettet werden, sich
für das letztere entschieden," vermögen wir nicht zu teilen, sondern schließen
uns der Ansicht seines Verteidigers an, Rauscher habe gegen den Glaubenssatz
der Unfehlbarkeit des Papstes kein Bedenken des Glaubens gehabt, sondern
uur das des Staatsmanns: er fand die feierliche Verkündigung dieses Satzes
bei der damaligen Lage der katholischen Kirche unzweckmäßig, und darum
stimmte er zuerst dagegen; als aber die Mehrheit des Konzils sich dafür ent¬
schied, schien es ihm schon aus Gründen der kirchlichen Disziplin selbst¬
verständlich, sich diesem Spruche zu unterwerfen. Wenn er dünn in seiner


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/78>, abgerufen am 05.02.2025.