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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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Der Kronprinz in der Ronfliktszeit

einverstanden und habe seine abfüllige Beurteilung der Maßregel sowohl in der
Öffentlichkeit, als seinem königlichen Vater und den Ministern gegenüber un¬
verhohlen ausgesprochen. Ein Glaubensgenosse in den höchsten Sphären war
ein großer Trost und Gewinn für die oppositionellen Parteien, er schien die
ganze Verordnung aufzuwiegen, und man zögerte nicht, ihn als Bundesgenossen
aufzufassen und darzustellen, wovon doch, wenn dabei an mehr als Gedanken
und Worte gedacht werden sollte, schon bei einiger Rücksicht auf den Respekt,
den der Kronprinz vor seinem Könige und Vater zu fühlen und kund zu geben
hatte und bisher, wie bekannt, kund zu geben beflissen gewesen war, ebenso
sehr aber beim Hinblick auf deu Umstand, daß feine Stellungen zu politischer
Wirksamkeit weder berechtigte noch verpflichtete, im Ernste nicht die Rede sein
konnte. Man war doch in Preußen und nicht in Frankreich, wo es freilich
möglich gewesen war, daß in Gestalt Ludwig Philipps ein Prinz des könig¬
lichen Hauses sich mit der Opposition verbündete, um sich bei der erwarteten
Umwälzung den Thron zu sichern, den die Führer dieser für erledigt erklären konnten.
Indes war es für die Feinde der Negierung von großer Bedeutung, daß der
zukünftige König ihre Ansichten und Abneigungen teilte und sich in diesem
Sinne wiederholt, auch an höchster Stelle, geäußert hatte. Zu wissen, daß
der Zwiespalt der Meinungen bis an die Stufen des Thrones reiche, daß hier
eine Persönlichkeit, der sich Einfluß auf die höchste maßgebende Stelle zuschreiben
ließ, gegen deren Räte Front machte, ließ sich vortrefflich zur Hintertreibung
der vom Ministeriuni gewünschten und vorzüglich mit der Preßverordnuug er¬
strebten bessern Neuwahlen verwerten, und wenn wieder eine oppositionelle
Mehrheit im Abgeordnetenhause zustande kam, so hat unzweifelhaft die Nachricht
vom Eindringen des Konflikts in die königliche Familie und der Parteinahme
des Thronerben für die Presse und die politische Richtung, in der diese die
besten Geschäfte zu machen geglaubt hatte, wesentlich zu diesem Ergebnis bei¬
getragen.

Ehe wir von diesen merkwürdigen Vorgängen nach unsern Erinnerungen
an das, was damals darüber in die Öffentlichkeit drang, ausführlicher erzählen,
schalten wir noch einige allgemeine Bemerkungen ein, die allenfalls das Licht
schaffen könnten, in welchem jene Vorgänge begreiflich werden, und zwar be¬
ziehen sich diese Bemerkungen teils auf Thatsachen, teils wollen sie nur als
Vermutungen genommen sein, die von Beobachtungen und Erfahrungen in
anderen, aber in manchen äußerlichen Beziehungen fehr ähnlich gearteten Kreisen
abgeleitet sind.

In der preußischen Verfassung war nichts ausgesprochen, was dem Thron¬
erben das Recht verliehen oder die Pflicht auferlegt hätte, gegen eine von der
Regierung im Einklange init dem Könige beschlossene und von diesem mit seiner
Unterschrift versehene Maßregel Widerspruch zu erheben. Die Sorge für das
Wohl des Staates lag den vom Könige dazu berufenen Ministern und in letzter


Grenzboten II 1889 69
Der Kronprinz in der Ronfliktszeit

einverstanden und habe seine abfüllige Beurteilung der Maßregel sowohl in der
Öffentlichkeit, als seinem königlichen Vater und den Ministern gegenüber un¬
verhohlen ausgesprochen. Ein Glaubensgenosse in den höchsten Sphären war
ein großer Trost und Gewinn für die oppositionellen Parteien, er schien die
ganze Verordnung aufzuwiegen, und man zögerte nicht, ihn als Bundesgenossen
aufzufassen und darzustellen, wovon doch, wenn dabei an mehr als Gedanken
und Worte gedacht werden sollte, schon bei einiger Rücksicht auf den Respekt,
den der Kronprinz vor seinem Könige und Vater zu fühlen und kund zu geben
hatte und bisher, wie bekannt, kund zu geben beflissen gewesen war, ebenso
sehr aber beim Hinblick auf deu Umstand, daß feine Stellungen zu politischer
Wirksamkeit weder berechtigte noch verpflichtete, im Ernste nicht die Rede sein
konnte. Man war doch in Preußen und nicht in Frankreich, wo es freilich
möglich gewesen war, daß in Gestalt Ludwig Philipps ein Prinz des könig¬
lichen Hauses sich mit der Opposition verbündete, um sich bei der erwarteten
Umwälzung den Thron zu sichern, den die Führer dieser für erledigt erklären konnten.
Indes war es für die Feinde der Negierung von großer Bedeutung, daß der
zukünftige König ihre Ansichten und Abneigungen teilte und sich in diesem
Sinne wiederholt, auch an höchster Stelle, geäußert hatte. Zu wissen, daß
der Zwiespalt der Meinungen bis an die Stufen des Thrones reiche, daß hier
eine Persönlichkeit, der sich Einfluß auf die höchste maßgebende Stelle zuschreiben
ließ, gegen deren Räte Front machte, ließ sich vortrefflich zur Hintertreibung
der vom Ministeriuni gewünschten und vorzüglich mit der Preßverordnuug er¬
strebten bessern Neuwahlen verwerten, und wenn wieder eine oppositionelle
Mehrheit im Abgeordnetenhause zustande kam, so hat unzweifelhaft die Nachricht
vom Eindringen des Konflikts in die königliche Familie und der Parteinahme
des Thronerben für die Presse und die politische Richtung, in der diese die
besten Geschäfte zu machen geglaubt hatte, wesentlich zu diesem Ergebnis bei¬
getragen.

Ehe wir von diesen merkwürdigen Vorgängen nach unsern Erinnerungen
an das, was damals darüber in die Öffentlichkeit drang, ausführlicher erzählen,
schalten wir noch einige allgemeine Bemerkungen ein, die allenfalls das Licht
schaffen könnten, in welchem jene Vorgänge begreiflich werden, und zwar be¬
ziehen sich diese Bemerkungen teils auf Thatsachen, teils wollen sie nur als
Vermutungen genommen sein, die von Beobachtungen und Erfahrungen in
anderen, aber in manchen äußerlichen Beziehungen fehr ähnlich gearteten Kreisen
abgeleitet sind.

In der preußischen Verfassung war nichts ausgesprochen, was dem Thron¬
erben das Recht verliehen oder die Pflicht auferlegt hätte, gegen eine von der
Regierung im Einklange init dem Könige beschlossene und von diesem mit seiner
Unterschrift versehene Maßregel Widerspruch zu erheben. Die Sorge für das
Wohl des Staates lag den vom Könige dazu berufenen Ministern und in letzter


Grenzboten II 1889 69
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[0553] Der Kronprinz in der Ronfliktszeit einverstanden und habe seine abfüllige Beurteilung der Maßregel sowohl in der Öffentlichkeit, als seinem königlichen Vater und den Ministern gegenüber un¬ verhohlen ausgesprochen. Ein Glaubensgenosse in den höchsten Sphären war ein großer Trost und Gewinn für die oppositionellen Parteien, er schien die ganze Verordnung aufzuwiegen, und man zögerte nicht, ihn als Bundesgenossen aufzufassen und darzustellen, wovon doch, wenn dabei an mehr als Gedanken und Worte gedacht werden sollte, schon bei einiger Rücksicht auf den Respekt, den der Kronprinz vor seinem Könige und Vater zu fühlen und kund zu geben hatte und bisher, wie bekannt, kund zu geben beflissen gewesen war, ebenso sehr aber beim Hinblick auf deu Umstand, daß feine Stellungen zu politischer Wirksamkeit weder berechtigte noch verpflichtete, im Ernste nicht die Rede sein konnte. Man war doch in Preußen und nicht in Frankreich, wo es freilich möglich gewesen war, daß in Gestalt Ludwig Philipps ein Prinz des könig¬ lichen Hauses sich mit der Opposition verbündete, um sich bei der erwarteten Umwälzung den Thron zu sichern, den die Führer dieser für erledigt erklären konnten. Indes war es für die Feinde der Negierung von großer Bedeutung, daß der zukünftige König ihre Ansichten und Abneigungen teilte und sich in diesem Sinne wiederholt, auch an höchster Stelle, geäußert hatte. Zu wissen, daß der Zwiespalt der Meinungen bis an die Stufen des Thrones reiche, daß hier eine Persönlichkeit, der sich Einfluß auf die höchste maßgebende Stelle zuschreiben ließ, gegen deren Räte Front machte, ließ sich vortrefflich zur Hintertreibung der vom Ministeriuni gewünschten und vorzüglich mit der Preßverordnuug er¬ strebten bessern Neuwahlen verwerten, und wenn wieder eine oppositionelle Mehrheit im Abgeordnetenhause zustande kam, so hat unzweifelhaft die Nachricht vom Eindringen des Konflikts in die königliche Familie und der Parteinahme des Thronerben für die Presse und die politische Richtung, in der diese die besten Geschäfte zu machen geglaubt hatte, wesentlich zu diesem Ergebnis bei¬ getragen. Ehe wir von diesen merkwürdigen Vorgängen nach unsern Erinnerungen an das, was damals darüber in die Öffentlichkeit drang, ausführlicher erzählen, schalten wir noch einige allgemeine Bemerkungen ein, die allenfalls das Licht schaffen könnten, in welchem jene Vorgänge begreiflich werden, und zwar be¬ ziehen sich diese Bemerkungen teils auf Thatsachen, teils wollen sie nur als Vermutungen genommen sein, die von Beobachtungen und Erfahrungen in anderen, aber in manchen äußerlichen Beziehungen fehr ähnlich gearteten Kreisen abgeleitet sind. In der preußischen Verfassung war nichts ausgesprochen, was dem Thron¬ erben das Recht verliehen oder die Pflicht auferlegt hätte, gegen eine von der Regierung im Einklange init dem Könige beschlossene und von diesem mit seiner Unterschrift versehene Maßregel Widerspruch zu erheben. Die Sorge für das Wohl des Staates lag den vom Könige dazu berufenen Ministern und in letzter Grenzboten II 1889 69

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/553>, abgerufen am 06.02.2025.