Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.Litteratur seinen alten Schulfreund, einen bedeutenden Geologen, für den neuen Argonauten- Wilde Kirschen von Heinrich Hannsjakob. Heidelberg, Weiß, 1888 Wir kennen leider "icht die ältern selbstbiographischen Erzählungen, auf die Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Will). Grunow in Leipzig -- Druck von Carl Marquart in Leipzig Litteratur seinen alten Schulfreund, einen bedeutenden Geologen, für den neuen Argonauten- Wilde Kirschen von Heinrich Hannsjakob. Heidelberg, Weiß, 1888 Wir kennen leider »icht die ältern selbstbiographischen Erzählungen, auf die Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Will). Grunow in Leipzig — Druck von Carl Marquart in Leipzig <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0440" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/205171"/> <fw type="header" place="top"> Litteratur</fw><lb/> <p xml:id="ID_1223" prev="#ID_1222"> seinen alten Schulfreund, einen bedeutenden Geologen, für den neuen Argonauten-<lb/> zug nach einem andern goldnen Vließ und einer andern Medea, Da er aber<lb/> dabei den klugen Spekulanten «icht verleugnen kann, der für alle denkbaren Fälle<lb/> gewinnen und keinen Groschen opfern will, so ist er schließlich der Geprellte. Die<lb/> indische Goldgrube entdeckt sein Freund Christoph Boonckmnp Meyer vor ihm, die<lb/> Braut schnappt ihm der britische Resident beim Maharadscha von Kunong-Kertchil,<lb/> Lord Dudheen (früher Mr. O, Halloran) weg, der rechtmäßige Sultan Ali, den<lb/> man zu seinem Throne verhelfen wollte, zündet im Opinmransch sein Hans an<lb/> und findet den Tod in den Flammen. Don Gustavo Tiesewinkel aber verstreitet<lb/> sein Vermöge» in kostspieligen und fruchtlosen Prozessen und begegnet uns am<lb/> Schluß als Inhaber eines Lombardgcschäfts in Madrid. Um diese Zeit hat<lb/> sich indeß schon aller Humor der Erfindung und alle Teilnahme an dem karri-<lb/> kirtcn Helden verflüchtigt, wenn auch zugestanden werden soll, daß die Darstellungs¬<lb/> weise des Verfassers bis zum Schluß eine gewisse Sorgfalt zeigt. Ob das Ganze<lb/> im Sinne unsrer Fortschrittspartei eine Satire gegen deutsche Kolvuialbestrcbungcn<lb/> fein soll und ihr die wohlfeile Weisheit zu Grunde liegt, daß Michel in über¬<lb/> seeischen Dingen gegen John Bull jederzeit den kürzeren ziehen werde, lassen<lb/> wir dahingestellt. Es kann sich auch bloß um eine Illustration zu Sancho Panhas<lb/> Spruch handeln: „Mancher Mann, der zu scheeren glaubte, ist geschoren hinweg¬<lb/> gegangen," und als solcher mag der Roman gelten.</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> Wilde Kirschen von Heinrich Hannsjakob. Heidelberg, Weiß, 1888</head><lb/> <p xml:id="ID_1224"> Wir kennen leider »icht die ältern selbstbiographischen Erzählungen, auf die<lb/> sich der Verfasser beruft, um ihn ganz würdigen zu können. Diese „Wilden<lb/> Kirschen" setzen ein Publikum voraus, das dem Erzähler durch Landsmannschaft<lb/> und wohl auch durch Kenntnis seines persönlichen Wirkens nahe steht, denn er<lb/> erzählt meist von Dingen, die keinem andern so wichtig oder interessant erscheinen<lb/> können, als dem, der selbst in Haslach und im Elsaß zu Hause ist. Der Titel<lb/> „Wilde Kirschen" soll bildlich für die Originale heitrer und ernster Art gelten,<lb/> die in dem kleinen alemannischen Städtchen so zahlreich wie die wilden Kirschen<lb/> wachsen. Hannsjakob schildert sie nicht, um poetische Wirkungen zu erzielen, sondern<lb/> um eine halbvcrgangene Wirklichkeit, die Zeit seiner Jugend, dem Gedächtnis der<lb/> Nachwelt festzuhalten. In dem Vorwort erklärt er sich deshalb gegen Roscgger,<lb/> der ihm zu viel Dichter und zu wenig eigentlicher Sittenmaler sei. Wir wollen<lb/> darum nicht streiten, ob Noseggers Aufputz ein Vor- oder ein Nachteil ist; aber<lb/> wir indessen gestehen, daß er unterhaltender schreibt, und Wissenschaft im strengen<lb/> Sinne bietet ja Hannsjakob auch nicht. Indes behält man von der Persönlichkeit<lb/> dieses seine Kirchlichkeit niemals vordrängenden katholischen Pfarrers das freundliche<lb/> Bild eines mitteilsamen und genauen Kenners der Alcmciuueu in Sprache, Sitte<lb/> und Charakter.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <note type="byline"> Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig<lb/> Verlag von Fr. Will). Grunow in Leipzig — Druck von Carl Marquart in Leipzig</note><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0440]
Litteratur
seinen alten Schulfreund, einen bedeutenden Geologen, für den neuen Argonauten-
zug nach einem andern goldnen Vließ und einer andern Medea, Da er aber
dabei den klugen Spekulanten «icht verleugnen kann, der für alle denkbaren Fälle
gewinnen und keinen Groschen opfern will, so ist er schließlich der Geprellte. Die
indische Goldgrube entdeckt sein Freund Christoph Boonckmnp Meyer vor ihm, die
Braut schnappt ihm der britische Resident beim Maharadscha von Kunong-Kertchil,
Lord Dudheen (früher Mr. O, Halloran) weg, der rechtmäßige Sultan Ali, den
man zu seinem Throne verhelfen wollte, zündet im Opinmransch sein Hans an
und findet den Tod in den Flammen. Don Gustavo Tiesewinkel aber verstreitet
sein Vermöge» in kostspieligen und fruchtlosen Prozessen und begegnet uns am
Schluß als Inhaber eines Lombardgcschäfts in Madrid. Um diese Zeit hat
sich indeß schon aller Humor der Erfindung und alle Teilnahme an dem karri-
kirtcn Helden verflüchtigt, wenn auch zugestanden werden soll, daß die Darstellungs¬
weise des Verfassers bis zum Schluß eine gewisse Sorgfalt zeigt. Ob das Ganze
im Sinne unsrer Fortschrittspartei eine Satire gegen deutsche Kolvuialbestrcbungcn
fein soll und ihr die wohlfeile Weisheit zu Grunde liegt, daß Michel in über¬
seeischen Dingen gegen John Bull jederzeit den kürzeren ziehen werde, lassen
wir dahingestellt. Es kann sich auch bloß um eine Illustration zu Sancho Panhas
Spruch handeln: „Mancher Mann, der zu scheeren glaubte, ist geschoren hinweg¬
gegangen," und als solcher mag der Roman gelten.
Wilde Kirschen von Heinrich Hannsjakob. Heidelberg, Weiß, 1888
Wir kennen leider »icht die ältern selbstbiographischen Erzählungen, auf die
sich der Verfasser beruft, um ihn ganz würdigen zu können. Diese „Wilden
Kirschen" setzen ein Publikum voraus, das dem Erzähler durch Landsmannschaft
und wohl auch durch Kenntnis seines persönlichen Wirkens nahe steht, denn er
erzählt meist von Dingen, die keinem andern so wichtig oder interessant erscheinen
können, als dem, der selbst in Haslach und im Elsaß zu Hause ist. Der Titel
„Wilde Kirschen" soll bildlich für die Originale heitrer und ernster Art gelten,
die in dem kleinen alemannischen Städtchen so zahlreich wie die wilden Kirschen
wachsen. Hannsjakob schildert sie nicht, um poetische Wirkungen zu erzielen, sondern
um eine halbvcrgangene Wirklichkeit, die Zeit seiner Jugend, dem Gedächtnis der
Nachwelt festzuhalten. In dem Vorwort erklärt er sich deshalb gegen Roscgger,
der ihm zu viel Dichter und zu wenig eigentlicher Sittenmaler sei. Wir wollen
darum nicht streiten, ob Noseggers Aufputz ein Vor- oder ein Nachteil ist; aber
wir indessen gestehen, daß er unterhaltender schreibt, und Wissenschaft im strengen
Sinne bietet ja Hannsjakob auch nicht. Indes behält man von der Persönlichkeit
dieses seine Kirchlichkeit niemals vordrängenden katholischen Pfarrers das freundliche
Bild eines mitteilsamen und genauen Kenners der Alcmciuueu in Sprache, Sitte
und Charakter.
Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig
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