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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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Der Kronprinz in der Aonfliktszeit

zugab -- und dann auch bei der herrschenden Aufregung, die selbst Männern
Besorgnis einflößen konnte, eine wenigstens begreifliche Fürsorge, bei der nur
übersehen war, daß die Mittel, mit denen man sich Sicherheit und Geltung zu
verschaffen glaubte, gerade die Monarchie erschüttern, zuletzt über den Parlamen¬
tarismus hinaus wirken, die Krone zu einem zweifelhaften Besitze machen und
der reinen Demokratie die Thore öffnen mußten. Sei dem nun, wie ihm
wolle, es wurde behauptet, die betreffende Dame halte Opposition gegen die
gegenwärtige Regierung für ihre und des Kronprinzen Pflicht an sich und
zugleich für ein Gebot der Selbsterhaltung, und wenn sie die Triebfeder bei
dem Bekanntwerden des Konfliktes zwischen dem jetzigen und dem künftigen Könige
gewesen sei, so habe ihr der Zweck vorgeschwebt, letzterm eine Stelle mehr im
Vordergrunde der politischen Bühne zu verschaffen und die öffentliche Meinung
über seine entschieden liberale Denkart und über seine damit zusammenhängende
Liebe zu unbeschränkter Preßfreiheit recht nachdrücklich und andauernd aufzuklären.

Inzwischen hatte der Kronprinz bald nach Erlaß der Preßvervrdnung
-- wenn unser Gedächtnis nicht trügt, aus Graudenz -- bei dem Minister¬
präsidenten einen förmlichen Protest dagegen eingelegt und amtliche Mitteilung
des Schriftstückes an das Staatsministerium verlangt. Dies war jedoch auf
Befehl des Königs unterblieben, und nun richtete der hohe Herr in den letzten
Tagen des Juni ein Schreiben an Bismarck, worin er dessen Politik in starken
Ausdrücken verurteilte und ihr vorwarf, sie sei ohne Achtung und Wohlwollen
gegen ein Volk, das doch so willig und intelligent sei, sie stütze sich auf äußerst
zweifelhafte Auslegungen der Verfassung, die dem gesunden Menschenverstande
desselben nicht einleuchteten, sie werde damit so lange fortfahren, bis die Ver¬
fassung in den Augen des Volkes wertlos erscheine und dieses sich Bestrebungen
ergebe, die über sie hinausgingen. Anderseits werde der Minister von ge¬
wagten Deutungen der Verfnsfuug zu gewagteren fortschreiten und zuletzt
dahin gelangen, dem Könige grobe Verletzung derselben und Bruch mit ihr
zu empfehlen. Der Verfasser des Briefes ließ seine Entrüstung in der Erklä¬
rung gipfeln, er betrachte solche Minister als die allergefährlichsten Ratgeber
für die Krone und das Land, zeigte an, daß er den König bitten werde,
sich so lange dieses Ministerium im Amte bleibe, der Teilnahme an dessen
Sitzungen enthalten zu dürfen, und fügte schließlich hinzu, er werde sich aber
in keiner andern Beziehung bezüglich der Äußerung seiner Meinungen Zwang
anthun und ein ferneres Hinaustreten damit in die Öffentlichkeit, obwohl es
ihm widerstrebe, nicht scheuen, wenn Schritte des Ministeriums es ihm wieder
zur Pflicht machten.

Daß Bismarck vor solcher Drohung nicht verzagte, weiß die Welt, ebenso
auch, daß der Kronprinz zwanzig, ja vielleicht schon vier Jahre später sich
nicht gern an diese Opposition erinnert haben wird.




Der Kronprinz in der Aonfliktszeit

zugab — und dann auch bei der herrschenden Aufregung, die selbst Männern
Besorgnis einflößen konnte, eine wenigstens begreifliche Fürsorge, bei der nur
übersehen war, daß die Mittel, mit denen man sich Sicherheit und Geltung zu
verschaffen glaubte, gerade die Monarchie erschüttern, zuletzt über den Parlamen¬
tarismus hinaus wirken, die Krone zu einem zweifelhaften Besitze machen und
der reinen Demokratie die Thore öffnen mußten. Sei dem nun, wie ihm
wolle, es wurde behauptet, die betreffende Dame halte Opposition gegen die
gegenwärtige Regierung für ihre und des Kronprinzen Pflicht an sich und
zugleich für ein Gebot der Selbsterhaltung, und wenn sie die Triebfeder bei
dem Bekanntwerden des Konfliktes zwischen dem jetzigen und dem künftigen Könige
gewesen sei, so habe ihr der Zweck vorgeschwebt, letzterm eine Stelle mehr im
Vordergrunde der politischen Bühne zu verschaffen und die öffentliche Meinung
über seine entschieden liberale Denkart und über seine damit zusammenhängende
Liebe zu unbeschränkter Preßfreiheit recht nachdrücklich und andauernd aufzuklären.

Inzwischen hatte der Kronprinz bald nach Erlaß der Preßvervrdnung
— wenn unser Gedächtnis nicht trügt, aus Graudenz — bei dem Minister¬
präsidenten einen förmlichen Protest dagegen eingelegt und amtliche Mitteilung
des Schriftstückes an das Staatsministerium verlangt. Dies war jedoch auf
Befehl des Königs unterblieben, und nun richtete der hohe Herr in den letzten
Tagen des Juni ein Schreiben an Bismarck, worin er dessen Politik in starken
Ausdrücken verurteilte und ihr vorwarf, sie sei ohne Achtung und Wohlwollen
gegen ein Volk, das doch so willig und intelligent sei, sie stütze sich auf äußerst
zweifelhafte Auslegungen der Verfassung, die dem gesunden Menschenverstande
desselben nicht einleuchteten, sie werde damit so lange fortfahren, bis die Ver¬
fassung in den Augen des Volkes wertlos erscheine und dieses sich Bestrebungen
ergebe, die über sie hinausgingen. Anderseits werde der Minister von ge¬
wagten Deutungen der Verfnsfuug zu gewagteren fortschreiten und zuletzt
dahin gelangen, dem Könige grobe Verletzung derselben und Bruch mit ihr
zu empfehlen. Der Verfasser des Briefes ließ seine Entrüstung in der Erklä¬
rung gipfeln, er betrachte solche Minister als die allergefährlichsten Ratgeber
für die Krone und das Land, zeigte an, daß er den König bitten werde,
sich so lange dieses Ministerium im Amte bleibe, der Teilnahme an dessen
Sitzungen enthalten zu dürfen, und fügte schließlich hinzu, er werde sich aber
in keiner andern Beziehung bezüglich der Äußerung seiner Meinungen Zwang
anthun und ein ferneres Hinaustreten damit in die Öffentlichkeit, obwohl es
ihm widerstrebe, nicht scheuen, wenn Schritte des Ministeriums es ihm wieder
zur Pflicht machten.

Daß Bismarck vor solcher Drohung nicht verzagte, weiß die Welt, ebenso
auch, daß der Kronprinz zwanzig, ja vielleicht schon vier Jahre später sich
nicht gern an diese Opposition erinnert haben wird.




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[0558] Der Kronprinz in der Aonfliktszeit zugab — und dann auch bei der herrschenden Aufregung, die selbst Männern Besorgnis einflößen konnte, eine wenigstens begreifliche Fürsorge, bei der nur übersehen war, daß die Mittel, mit denen man sich Sicherheit und Geltung zu verschaffen glaubte, gerade die Monarchie erschüttern, zuletzt über den Parlamen¬ tarismus hinaus wirken, die Krone zu einem zweifelhaften Besitze machen und der reinen Demokratie die Thore öffnen mußten. Sei dem nun, wie ihm wolle, es wurde behauptet, die betreffende Dame halte Opposition gegen die gegenwärtige Regierung für ihre und des Kronprinzen Pflicht an sich und zugleich für ein Gebot der Selbsterhaltung, und wenn sie die Triebfeder bei dem Bekanntwerden des Konfliktes zwischen dem jetzigen und dem künftigen Könige gewesen sei, so habe ihr der Zweck vorgeschwebt, letzterm eine Stelle mehr im Vordergrunde der politischen Bühne zu verschaffen und die öffentliche Meinung über seine entschieden liberale Denkart und über seine damit zusammenhängende Liebe zu unbeschränkter Preßfreiheit recht nachdrücklich und andauernd aufzuklären. Inzwischen hatte der Kronprinz bald nach Erlaß der Preßvervrdnung — wenn unser Gedächtnis nicht trügt, aus Graudenz — bei dem Minister¬ präsidenten einen förmlichen Protest dagegen eingelegt und amtliche Mitteilung des Schriftstückes an das Staatsministerium verlangt. Dies war jedoch auf Befehl des Königs unterblieben, und nun richtete der hohe Herr in den letzten Tagen des Juni ein Schreiben an Bismarck, worin er dessen Politik in starken Ausdrücken verurteilte und ihr vorwarf, sie sei ohne Achtung und Wohlwollen gegen ein Volk, das doch so willig und intelligent sei, sie stütze sich auf äußerst zweifelhafte Auslegungen der Verfassung, die dem gesunden Menschenverstande desselben nicht einleuchteten, sie werde damit so lange fortfahren, bis die Ver¬ fassung in den Augen des Volkes wertlos erscheine und dieses sich Bestrebungen ergebe, die über sie hinausgingen. Anderseits werde der Minister von ge¬ wagten Deutungen der Verfnsfuug zu gewagteren fortschreiten und zuletzt dahin gelangen, dem Könige grobe Verletzung derselben und Bruch mit ihr zu empfehlen. Der Verfasser des Briefes ließ seine Entrüstung in der Erklä¬ rung gipfeln, er betrachte solche Minister als die allergefährlichsten Ratgeber für die Krone und das Land, zeigte an, daß er den König bitten werde, sich so lange dieses Ministerium im Amte bleibe, der Teilnahme an dessen Sitzungen enthalten zu dürfen, und fügte schließlich hinzu, er werde sich aber in keiner andern Beziehung bezüglich der Äußerung seiner Meinungen Zwang anthun und ein ferneres Hinaustreten damit in die Öffentlichkeit, obwohl es ihm widerstrebe, nicht scheuen, wenn Schritte des Ministeriums es ihm wieder zur Pflicht machten. Daß Bismarck vor solcher Drohung nicht verzagte, weiß die Welt, ebenso auch, daß der Kronprinz zwanzig, ja vielleicht schon vier Jahre später sich nicht gern an diese Opposition erinnert haben wird.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/558>, abgerufen am 05.02.2025.