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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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Jordans Lddaübersetznng

Vier Langzeilen, von denen jede durch eine Cäsnr in zwei Halbzeilen geteilt wird,
die durch den Stabreim gebunden sind, z. B. ?brzW8kvuUm 1 (nach Simrock):


Wild würd Wingthor > als er erwachte
und seinen Hammer j vorhanden nicht sah;
er schüttelte den Vnrt > er schlug das Haupt,
lillwärts suchte i der Erde Sohn.

In den Liedern der letztern Gattung wechseln dagegen zwei Langzeilen mit
zwei eäsurlvsen Kurzzeilen ab; für diese gilt die unumstößliche Regel, daß sie
stumpfen Ausgang haben müssen. Als Beispiel für diese Strophe (den soge¬
nannten Ijöcllmbattr) wähle ich die schon oben mitgeteilte Stelle aus den
Wvamal, die ich jedoch diesmal, da Simrocks Übertragung an metrischen
Fehlern leidet, in eigener Nachbildung gebe:


Volle Hürden > sah ich bei Fitjungs Söhnen,

nun essen sie Vcttelbrvt;
Im Augenblick > kann Überfluß schwinden,

er ist der falscheste Freund.


Bei Jordan ist der Unterschied zwischen den beiden Strophenfvrmen gänzlich
verwischt: er verwendet durchweg die ans seinen Nibelungen genügend
bekannten entsetzlichen Klapperverse, die durch ihre öde Eintönigkeit eine so
ermüdende Wirkung ausüben. Auch die Gesetze der Alliterativn sind ihm
(obwohl er eine Abhandlung über den epischen Vers der Germanen und seineu
Stabreim geschrieben hat!) unbekannt; dafür hat er sich ein eigenes, völlig
ivillkiirliches System zurecht gemacht, das den Thatsachen geradezu ins Gesicht
schlägt. Das üblichste ist in der Langzeile des im-nMIiislaH' die Dreizahl
gleicher Anlaute, von denen zwei (die Stollen) ans die erste Halbzeile, einer
(der Hauptstab) auf die zweite fallen: wie in dem logischen Syllogismus ans
die zwei Prämissen nnr eine Conclusto folgt, so ist auch in der altgermanischen
Metrik nur ein Hauptstab zulässig, der gleichsam die Klammer bildet, durch
welche die beideu Stäbe der erste" Halbzeile zusammengekeilt werden; z. B.
(Vowspii, 33):


der Seligen Saal > besudelt das Blut.

Daneben ist es auch erlaubt, daß in jeder Halbzeile uur ein Reimstab ver¬
wendet wird, z. B. (Volnsp-i 28):


gelirochen war > der Burgwall der Äsen.

Endlich sind auch die Neimbindungen a b > ".b und ba > a d gestattet, z. B.
(Welaudslied 10):


briet am Feuer > der Bärin Fleisch

(Heimholung des Hammers 13):


wild ward Freysa s sie fauchte vor Wut;
Jordans Lddaübersetznng

Vier Langzeilen, von denen jede durch eine Cäsnr in zwei Halbzeilen geteilt wird,
die durch den Stabreim gebunden sind, z. B. ?brzW8kvuUm 1 (nach Simrock):


Wild würd Wingthor > als er erwachte
und seinen Hammer j vorhanden nicht sah;
er schüttelte den Vnrt > er schlug das Haupt,
lillwärts suchte i der Erde Sohn.

In den Liedern der letztern Gattung wechseln dagegen zwei Langzeilen mit
zwei eäsurlvsen Kurzzeilen ab; für diese gilt die unumstößliche Regel, daß sie
stumpfen Ausgang haben müssen. Als Beispiel für diese Strophe (den soge¬
nannten Ijöcllmbattr) wähle ich die schon oben mitgeteilte Stelle aus den
Wvamal, die ich jedoch diesmal, da Simrocks Übertragung an metrischen
Fehlern leidet, in eigener Nachbildung gebe:


Volle Hürden > sah ich bei Fitjungs Söhnen,

nun essen sie Vcttelbrvt;
Im Augenblick > kann Überfluß schwinden,

er ist der falscheste Freund.


Bei Jordan ist der Unterschied zwischen den beiden Strophenfvrmen gänzlich
verwischt: er verwendet durchweg die ans seinen Nibelungen genügend
bekannten entsetzlichen Klapperverse, die durch ihre öde Eintönigkeit eine so
ermüdende Wirkung ausüben. Auch die Gesetze der Alliterativn sind ihm
(obwohl er eine Abhandlung über den epischen Vers der Germanen und seineu
Stabreim geschrieben hat!) unbekannt; dafür hat er sich ein eigenes, völlig
ivillkiirliches System zurecht gemacht, das den Thatsachen geradezu ins Gesicht
schlägt. Das üblichste ist in der Langzeile des im-nMIiislaH' die Dreizahl
gleicher Anlaute, von denen zwei (die Stollen) ans die erste Halbzeile, einer
(der Hauptstab) auf die zweite fallen: wie in dem logischen Syllogismus ans
die zwei Prämissen nnr eine Conclusto folgt, so ist auch in der altgermanischen
Metrik nur ein Hauptstab zulässig, der gleichsam die Klammer bildet, durch
welche die beideu Stäbe der erste» Halbzeile zusammengekeilt werden; z. B.
(Vowspii, 33):


der Seligen Saal > besudelt das Blut.

Daneben ist es auch erlaubt, daß in jeder Halbzeile uur ein Reimstab ver¬
wendet wird, z. B. (Volnsp-i 28):


gelirochen war > der Burgwall der Äsen.

Endlich sind auch die Neimbindungen a b > ».b und ba > a d gestattet, z. B.
(Welaudslied 10):


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(Heimholung des Hammers 13):


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[0379] Jordans Lddaübersetznng Vier Langzeilen, von denen jede durch eine Cäsnr in zwei Halbzeilen geteilt wird, die durch den Stabreim gebunden sind, z. B. ?brzW8kvuUm 1 (nach Simrock): Wild würd Wingthor > als er erwachte und seinen Hammer j vorhanden nicht sah; er schüttelte den Vnrt > er schlug das Haupt, lillwärts suchte i der Erde Sohn. In den Liedern der letztern Gattung wechseln dagegen zwei Langzeilen mit zwei eäsurlvsen Kurzzeilen ab; für diese gilt die unumstößliche Regel, daß sie stumpfen Ausgang haben müssen. Als Beispiel für diese Strophe (den soge¬ nannten Ijöcllmbattr) wähle ich die schon oben mitgeteilte Stelle aus den Wvamal, die ich jedoch diesmal, da Simrocks Übertragung an metrischen Fehlern leidet, in eigener Nachbildung gebe: Volle Hürden > sah ich bei Fitjungs Söhnen, nun essen sie Vcttelbrvt; Im Augenblick > kann Überfluß schwinden, er ist der falscheste Freund. Bei Jordan ist der Unterschied zwischen den beiden Strophenfvrmen gänzlich verwischt: er verwendet durchweg die ans seinen Nibelungen genügend bekannten entsetzlichen Klapperverse, die durch ihre öde Eintönigkeit eine so ermüdende Wirkung ausüben. Auch die Gesetze der Alliterativn sind ihm (obwohl er eine Abhandlung über den epischen Vers der Germanen und seineu Stabreim geschrieben hat!) unbekannt; dafür hat er sich ein eigenes, völlig ivillkiirliches System zurecht gemacht, das den Thatsachen geradezu ins Gesicht schlägt. Das üblichste ist in der Langzeile des im-nMIiislaH' die Dreizahl gleicher Anlaute, von denen zwei (die Stollen) ans die erste Halbzeile, einer (der Hauptstab) auf die zweite fallen: wie in dem logischen Syllogismus ans die zwei Prämissen nnr eine Conclusto folgt, so ist auch in der altgermanischen Metrik nur ein Hauptstab zulässig, der gleichsam die Klammer bildet, durch welche die beideu Stäbe der erste» Halbzeile zusammengekeilt werden; z. B. (Vowspii, 33): der Seligen Saal > besudelt das Blut. Daneben ist es auch erlaubt, daß in jeder Halbzeile uur ein Reimstab ver¬ wendet wird, z. B. (Volnsp-i 28): gelirochen war > der Burgwall der Äsen. Endlich sind auch die Neimbindungen a b > ».b und ba > a d gestattet, z. B. (Welaudslied 10): briet am Feuer > der Bärin Fleisch (Heimholung des Hammers 13): wild ward Freysa s sie fauchte vor Wut;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/379>, abgerufen am 05.02.2025.