Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.Die kirchlichen Verhältnisse in (Österreich an der Glaubensfestigkeit von Braut oder Bräutigam -- kurz man macht von Die kirchlichen Verhältnisse in (Österreich an der Glaubensfestigkeit von Braut oder Bräutigam — kurz man macht von <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0442" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/205173"/> <fw type="header" place="top"> Die kirchlichen Verhältnisse in (Österreich</fw><lb/> <p xml:id="ID_1226" prev="#ID_1225" next="#ID_1227"> an der Glaubensfestigkeit von Braut oder Bräutigam — kurz man macht von<lb/> beiden Seiten Zugestündnisse, Der Kampf ist nur dort entbrannt, wo sich<lb/> geistliche und weltliche Interessen berühren. Die „katholische Partei" braucht<lb/> nicht für den geistigen Gehalt der katholischen Lehre, uicht für die Aufrecht¬<lb/> erhaltung der katholischen Kirchenorganisation einzutreten, sie will den Einfluß<lb/> des Klerus auf eine Anzahl weltlicher Einrichtungen erhöhen, sie will das<lb/> gesamte private und öffentliche Leben mit religiöser Gesinnung durchdringen.<lb/> Sie legt sich offiziell den Namen der „katholisch-konservativen Partei" zu,<lb/> ist aber weit eher „radikal-katholisch," katholisch um jeden Preis, für den Staat<lb/> nur infofern interessirt, als er den Katholizismus fördert. Von einem be¬<lb/> dingungslosen Austriazismus kaun bei den österreichische: Klerikalen nicht die<lb/> Rede sein, nicht die Familie Habsburg an und für sich, sondern nur die dem<lb/> Papsttum treugebliebene und stets ergebene Dynastie wird von ihnen geschätzt<lb/> und unterstützt, bei jeder leisen Schwankung der Kirchenpolitik der Habsburger<lb/> hat sich ein sehr deutliches Grollen, Murren und Drohen der Papisten ver¬<lb/> nehmen lassen. Wenden wir uns der andern politischen Richtung zu, deren<lb/> Beziehung zu den kirchlichen Verhältnissen wir erörtern wollen, so meinen wir<lb/> unter deu Trägern des nationalen Gedankens unter den Deutschen selbstver¬<lb/> ständlich nicht die, die sich nur deshalb der deutschen Sprache bedienen, weil<lb/> es zu ihrem Bedauern noch keine österreichische giebt, nicht die, die das Deutsch¬<lb/> tum „hochhalten," weil und so lange es die Stütze des österreichischen Staates<lb/> ist, nicht die, die an allerhöchster Stelle, so oft sie nur zu Gehör kommen, sich<lb/> die Versicherung abzugeben beeilen, sie seien zwar Deutsche, aber daneben gewiß<lb/> anch so ausgezeichnete Österreicher, daß kein Tscheche mit ihnen wetteifern könne,<lb/> und sie würde« — wenn man sie nur dazu kommen ließe — mit den Deutsch-<lb/> nationalen schon fertig werden; nein, diese vornehmen Patrioten, diese staats-<lb/> männischen Naturen, die heute noch die letzten Strahlen ihres Ruhmes auf die<lb/> vereinigte deutsche Linke fallen lassen, bevor sie samt dieser oftmals ungetauften,<lb/> aber in ihrem Werte unveränderten „Stantspartei" in das Meer der Vergessen¬<lb/> heit sinken, wollen wir ihrer eignen Bewunderung überlassen, in der sie gewiß<lb/> außerordentliches leiste»; die ehrlichen Deutschen haben mit ihnen nichts andres<lb/> zu thun, als sie zu bekämpfen, und zwar mit jenem Ungestüm und jenem<lb/> heiligen Zorn, den die geschäftsmäßige Heuchelei notwendig hervorrufen muß.<lb/> Wir meinen jene Deutschen in Österreich, die es immer und unter allen Um¬<lb/> ständen sind, mit oder ohne eine bestimmte Staatsform, mit oder ohne Habs-<lb/> burg, womöglich aber mit ihm, die von niemand verlangen, daß er nur<lb/> ihretwillen oder um des Staates willen seine Nationalität verleugne, die sich<lb/> aber auch ihrerseits für nichts andres als für Angehörige der deutschen Nation<lb/> anzusehen vermögen und dies mit Freude und Stolz immerdar thun, die sich<lb/> auch nicht scheuen, diese Gesinnung ihrem angestammten Fiirstenhause gegenüber<lb/> offen zu bekennen und den Standpunkt zu vertreten, daß dieses von ihnen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0442]
Die kirchlichen Verhältnisse in (Österreich
an der Glaubensfestigkeit von Braut oder Bräutigam — kurz man macht von
beiden Seiten Zugestündnisse, Der Kampf ist nur dort entbrannt, wo sich
geistliche und weltliche Interessen berühren. Die „katholische Partei" braucht
nicht für den geistigen Gehalt der katholischen Lehre, uicht für die Aufrecht¬
erhaltung der katholischen Kirchenorganisation einzutreten, sie will den Einfluß
des Klerus auf eine Anzahl weltlicher Einrichtungen erhöhen, sie will das
gesamte private und öffentliche Leben mit religiöser Gesinnung durchdringen.
Sie legt sich offiziell den Namen der „katholisch-konservativen Partei" zu,
ist aber weit eher „radikal-katholisch," katholisch um jeden Preis, für den Staat
nur infofern interessirt, als er den Katholizismus fördert. Von einem be¬
dingungslosen Austriazismus kaun bei den österreichische: Klerikalen nicht die
Rede sein, nicht die Familie Habsburg an und für sich, sondern nur die dem
Papsttum treugebliebene und stets ergebene Dynastie wird von ihnen geschätzt
und unterstützt, bei jeder leisen Schwankung der Kirchenpolitik der Habsburger
hat sich ein sehr deutliches Grollen, Murren und Drohen der Papisten ver¬
nehmen lassen. Wenden wir uns der andern politischen Richtung zu, deren
Beziehung zu den kirchlichen Verhältnissen wir erörtern wollen, so meinen wir
unter deu Trägern des nationalen Gedankens unter den Deutschen selbstver¬
ständlich nicht die, die sich nur deshalb der deutschen Sprache bedienen, weil
es zu ihrem Bedauern noch keine österreichische giebt, nicht die, die das Deutsch¬
tum „hochhalten," weil und so lange es die Stütze des österreichischen Staates
ist, nicht die, die an allerhöchster Stelle, so oft sie nur zu Gehör kommen, sich
die Versicherung abzugeben beeilen, sie seien zwar Deutsche, aber daneben gewiß
anch so ausgezeichnete Österreicher, daß kein Tscheche mit ihnen wetteifern könne,
und sie würde« — wenn man sie nur dazu kommen ließe — mit den Deutsch-
nationalen schon fertig werden; nein, diese vornehmen Patrioten, diese staats-
männischen Naturen, die heute noch die letzten Strahlen ihres Ruhmes auf die
vereinigte deutsche Linke fallen lassen, bevor sie samt dieser oftmals ungetauften,
aber in ihrem Werte unveränderten „Stantspartei" in das Meer der Vergessen¬
heit sinken, wollen wir ihrer eignen Bewunderung überlassen, in der sie gewiß
außerordentliches leiste»; die ehrlichen Deutschen haben mit ihnen nichts andres
zu thun, als sie zu bekämpfen, und zwar mit jenem Ungestüm und jenem
heiligen Zorn, den die geschäftsmäßige Heuchelei notwendig hervorrufen muß.
Wir meinen jene Deutschen in Österreich, die es immer und unter allen Um¬
ständen sind, mit oder ohne eine bestimmte Staatsform, mit oder ohne Habs-
burg, womöglich aber mit ihm, die von niemand verlangen, daß er nur
ihretwillen oder um des Staates willen seine Nationalität verleugne, die sich
aber auch ihrerseits für nichts andres als für Angehörige der deutschen Nation
anzusehen vermögen und dies mit Freude und Stolz immerdar thun, die sich
auch nicht scheuen, diese Gesinnung ihrem angestammten Fiirstenhause gegenüber
offen zu bekennen und den Standpunkt zu vertreten, daß dieses von ihnen
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