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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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Adel und Bürgertum im deutschen Heere

Bauernsöhne. Unter Friedrich I. erhielt zweifellos der Adel das Übergewicht in
der Armee. Friedrich Wilhelm I. trieb diese Entwicklung insofern weiter, als er
die Junker geradezu zum Waffendienste zwang. Doch bestimmte er noch in seinen
Reglements, daß auch unadliche Unteroffiziere, wenn sie sehr große "Meriten,"
einen offenen Kopf, ein gutes "Exterieur" besäßen, zu Sekondeleutnnnts vor¬
geschlagen werden sollte". Die Rangliste von 1739 enthält einen bürgerlichen
Oberst, zwei bürgerliche Oberstleutnants und acht bürgerliche Majors. Das
"Korps derer Ingenieurs," das eine eigene Rangliste hatte, weist unter neun
Stabsoffizieren fünf bürgerliche auf. Friedrich der Große war, im Gegensatz
zu seinem Vater, der, obwohl despotisch, doch eine durchaus bürgerliche Natur
war, ein echter Aristokrat. Als solcher traute er eben nur dem Adel das dem
Offizier notwendige persönliche hohe Ehrgefühl zu. Dazu kamen die ständischen
Gegensätze, die Friedrich der Große aufs schärfste aufrecht erhalten wissen
wollte. Wohl hat er die Idee gehabt, daß der Degen den Offizier adeln solle,
doch hat er Bürgerliche nur bei der Artillerie, deu Husaren und den Garnisvn-
batmllvueu geduldet. Ja er hat sogar die bürgerlichen Offiziere, die währeud
des siebenjährigen Krieges zugelassen waren, nach dem Kriege wieder entfernt.
Wer wollte dem großen König darum einen Vorwurf machen? Friedrich vertrat
den Satz: "Der friedliche Bürger soll gar nicht merken, wenn die Nation sich
schlägt." Er blieb, obwohl er seinem Zeitalter den Stempel seines Geistes
aufgedrückt hat, doch immer das Kind seiner Zeit. "Der Eudämonismus
seines Zeitalters ließ ihn die sittlichen Kräfte des Heerwesens verkennen,"
sagt Treitschke. Und Max Lehmann bemerkt, "daß es unter die stärkste"
Proben melischlicher Knrzsiclstigkeit gezählt werden müsse, daß Friedrich der
Große noch im letzten Jahrzehnt seiner Regierung, da doch wahrlich das
deutsche Bürgertum mit berechtigtem Stolze auf seine Leistungen blicken durfte,
sich zik der Behauptung hinreiße" ließ, daß der Einbruch der Rotüriers in
das Offizierkorps der erste Schritt sein würde zum Verfalle und Sturze der
Armee." Friedrich Wilhelm III. hatte, ähnlich seinem großen Ahn Friedrich
Wilhelm I., eher bürgerliche als aristokratische Neigungen. Doch das Vorrecht
des Adels zu brechen, wagte er zunächst nicht. Im Jahre 180" zählte die
Armee 695 bürgerliche Offiziere; aber sie waren in einzelnen Truppenteilen
zusammengedrängt. Die Reorganisation der Armee von 1807 im Verein mit
dem Steinschen Edikt hat dann erst den Charakter des Heeres bestimmt, wie
er heute noch ist.

Worin besteht nun der Charakter dieses Heeres? Der Verfasser hat
es gesagt: das deutsche Heer ist ein monarchisches, d. h. das Heer erkennt
nur einen Richter über sich, den obersten Kriegsherrn. In dieser Eigen¬
schaft lösen sich die Gegensätze, soweit sie zwischen Adel und Bürgertum
im Heer bestehen, auf. Der Verfasser sagt daher sehr richtig, daß von
einem Antagonismus beider Elemente im deutschen Heere nicht die Rede sein


Adel und Bürgertum im deutschen Heere

Bauernsöhne. Unter Friedrich I. erhielt zweifellos der Adel das Übergewicht in
der Armee. Friedrich Wilhelm I. trieb diese Entwicklung insofern weiter, als er
die Junker geradezu zum Waffendienste zwang. Doch bestimmte er noch in seinen
Reglements, daß auch unadliche Unteroffiziere, wenn sie sehr große „Meriten,"
einen offenen Kopf, ein gutes „Exterieur" besäßen, zu Sekondeleutnnnts vor¬
geschlagen werden sollte». Die Rangliste von 1739 enthält einen bürgerlichen
Oberst, zwei bürgerliche Oberstleutnants und acht bürgerliche Majors. Das
„Korps derer Ingenieurs," das eine eigene Rangliste hatte, weist unter neun
Stabsoffizieren fünf bürgerliche auf. Friedrich der Große war, im Gegensatz
zu seinem Vater, der, obwohl despotisch, doch eine durchaus bürgerliche Natur
war, ein echter Aristokrat. Als solcher traute er eben nur dem Adel das dem
Offizier notwendige persönliche hohe Ehrgefühl zu. Dazu kamen die ständischen
Gegensätze, die Friedrich der Große aufs schärfste aufrecht erhalten wissen
wollte. Wohl hat er die Idee gehabt, daß der Degen den Offizier adeln solle,
doch hat er Bürgerliche nur bei der Artillerie, deu Husaren und den Garnisvn-
batmllvueu geduldet. Ja er hat sogar die bürgerlichen Offiziere, die währeud
des siebenjährigen Krieges zugelassen waren, nach dem Kriege wieder entfernt.
Wer wollte dem großen König darum einen Vorwurf machen? Friedrich vertrat
den Satz: „Der friedliche Bürger soll gar nicht merken, wenn die Nation sich
schlägt." Er blieb, obwohl er seinem Zeitalter den Stempel seines Geistes
aufgedrückt hat, doch immer das Kind seiner Zeit. „Der Eudämonismus
seines Zeitalters ließ ihn die sittlichen Kräfte des Heerwesens verkennen,"
sagt Treitschke. Und Max Lehmann bemerkt, „daß es unter die stärkste»
Proben melischlicher Knrzsiclstigkeit gezählt werden müsse, daß Friedrich der
Große noch im letzten Jahrzehnt seiner Regierung, da doch wahrlich das
deutsche Bürgertum mit berechtigtem Stolze auf seine Leistungen blicken durfte,
sich zik der Behauptung hinreiße« ließ, daß der Einbruch der Rotüriers in
das Offizierkorps der erste Schritt sein würde zum Verfalle und Sturze der
Armee." Friedrich Wilhelm III. hatte, ähnlich seinem großen Ahn Friedrich
Wilhelm I., eher bürgerliche als aristokratische Neigungen. Doch das Vorrecht
des Adels zu brechen, wagte er zunächst nicht. Im Jahre 180« zählte die
Armee 695 bürgerliche Offiziere; aber sie waren in einzelnen Truppenteilen
zusammengedrängt. Die Reorganisation der Armee von 1807 im Verein mit
dem Steinschen Edikt hat dann erst den Charakter des Heeres bestimmt, wie
er heute noch ist.

Worin besteht nun der Charakter dieses Heeres? Der Verfasser hat
es gesagt: das deutsche Heer ist ein monarchisches, d. h. das Heer erkennt
nur einen Richter über sich, den obersten Kriegsherrn. In dieser Eigen¬
schaft lösen sich die Gegensätze, soweit sie zwischen Adel und Bürgertum
im Heer bestehen, auf. Der Verfasser sagt daher sehr richtig, daß von
einem Antagonismus beider Elemente im deutschen Heere nicht die Rede sein


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[0360] Adel und Bürgertum im deutschen Heere Bauernsöhne. Unter Friedrich I. erhielt zweifellos der Adel das Übergewicht in der Armee. Friedrich Wilhelm I. trieb diese Entwicklung insofern weiter, als er die Junker geradezu zum Waffendienste zwang. Doch bestimmte er noch in seinen Reglements, daß auch unadliche Unteroffiziere, wenn sie sehr große „Meriten," einen offenen Kopf, ein gutes „Exterieur" besäßen, zu Sekondeleutnnnts vor¬ geschlagen werden sollte». Die Rangliste von 1739 enthält einen bürgerlichen Oberst, zwei bürgerliche Oberstleutnants und acht bürgerliche Majors. Das „Korps derer Ingenieurs," das eine eigene Rangliste hatte, weist unter neun Stabsoffizieren fünf bürgerliche auf. Friedrich der Große war, im Gegensatz zu seinem Vater, der, obwohl despotisch, doch eine durchaus bürgerliche Natur war, ein echter Aristokrat. Als solcher traute er eben nur dem Adel das dem Offizier notwendige persönliche hohe Ehrgefühl zu. Dazu kamen die ständischen Gegensätze, die Friedrich der Große aufs schärfste aufrecht erhalten wissen wollte. Wohl hat er die Idee gehabt, daß der Degen den Offizier adeln solle, doch hat er Bürgerliche nur bei der Artillerie, deu Husaren und den Garnisvn- batmllvueu geduldet. Ja er hat sogar die bürgerlichen Offiziere, die währeud des siebenjährigen Krieges zugelassen waren, nach dem Kriege wieder entfernt. Wer wollte dem großen König darum einen Vorwurf machen? Friedrich vertrat den Satz: „Der friedliche Bürger soll gar nicht merken, wenn die Nation sich schlägt." Er blieb, obwohl er seinem Zeitalter den Stempel seines Geistes aufgedrückt hat, doch immer das Kind seiner Zeit. „Der Eudämonismus seines Zeitalters ließ ihn die sittlichen Kräfte des Heerwesens verkennen," sagt Treitschke. Und Max Lehmann bemerkt, „daß es unter die stärkste» Proben melischlicher Knrzsiclstigkeit gezählt werden müsse, daß Friedrich der Große noch im letzten Jahrzehnt seiner Regierung, da doch wahrlich das deutsche Bürgertum mit berechtigtem Stolze auf seine Leistungen blicken durfte, sich zik der Behauptung hinreiße« ließ, daß der Einbruch der Rotüriers in das Offizierkorps der erste Schritt sein würde zum Verfalle und Sturze der Armee." Friedrich Wilhelm III. hatte, ähnlich seinem großen Ahn Friedrich Wilhelm I., eher bürgerliche als aristokratische Neigungen. Doch das Vorrecht des Adels zu brechen, wagte er zunächst nicht. Im Jahre 180« zählte die Armee 695 bürgerliche Offiziere; aber sie waren in einzelnen Truppenteilen zusammengedrängt. Die Reorganisation der Armee von 1807 im Verein mit dem Steinschen Edikt hat dann erst den Charakter des Heeres bestimmt, wie er heute noch ist. Worin besteht nun der Charakter dieses Heeres? Der Verfasser hat es gesagt: das deutsche Heer ist ein monarchisches, d. h. das Heer erkennt nur einen Richter über sich, den obersten Kriegsherrn. In dieser Eigen¬ schaft lösen sich die Gegensätze, soweit sie zwischen Adel und Bürgertum im Heer bestehen, auf. Der Verfasser sagt daher sehr richtig, daß von einem Antagonismus beider Elemente im deutschen Heere nicht die Rede sein

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/360>, abgerufen am 05.02.2025.