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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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Das alte Dorf in deutscher Landschaft und sein Ende

deutschen Stämme ausüben müssen, so liegt es nach dem Vorherigen auf der
Hand, daß alle jene Anlagen, die die Haupträume besondern Gebäuden zuweisen,
in ihrem Wesen durch sie so gut wie gar uicht berührt werden. Dies gilt
insbesondre von den: mitteldeutschen Hofban, dem verbreitetsten aller deutschen
Bauarten. Zumal der fränkische Hof mit der Giebelstellung seines Hauses
kommt den modernen Anforderungen sehr weit entgegen.

Ganz anders steht die Sache bei den Einbänden. Wir haben schon früher
unsre Meinung dahin abgegeben, daß es voreilig wäre, die Einbänden als
solche schlechthin als überwundnen Standpunkt anzusehen. Nicht die Ver¬
einigung aller Räume unter einem Dach ist es, was den veränderten An¬
schauungen widerstrebt, sondern die Verschmelzung, wie sie mit Ausnahme des
friesischen Baues fast von allen andern mehr oder weniger beliebt, von dem
sächsischen aber mit der denkbar größten Folgerichtigkeit durchgeführt ist. Um
aber die mit der Verschmelzung verbundnen Übelstände zu Heben, eine reinliche
und schickliche Sonderung der Räume einzurichten, den Stallgeruch aus der
Wohnung zu entfernen, und zu verhindern, daß bei ausbrechendem Feuer sofort
das ganze Gebäude gefährdet werde, ist es durchaus nicht nötig, den Einbau
in Stücken zu schlagen, es genügt eine strengere Abscheidung der Haupträume
durch Brandmauern und eine zweckentsprechende Anordnung, welche Wohnung
und Stall durch einen Zwischenrcium trennt. Insbesondre für die oberdeutschen
Einbänden, die das mehr lange als breite Gebäude durch guer auf den First
laufende Scheidewände trennen, reichen diese Maßnahmen vollständig ans,
und es wird sich gegen einen Einbau, der von Giebel zu Giebel in äußer¬
licher Weise Wohnung, Tenne und Stall aneinanderreiht, von keiner Seite
etwas wesentliches einwenden lassen. Dies ist die in dem Musterplan für
Nordtirol empfohlene Form, die übrigens im dortigen Unterinnthal, wie auch
ähnlich im Flachlande der Schweiz von Alters her heimisch ist, wie sie sich
aber auch merkwürdig genug im südöstlichen Gebiete des sächsischen Baues da,
wo er im Norden des Harzes an den getrennten Bau stößt, als eine Über¬
gangsform schon seit Jahrunderten hie > und da Eingang verschafft hat.
Nicht so einfach liegen die Verhältnisse bei den nordischen Einbänden, dem
sächsischen und friesischen, die den großen Wirtschaftsraum des Gebäudes
nicht in der Quere, sondern in der Läuge ableiten und nur die Woh¬
nung am Eudgiebel der Quere noch vorlegen, sodaß alle drei Wirtschafts¬
räume -- Stall, Dake (Tenne), Stall ans sächsischer, Stall, Vansenraum,
Tenne auf friesischer Seite -- neben einander geordnet auf die Wohnung
schießen. Hier wird es sich empfehlen, dem Vorwurf, daß die Wohnung
der Einheit des selbständig gegliederten Haupt- und Wirtschaftsraumes mir
gewaltsam angeschlossen sei und daß ihre Entwicklung unter dem beklemmenden
Schwergewicht derselben leide, dadurch zu begegnen, daß man das Wohn¬
haus, ohne die Verbindung gänzlich zu lösen, ans dem festen Zusammen-


Das alte Dorf in deutscher Landschaft und sein Ende

deutschen Stämme ausüben müssen, so liegt es nach dem Vorherigen auf der
Hand, daß alle jene Anlagen, die die Haupträume besondern Gebäuden zuweisen,
in ihrem Wesen durch sie so gut wie gar uicht berührt werden. Dies gilt
insbesondre von den: mitteldeutschen Hofban, dem verbreitetsten aller deutschen
Bauarten. Zumal der fränkische Hof mit der Giebelstellung seines Hauses
kommt den modernen Anforderungen sehr weit entgegen.

Ganz anders steht die Sache bei den Einbänden. Wir haben schon früher
unsre Meinung dahin abgegeben, daß es voreilig wäre, die Einbänden als
solche schlechthin als überwundnen Standpunkt anzusehen. Nicht die Ver¬
einigung aller Räume unter einem Dach ist es, was den veränderten An¬
schauungen widerstrebt, sondern die Verschmelzung, wie sie mit Ausnahme des
friesischen Baues fast von allen andern mehr oder weniger beliebt, von dem
sächsischen aber mit der denkbar größten Folgerichtigkeit durchgeführt ist. Um
aber die mit der Verschmelzung verbundnen Übelstände zu Heben, eine reinliche
und schickliche Sonderung der Räume einzurichten, den Stallgeruch aus der
Wohnung zu entfernen, und zu verhindern, daß bei ausbrechendem Feuer sofort
das ganze Gebäude gefährdet werde, ist es durchaus nicht nötig, den Einbau
in Stücken zu schlagen, es genügt eine strengere Abscheidung der Haupträume
durch Brandmauern und eine zweckentsprechende Anordnung, welche Wohnung
und Stall durch einen Zwischenrcium trennt. Insbesondre für die oberdeutschen
Einbänden, die das mehr lange als breite Gebäude durch guer auf den First
laufende Scheidewände trennen, reichen diese Maßnahmen vollständig ans,
und es wird sich gegen einen Einbau, der von Giebel zu Giebel in äußer¬
licher Weise Wohnung, Tenne und Stall aneinanderreiht, von keiner Seite
etwas wesentliches einwenden lassen. Dies ist die in dem Musterplan für
Nordtirol empfohlene Form, die übrigens im dortigen Unterinnthal, wie auch
ähnlich im Flachlande der Schweiz von Alters her heimisch ist, wie sie sich
aber auch merkwürdig genug im südöstlichen Gebiete des sächsischen Baues da,
wo er im Norden des Harzes an den getrennten Bau stößt, als eine Über¬
gangsform schon seit Jahrunderten hie > und da Eingang verschafft hat.
Nicht so einfach liegen die Verhältnisse bei den nordischen Einbänden, dem
sächsischen und friesischen, die den großen Wirtschaftsraum des Gebäudes
nicht in der Quere, sondern in der Läuge ableiten und nur die Woh¬
nung am Eudgiebel der Quere noch vorlegen, sodaß alle drei Wirtschafts¬
räume — Stall, Dake (Tenne), Stall ans sächsischer, Stall, Vansenraum,
Tenne auf friesischer Seite — neben einander geordnet auf die Wohnung
schießen. Hier wird es sich empfehlen, dem Vorwurf, daß die Wohnung
der Einheit des selbständig gegliederten Haupt- und Wirtschaftsraumes mir
gewaltsam angeschlossen sei und daß ihre Entwicklung unter dem beklemmenden
Schwergewicht derselben leide, dadurch zu begegnen, daß man das Wohn¬
haus, ohne die Verbindung gänzlich zu lösen, ans dem festen Zusammen-


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[0467] Das alte Dorf in deutscher Landschaft und sein Ende deutschen Stämme ausüben müssen, so liegt es nach dem Vorherigen auf der Hand, daß alle jene Anlagen, die die Haupträume besondern Gebäuden zuweisen, in ihrem Wesen durch sie so gut wie gar uicht berührt werden. Dies gilt insbesondre von den: mitteldeutschen Hofban, dem verbreitetsten aller deutschen Bauarten. Zumal der fränkische Hof mit der Giebelstellung seines Hauses kommt den modernen Anforderungen sehr weit entgegen. Ganz anders steht die Sache bei den Einbänden. Wir haben schon früher unsre Meinung dahin abgegeben, daß es voreilig wäre, die Einbänden als solche schlechthin als überwundnen Standpunkt anzusehen. Nicht die Ver¬ einigung aller Räume unter einem Dach ist es, was den veränderten An¬ schauungen widerstrebt, sondern die Verschmelzung, wie sie mit Ausnahme des friesischen Baues fast von allen andern mehr oder weniger beliebt, von dem sächsischen aber mit der denkbar größten Folgerichtigkeit durchgeführt ist. Um aber die mit der Verschmelzung verbundnen Übelstände zu Heben, eine reinliche und schickliche Sonderung der Räume einzurichten, den Stallgeruch aus der Wohnung zu entfernen, und zu verhindern, daß bei ausbrechendem Feuer sofort das ganze Gebäude gefährdet werde, ist es durchaus nicht nötig, den Einbau in Stücken zu schlagen, es genügt eine strengere Abscheidung der Haupträume durch Brandmauern und eine zweckentsprechende Anordnung, welche Wohnung und Stall durch einen Zwischenrcium trennt. Insbesondre für die oberdeutschen Einbänden, die das mehr lange als breite Gebäude durch guer auf den First laufende Scheidewände trennen, reichen diese Maßnahmen vollständig ans, und es wird sich gegen einen Einbau, der von Giebel zu Giebel in äußer¬ licher Weise Wohnung, Tenne und Stall aneinanderreiht, von keiner Seite etwas wesentliches einwenden lassen. Dies ist die in dem Musterplan für Nordtirol empfohlene Form, die übrigens im dortigen Unterinnthal, wie auch ähnlich im Flachlande der Schweiz von Alters her heimisch ist, wie sie sich aber auch merkwürdig genug im südöstlichen Gebiete des sächsischen Baues da, wo er im Norden des Harzes an den getrennten Bau stößt, als eine Über¬ gangsform schon seit Jahrunderten hie > und da Eingang verschafft hat. Nicht so einfach liegen die Verhältnisse bei den nordischen Einbänden, dem sächsischen und friesischen, die den großen Wirtschaftsraum des Gebäudes nicht in der Quere, sondern in der Läuge ableiten und nur die Woh¬ nung am Eudgiebel der Quere noch vorlegen, sodaß alle drei Wirtschafts¬ räume — Stall, Dake (Tenne), Stall ans sächsischer, Stall, Vansenraum, Tenne auf friesischer Seite — neben einander geordnet auf die Wohnung schießen. Hier wird es sich empfehlen, dem Vorwurf, daß die Wohnung der Einheit des selbständig gegliederten Haupt- und Wirtschaftsraumes mir gewaltsam angeschlossen sei und daß ihre Entwicklung unter dem beklemmenden Schwergewicht derselben leide, dadurch zu begegnen, daß man das Wohn¬ haus, ohne die Verbindung gänzlich zu lösen, ans dem festen Zusammen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/467>, abgerufen am 05.02.2025.