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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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Haus Hopfens Theater

Freistem, gegenwärtig Werbevffizier des Preußeukönigs. Joachim wird in
peinlicher Weise von Amalia Aurora blosgestellt, er kann seinen hmigrigen
Gast nicht bewirten, und kurz entschlossen, blind gegen die verschämt und scheu
sich verratende Liebe Lilis, läßt sich Joachim für das neue Heer seines geliebten
Königs anwerben. Ruprecht, der ihm jene Szene, wo er ihn erschießen wollte,
nicht vergessen kann, läßt sich ans Bosheit gegen den Herrn gleichfalls Hand¬
geld geben und verrät sogar seine Absicht, bei Gelegenheit den gehaßten Joachim
zu erschießen.

Nun überspringt die Darstellung fünf Jahre, die erste, für Preußen
unglückliche Zeit des siebenjährigen Krieges. Wenn im dritten Akte der Vor¬
hang wieder aufgeht, nehmen wir eine große Anzahl bedeutsamer Veränderungen
an Menschen und Bürgen wahr. Die Knospe Lili ist zur prächtigen Rose
entfaltet. Sie ist nicht mehr das nach Galanterie dürstende Dresdener Kind,
sondern eine ernste, still aber kräftig und erfolgreich ihres Amtes waltende
Gutsherrin geworden. Nach dem Abgange Joachims hat sie die ungelesenen
Briefe seiner Schublade gemustert und gefunden, daß viele seiner Schuldner
ihm zu zahlen bereit gewesen sind. Sie hat Ordnung in die Finanzen ge¬
bracht und den Ertrag des Gutes gehoben. Sie und nicht Amalia Aurora,
die auch bei ihr geblieben ist (an den Hof ohne Lili zurückzukehren schämte
sie sich ja!) ist jetzt der Meister im Hause. Da wird durch die Ankunft der
Österreicher der Friede des Hauses gestört; der erste Schreck ob der feind¬
lichen Einquartirung wird aber schnell verwunden, als der österreichische Offizier
sich als der einstige Page von Konitz entpuppt. Er liebt Lili noch immer.
Er wiederholt wie vor fünf Jahren seine Liebesschwüre, und Lili schwankt wie
damals. Hat doch Hans Joachim während der ganzen laugen Zeit nicht das
geringste Lebenszeichen von sich gegeben! Da erscheint plötzlich in jämmerlichem
Aufzuge Ruprecht -- ohne seinen Herrn. Sogleich verdächtigt ihn Lili des Meuchel¬
mordes an Joachim. Aber mit dem ganzen Stolze eines preußischen Korporals,
mit der Entrüstung der ehrlichen Unschuld weist Ruprecht diese Anschuldigung
von sich und zieht ein Andenken von dem schwer verwundet auf dem Schlacht¬
felde von Kunersdorf hinterlassenen, trotz alles Schimpfens doch eigentlich stets
von ihm geliebten Herrn hervor. Lilis Liebe zu Hans Joachim offenbart sich
nun in rührender Innigkeit, aber Ruprecht wird noch immer von ihr ver¬
dächtigt. Da endlich erscheint Haus Joachim selbst als Knecht verkleidet auf
dem Hofe. Er hat sich von dem nahen preußischen Heere als Spion aus¬
schicken lassen. Kein Mensch erkennt ihn, selbst Lili hat nur eine Ahnung,
als Ruprecht dazu kommt und mit erschütterndem Aufschrei dem lebenden
Zeugnisse seiner Unschuld zu Füßen sinkt. Aber mit dem Erkennen seines
tot geglaubten Herrn hat ihn Ruprecht dem Tode neu in die Arme geführt.
Der österreichische Hauptmann Konitz kann bei aller Freundschaft jetzt nichts
andres thun, als den entlarvten Spion vors Kriegsgericht zu stellen. Es folgt


Haus Hopfens Theater

Freistem, gegenwärtig Werbevffizier des Preußeukönigs. Joachim wird in
peinlicher Weise von Amalia Aurora blosgestellt, er kann seinen hmigrigen
Gast nicht bewirten, und kurz entschlossen, blind gegen die verschämt und scheu
sich verratende Liebe Lilis, läßt sich Joachim für das neue Heer seines geliebten
Königs anwerben. Ruprecht, der ihm jene Szene, wo er ihn erschießen wollte,
nicht vergessen kann, läßt sich ans Bosheit gegen den Herrn gleichfalls Hand¬
geld geben und verrät sogar seine Absicht, bei Gelegenheit den gehaßten Joachim
zu erschießen.

Nun überspringt die Darstellung fünf Jahre, die erste, für Preußen
unglückliche Zeit des siebenjährigen Krieges. Wenn im dritten Akte der Vor¬
hang wieder aufgeht, nehmen wir eine große Anzahl bedeutsamer Veränderungen
an Menschen und Bürgen wahr. Die Knospe Lili ist zur prächtigen Rose
entfaltet. Sie ist nicht mehr das nach Galanterie dürstende Dresdener Kind,
sondern eine ernste, still aber kräftig und erfolgreich ihres Amtes waltende
Gutsherrin geworden. Nach dem Abgange Joachims hat sie die ungelesenen
Briefe seiner Schublade gemustert und gefunden, daß viele seiner Schuldner
ihm zu zahlen bereit gewesen sind. Sie hat Ordnung in die Finanzen ge¬
bracht und den Ertrag des Gutes gehoben. Sie und nicht Amalia Aurora,
die auch bei ihr geblieben ist (an den Hof ohne Lili zurückzukehren schämte
sie sich ja!) ist jetzt der Meister im Hause. Da wird durch die Ankunft der
Österreicher der Friede des Hauses gestört; der erste Schreck ob der feind¬
lichen Einquartirung wird aber schnell verwunden, als der österreichische Offizier
sich als der einstige Page von Konitz entpuppt. Er liebt Lili noch immer.
Er wiederholt wie vor fünf Jahren seine Liebesschwüre, und Lili schwankt wie
damals. Hat doch Hans Joachim während der ganzen laugen Zeit nicht das
geringste Lebenszeichen von sich gegeben! Da erscheint plötzlich in jämmerlichem
Aufzuge Ruprecht — ohne seinen Herrn. Sogleich verdächtigt ihn Lili des Meuchel¬
mordes an Joachim. Aber mit dem ganzen Stolze eines preußischen Korporals,
mit der Entrüstung der ehrlichen Unschuld weist Ruprecht diese Anschuldigung
von sich und zieht ein Andenken von dem schwer verwundet auf dem Schlacht¬
felde von Kunersdorf hinterlassenen, trotz alles Schimpfens doch eigentlich stets
von ihm geliebten Herrn hervor. Lilis Liebe zu Hans Joachim offenbart sich
nun in rührender Innigkeit, aber Ruprecht wird noch immer von ihr ver¬
dächtigt. Da endlich erscheint Haus Joachim selbst als Knecht verkleidet auf
dem Hofe. Er hat sich von dem nahen preußischen Heere als Spion aus¬
schicken lassen. Kein Mensch erkennt ihn, selbst Lili hat nur eine Ahnung,
als Ruprecht dazu kommt und mit erschütterndem Aufschrei dem lebenden
Zeugnisse seiner Unschuld zu Füßen sinkt. Aber mit dem Erkennen seines
tot geglaubten Herrn hat ihn Ruprecht dem Tode neu in die Arme geführt.
Der österreichische Hauptmann Konitz kann bei aller Freundschaft jetzt nichts
andres thun, als den entlarvten Spion vors Kriegsgericht zu stellen. Es folgt


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[0046] Haus Hopfens Theater Freistem, gegenwärtig Werbevffizier des Preußeukönigs. Joachim wird in peinlicher Weise von Amalia Aurora blosgestellt, er kann seinen hmigrigen Gast nicht bewirten, und kurz entschlossen, blind gegen die verschämt und scheu sich verratende Liebe Lilis, läßt sich Joachim für das neue Heer seines geliebten Königs anwerben. Ruprecht, der ihm jene Szene, wo er ihn erschießen wollte, nicht vergessen kann, läßt sich ans Bosheit gegen den Herrn gleichfalls Hand¬ geld geben und verrät sogar seine Absicht, bei Gelegenheit den gehaßten Joachim zu erschießen. Nun überspringt die Darstellung fünf Jahre, die erste, für Preußen unglückliche Zeit des siebenjährigen Krieges. Wenn im dritten Akte der Vor¬ hang wieder aufgeht, nehmen wir eine große Anzahl bedeutsamer Veränderungen an Menschen und Bürgen wahr. Die Knospe Lili ist zur prächtigen Rose entfaltet. Sie ist nicht mehr das nach Galanterie dürstende Dresdener Kind, sondern eine ernste, still aber kräftig und erfolgreich ihres Amtes waltende Gutsherrin geworden. Nach dem Abgange Joachims hat sie die ungelesenen Briefe seiner Schublade gemustert und gefunden, daß viele seiner Schuldner ihm zu zahlen bereit gewesen sind. Sie hat Ordnung in die Finanzen ge¬ bracht und den Ertrag des Gutes gehoben. Sie und nicht Amalia Aurora, die auch bei ihr geblieben ist (an den Hof ohne Lili zurückzukehren schämte sie sich ja!) ist jetzt der Meister im Hause. Da wird durch die Ankunft der Österreicher der Friede des Hauses gestört; der erste Schreck ob der feind¬ lichen Einquartirung wird aber schnell verwunden, als der österreichische Offizier sich als der einstige Page von Konitz entpuppt. Er liebt Lili noch immer. Er wiederholt wie vor fünf Jahren seine Liebesschwüre, und Lili schwankt wie damals. Hat doch Hans Joachim während der ganzen laugen Zeit nicht das geringste Lebenszeichen von sich gegeben! Da erscheint plötzlich in jämmerlichem Aufzuge Ruprecht — ohne seinen Herrn. Sogleich verdächtigt ihn Lili des Meuchel¬ mordes an Joachim. Aber mit dem ganzen Stolze eines preußischen Korporals, mit der Entrüstung der ehrlichen Unschuld weist Ruprecht diese Anschuldigung von sich und zieht ein Andenken von dem schwer verwundet auf dem Schlacht¬ felde von Kunersdorf hinterlassenen, trotz alles Schimpfens doch eigentlich stets von ihm geliebten Herrn hervor. Lilis Liebe zu Hans Joachim offenbart sich nun in rührender Innigkeit, aber Ruprecht wird noch immer von ihr ver¬ dächtigt. Da endlich erscheint Haus Joachim selbst als Knecht verkleidet auf dem Hofe. Er hat sich von dem nahen preußischen Heere als Spion aus¬ schicken lassen. Kein Mensch erkennt ihn, selbst Lili hat nur eine Ahnung, als Ruprecht dazu kommt und mit erschütterndem Aufschrei dem lebenden Zeugnisse seiner Unschuld zu Füßen sinkt. Aber mit dem Erkennen seines tot geglaubten Herrn hat ihn Ruprecht dem Tode neu in die Arme geführt. Der österreichische Hauptmann Konitz kann bei aller Freundschaft jetzt nichts andres thun, als den entlarvten Spion vors Kriegsgericht zu stellen. Es folgt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/46>, abgerufen am 05.02.2025.