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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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Parlamentarische Arbeitsteilung

Ausscheidung der Kirchenpolitik zit einpfehlett sein. Denn nichts ist so geeignet,
das Verhältnis der politischen Parteien zu einander zu verwirren und in
ihrem eignen Schoße Uneinigkeit hervorzurufen, wie die Einmengung kirchlicher
Dinge in die politische Volksvertretung. So wird das sogenannte "Kartell," die
große staatserhaltende Partei, im Landtage oft genug dadurch in Frage ge¬
stellt, daß sich der Klerikalismus, katholischer und evangelischer, hineindrängt,
sich an die konservative Partei hängen will und von den Nationalliberalen
zurückgewiesen wird. Die konservative Partei hat in ihrer Beliebtheit im Lande
dnrch nichts so gelitten, wie dnrch kirchliche Komnvenzen und deu dadurch erregten
Verdacht und die Furcht vor einer kirchlichen Reaktion; neuerdings ist hierin
ja eine sehr erfreuliche Klärung dnrch Abscheidung der Gruppe Hammerstein-
Krenzzeitnng eingetreten; die Gleichartigkeit und der Zusammenhalt sowohl der
konservativen Partei wie der ganzen Kartellpartei hat dadurch außerordentlich
gewonnen. Endlich wäre ein ganz besondrer Gewinn der Ausscheidung aller
kirchlichen Beratung nus dem preußischen Abgeordnetenhaus^ das Verschwinden
des Zentrums. Denn wenn für die kirchlichen Wünsche und Bestrebungen
aller Art, alle Resolutionen und Gesetze, die das kirchliche Bedürfnis des
Landes und das Verhältnis des Staates zur Kirche betreffen, ein besondrer
Landtag bestünde, so würde sich doch das Zentrum als solches entschließen
müssen, dorthin auszuwandern, ans der verlassenen Stätte würde ihm kam"
eine Thräne nachgeweint werden. Hier im politischen Abgeordnetenhnnse,
müßten seine Mitglieder den klerikalen Schleier ablegen und sich je nach ihrer
jn sehr verschiedenen politische!" Gesinnung unter die einzelnen politischen Par¬
teien verteilen, wobei von der äußersten Rechten bis zur äußersten Linken
jede Partei ein kleines Häuflein Getreuer in Empfang nehmen würde. Doch
ist gegenwärtig, wo der Kulturkampf schweigt, das Bedürfnis zu dieser Aus-
scheidung nicht so dringend; warten Nur also mit dieser Reform beim Ab-
geordnetenhause, bis es Herrn Windthorst oder seinen Nachfolgern gelungen
sein wird, ihn von neuem anzufachen.

Dagegen sollte beim Reichstage eine Arbeitsteilung, als in der That sehr
dringend, baldigst vorgenommen werden. Unter Verzicht auf die bereits oben
erwähnte theoretisch sehr verlockende Teilung nach den Zweigen der Verwaltung,
vielleicht unter Vorbehalt derselben für eine spätere Zeit, würde sich die Teilung
vorläufig darauf zu beschränken haben, einerseits die politischen, anderseits die wirt¬
schaftlichen Fragen getrennt zu behandeln. Dem politischen Reichstage würden alle
Gesetzgebungsarbeiten, ti? die Verfassung und Verwaltung des Reiches betreffen,
einschließlich des Etats und des Heerwesens, vorbehalten, während die Zölle und die
indirekten Steuern, Gewerbeordnung, Kolonien, Versicherungen, Währung u. s. o-
ben Wirtschaftsreichstage überwiesen würden. Beide Reichstage blieben natürlich
ganz in dem Nahmen der jetzigen Zuständigkeit, es würde überhaupt uach
anßen gar keine Veränderung eintreten, sondern nur die Trennung der Gebiete


Parlamentarische Arbeitsteilung

Ausscheidung der Kirchenpolitik zit einpfehlett sein. Denn nichts ist so geeignet,
das Verhältnis der politischen Parteien zu einander zu verwirren und in
ihrem eignen Schoße Uneinigkeit hervorzurufen, wie die Einmengung kirchlicher
Dinge in die politische Volksvertretung. So wird das sogenannte „Kartell," die
große staatserhaltende Partei, im Landtage oft genug dadurch in Frage ge¬
stellt, daß sich der Klerikalismus, katholischer und evangelischer, hineindrängt,
sich an die konservative Partei hängen will und von den Nationalliberalen
zurückgewiesen wird. Die konservative Partei hat in ihrer Beliebtheit im Lande
dnrch nichts so gelitten, wie dnrch kirchliche Komnvenzen und deu dadurch erregten
Verdacht und die Furcht vor einer kirchlichen Reaktion; neuerdings ist hierin
ja eine sehr erfreuliche Klärung dnrch Abscheidung der Gruppe Hammerstein-
Krenzzeitnng eingetreten; die Gleichartigkeit und der Zusammenhalt sowohl der
konservativen Partei wie der ganzen Kartellpartei hat dadurch außerordentlich
gewonnen. Endlich wäre ein ganz besondrer Gewinn der Ausscheidung aller
kirchlichen Beratung nus dem preußischen Abgeordnetenhaus^ das Verschwinden
des Zentrums. Denn wenn für die kirchlichen Wünsche und Bestrebungen
aller Art, alle Resolutionen und Gesetze, die das kirchliche Bedürfnis des
Landes und das Verhältnis des Staates zur Kirche betreffen, ein besondrer
Landtag bestünde, so würde sich doch das Zentrum als solches entschließen
müssen, dorthin auszuwandern, ans der verlassenen Stätte würde ihm kam»
eine Thräne nachgeweint werden. Hier im politischen Abgeordnetenhnnse,
müßten seine Mitglieder den klerikalen Schleier ablegen und sich je nach ihrer
jn sehr verschiedenen politische!» Gesinnung unter die einzelnen politischen Par¬
teien verteilen, wobei von der äußersten Rechten bis zur äußersten Linken
jede Partei ein kleines Häuflein Getreuer in Empfang nehmen würde. Doch
ist gegenwärtig, wo der Kulturkampf schweigt, das Bedürfnis zu dieser Aus-
scheidung nicht so dringend; warten Nur also mit dieser Reform beim Ab-
geordnetenhause, bis es Herrn Windthorst oder seinen Nachfolgern gelungen
sein wird, ihn von neuem anzufachen.

Dagegen sollte beim Reichstage eine Arbeitsteilung, als in der That sehr
dringend, baldigst vorgenommen werden. Unter Verzicht auf die bereits oben
erwähnte theoretisch sehr verlockende Teilung nach den Zweigen der Verwaltung,
vielleicht unter Vorbehalt derselben für eine spätere Zeit, würde sich die Teilung
vorläufig darauf zu beschränken haben, einerseits die politischen, anderseits die wirt¬
schaftlichen Fragen getrennt zu behandeln. Dem politischen Reichstage würden alle
Gesetzgebungsarbeiten, ti? die Verfassung und Verwaltung des Reiches betreffen,
einschließlich des Etats und des Heerwesens, vorbehalten, während die Zölle und die
indirekten Steuern, Gewerbeordnung, Kolonien, Versicherungen, Währung u. s. o-
ben Wirtschaftsreichstage überwiesen würden. Beide Reichstage blieben natürlich
ganz in dem Nahmen der jetzigen Zuständigkeit, es würde überhaupt uach
anßen gar keine Veränderung eintreten, sondern nur die Trennung der Gebiete


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[0528] Parlamentarische Arbeitsteilung Ausscheidung der Kirchenpolitik zit einpfehlett sein. Denn nichts ist so geeignet, das Verhältnis der politischen Parteien zu einander zu verwirren und in ihrem eignen Schoße Uneinigkeit hervorzurufen, wie die Einmengung kirchlicher Dinge in die politische Volksvertretung. So wird das sogenannte „Kartell," die große staatserhaltende Partei, im Landtage oft genug dadurch in Frage ge¬ stellt, daß sich der Klerikalismus, katholischer und evangelischer, hineindrängt, sich an die konservative Partei hängen will und von den Nationalliberalen zurückgewiesen wird. Die konservative Partei hat in ihrer Beliebtheit im Lande dnrch nichts so gelitten, wie dnrch kirchliche Komnvenzen und deu dadurch erregten Verdacht und die Furcht vor einer kirchlichen Reaktion; neuerdings ist hierin ja eine sehr erfreuliche Klärung dnrch Abscheidung der Gruppe Hammerstein- Krenzzeitnng eingetreten; die Gleichartigkeit und der Zusammenhalt sowohl der konservativen Partei wie der ganzen Kartellpartei hat dadurch außerordentlich gewonnen. Endlich wäre ein ganz besondrer Gewinn der Ausscheidung aller kirchlichen Beratung nus dem preußischen Abgeordnetenhaus^ das Verschwinden des Zentrums. Denn wenn für die kirchlichen Wünsche und Bestrebungen aller Art, alle Resolutionen und Gesetze, die das kirchliche Bedürfnis des Landes und das Verhältnis des Staates zur Kirche betreffen, ein besondrer Landtag bestünde, so würde sich doch das Zentrum als solches entschließen müssen, dorthin auszuwandern, ans der verlassenen Stätte würde ihm kam» eine Thräne nachgeweint werden. Hier im politischen Abgeordnetenhnnse, müßten seine Mitglieder den klerikalen Schleier ablegen und sich je nach ihrer jn sehr verschiedenen politische!» Gesinnung unter die einzelnen politischen Par¬ teien verteilen, wobei von der äußersten Rechten bis zur äußersten Linken jede Partei ein kleines Häuflein Getreuer in Empfang nehmen würde. Doch ist gegenwärtig, wo der Kulturkampf schweigt, das Bedürfnis zu dieser Aus- scheidung nicht so dringend; warten Nur also mit dieser Reform beim Ab- geordnetenhause, bis es Herrn Windthorst oder seinen Nachfolgern gelungen sein wird, ihn von neuem anzufachen. Dagegen sollte beim Reichstage eine Arbeitsteilung, als in der That sehr dringend, baldigst vorgenommen werden. Unter Verzicht auf die bereits oben erwähnte theoretisch sehr verlockende Teilung nach den Zweigen der Verwaltung, vielleicht unter Vorbehalt derselben für eine spätere Zeit, würde sich die Teilung vorläufig darauf zu beschränken haben, einerseits die politischen, anderseits die wirt¬ schaftlichen Fragen getrennt zu behandeln. Dem politischen Reichstage würden alle Gesetzgebungsarbeiten, ti? die Verfassung und Verwaltung des Reiches betreffen, einschließlich des Etats und des Heerwesens, vorbehalten, während die Zölle und die indirekten Steuern, Gewerbeordnung, Kolonien, Versicherungen, Währung u. s. o- ben Wirtschaftsreichstage überwiesen würden. Beide Reichstage blieben natürlich ganz in dem Nahmen der jetzigen Zuständigkeit, es würde überhaupt uach anßen gar keine Veränderung eintreten, sondern nur die Trennung der Gebiete

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/528>, abgerufen am 05.02.2025.