Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.Jordans Lddaübersetzung des Originals ist ein redseliger Wortschwall getreten, wie aus einer Probe Volle Hürden sah ich bei Fitjungs Söhnen, Dies hat Simrock in seiner metrischen Nachbildung sehr gut wiedergegeben Volle Speicher sah ich bei Fcttlings Sprossen, Bei Jordan sind aus diesen vier Zeilen sechs geworden: Überfülle einst sah ich die Vorratskammer" Die letzte Zeile ist absolut unverständlich. Wenn dastünde: "dem in kürzester Der "fette Vroze" ist wieder ein hübsches Pröbchen von Jordanschem *) Von allen Eddaübersetznngen, die wir besitzen, ist überhaupt die Simrocksche unstreitig noch immer die beste. Jordan, der naiv genug ist, sich auf seine hinlänglich gekennzeichnete Gelehrsamkeit etwas einzubilden, legt seinem Vorgänger zur Last, daß er "durchweg nicht sowohl den Urtext, als die Jnterliuecirvcrsion der Kopenhagener Edda wiedergebe." Bekannt ist allerdings, daß Simrock vom Altnordischen nicht allzuviel verstand und deshalb sich zu eng an die genannte lateinische Übersetzung anschloß, von der sich Jordan zuweilen, aber stets M seinem Unheil, freigemacht hat. Immerhin aber war Simrock soweit mit der Sprache vertraut, daß ihm so grobe Vorstöße, wie sie sich bei Jordan zu Dutzenden finden, nicht be¬ gegnen konnten, und vor allem besaß er mehr Geschmack und dichterisches Talent. Nicht ungerügt darf es übrigens bleiben, daß Jordan, der die Simrocksche Edda in eiuer älteren Auslage benutzte, einmal gegen eiuen Irrtum polemisirt, den Simrock selber schon berichtigt hatte. Das ist ein Verfahren, für das ein parlamentarischer Ausdruck erst noch gefunden werden soll. Grenzboten II 1889 47
Jordans Lddaübersetzung des Originals ist ein redseliger Wortschwall getreten, wie aus einer Probe Volle Hürden sah ich bei Fitjungs Söhnen, Dies hat Simrock in seiner metrischen Nachbildung sehr gut wiedergegeben Volle Speicher sah ich bei Fcttlings Sprossen, Bei Jordan sind aus diesen vier Zeilen sechs geworden: Überfülle einst sah ich die Vorratskammer» Die letzte Zeile ist absolut unverständlich. Wenn dastünde: „dem in kürzester Der „fette Vroze" ist wieder ein hübsches Pröbchen von Jordanschem *) Von allen Eddaübersetznngen, die wir besitzen, ist überhaupt die Simrocksche unstreitig noch immer die beste. Jordan, der naiv genug ist, sich auf seine hinlänglich gekennzeichnete Gelehrsamkeit etwas einzubilden, legt seinem Vorgänger zur Last, daß er „durchweg nicht sowohl den Urtext, als die Jnterliuecirvcrsion der Kopenhagener Edda wiedergebe." Bekannt ist allerdings, daß Simrock vom Altnordischen nicht allzuviel verstand und deshalb sich zu eng an die genannte lateinische Übersetzung anschloß, von der sich Jordan zuweilen, aber stets M seinem Unheil, freigemacht hat. Immerhin aber war Simrock soweit mit der Sprache vertraut, daß ihm so grobe Vorstöße, wie sie sich bei Jordan zu Dutzenden finden, nicht be¬ gegnen konnten, und vor allem besaß er mehr Geschmack und dichterisches Talent. Nicht ungerügt darf es übrigens bleiben, daß Jordan, der die Simrocksche Edda in eiuer älteren Auslage benutzte, einmal gegen eiuen Irrtum polemisirt, den Simrock selber schon berichtigt hatte. Das ist ein Verfahren, für das ein parlamentarischer Ausdruck erst noch gefunden werden soll. Grenzboten II 1889 47
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Jordans Lddaübersetzung
des Originals ist ein redseliger Wortschwall getreten, wie aus einer Probe
ersichtlich sein wird. Die 78. Strophe des Spruchgedichtes LavauM lautet in
wörtlicher Verdeutschung folgendermaßen:
Volle Hürden sah ich bei Fitjungs Söhnen,
nun tragen sie den Bettelstab;
so ist der Reichtum wie ein Augenzwinkern,
er ist der vergänglichste der Freunde.
Dies hat Simrock in seiner metrischen Nachbildung sehr gut wiedergegeben
(wenn anch die letzte Zeile einen Neimstab zu viel aufweist):
Volle Speicher sah ich bei Fcttlings Sprossen,
die Heuer am Hungertuch nagen;
Überfluß währt einen Augenblick,
dann flicht er, der falscheste Freund.
Bei Jordan sind aus diesen vier Zeilen sechs geworden:
Überfülle einst sah ich die Vorratskammer»
der feinen Söhnchen des fetten Brozeu,
nun wanken sie barfuß am Bettelstabe.
Ein Zucken des Lides lang ist der Zeitraum,
der in nichts zu zerrinnen genügt dem Reichtum,
den in kürzester Frist verlierbaren Freunden.
Die letzte Zeile ist absolut unverständlich. Wenn dastünde: „dem in kürzester
Frist verlierbaren Freunde," so wäre dem Sinne nach der Urtext richtig wieder¬
gegeben; über wie elend prosaisch sind die Wendungen: „dem Reichtum genügt
ein Angenblick, um in nichts zu zermnen," „er ist der in kürzester Zeit verlier¬
bare Freund!" Welcher Übersetzung der Vorzug gebührt, darüber kann jeder,
der nur ein Fünkchen von poetischem Gefühl besitzt, nicht einen Augenblick
zweifelhaft sein.")
Der „fette Vroze" ist wieder ein hübsches Pröbchen von Jordanschem
Geschmack. Auch sollst fehlt es nicht an Wörtern, die man in einer Dichtung
*) Von allen Eddaübersetznngen, die wir besitzen, ist überhaupt die Simrocksche unstreitig
noch immer die beste. Jordan, der naiv genug ist, sich auf seine hinlänglich gekennzeichnete
Gelehrsamkeit etwas einzubilden, legt seinem Vorgänger zur Last, daß er „durchweg nicht
sowohl den Urtext, als die Jnterliuecirvcrsion der Kopenhagener Edda wiedergebe." Bekannt
ist allerdings, daß Simrock vom Altnordischen nicht allzuviel verstand und deshalb sich zu
eng an die genannte lateinische Übersetzung anschloß, von der sich Jordan zuweilen, aber stets
M seinem Unheil, freigemacht hat. Immerhin aber war Simrock soweit mit der Sprache
vertraut, daß ihm so grobe Vorstöße, wie sie sich bei Jordan zu Dutzenden finden, nicht be¬
gegnen konnten, und vor allem besaß er mehr Geschmack und dichterisches Talent. Nicht
ungerügt darf es übrigens bleiben, daß Jordan, der die Simrocksche Edda in eiuer älteren
Auslage benutzte, einmal gegen eiuen Irrtum polemisirt, den Simrock selber schon berichtigt
hatte. Das ist ein Verfahren, für das ein parlamentarischer Ausdruck erst noch gefunden
werden soll.
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