Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.Zum zweiten österreichischen Katholikentage enthaltene Verbot der Teilnahme an Vereinen nicht wieder auf rein religiöse, Auf den ersten Blick erscheinen diese Forderungen ja harmlos und billig, Auch gegen die österreichische Ehegesetzgebung hat sich eine Resolution des Der katholische Deutsch-Österreicher aber konnte für diesen Katholikentag Es soll keineswegs geleugnet werden, daß auf diesem "Tage" doch auch Zum zweiten österreichischen Katholikentage enthaltene Verbot der Teilnahme an Vereinen nicht wieder auf rein religiöse, Auf den ersten Blick erscheinen diese Forderungen ja harmlos und billig, Auch gegen die österreichische Ehegesetzgebung hat sich eine Resolution des Der katholische Deutsch-Österreicher aber konnte für diesen Katholikentag Es soll keineswegs geleugnet werden, daß auf diesem „Tage" doch auch <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0339" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/205070"/> <fw type="header" place="top"> Zum zweiten österreichischen Katholikentage</fw><lb/> <p xml:id="ID_937" prev="#ID_936"> enthaltene Verbot der Teilnahme an Vereinen nicht wieder auf rein religiöse,<lb/> kirchlich approbirte Vereine atisgedehnt werde."</p><lb/> <p xml:id="ID_938"> Auf den ersten Blick erscheinen diese Forderungen ja harmlos und billig,<lb/> theoretisch wird man auch gegen die meisten Punkte nicht viel einzuwenden haben,<lb/> aber ihre praktische Ausführung würde doch die Atislieferung der Mittelschule<lb/> in die Hunde des Klerus, nach kürzerer oder längerer Frist eine» unerträglichen<lb/> Gedanken- und Gewissensdrnck zur Folge haben und — anstatt wahre religiöse<lb/> Gesinnung zu fördern — Heuchelei bei Lehrern und Schüler» großziehen.<lb/> Glaube mau doch ja nicht im Auslande, daß es mit der religiösen Erziehung<lb/> auf den österreichischen Mittelschulen heute so schlimm bestellt sei, wie die<lb/> Klerikale» es ausrufen; alle Schüler von den elfjährigen Kindern bis zu den<lb/> neunzehttjährigeu Jünglingen werden zu sonntäglichem Kirchenbesuch und zum<lb/> Anhören der Predigt angehalten, gehen dreimal im Jahr z»r Beichte und<lb/> Kommunion, und es giebt Anstalten, wo der religiöse Unterricht an den Fleiß<lb/> der Schüler größere Anforderungen stellt, als etwa der in der Geschichte und<lb/> Mathematik. Nur wenige Kronländer giebt es, wo an den höhern Klassen<lb/> der Realschulen Religionsunterricht nicht mehr erteilt wird, doch sind auch hier<lb/> die Schüler bis zur Reifeprüfung zum Besuch des sonntäglichen Gottesdienstes<lb/> und der Predigt verpflichtet.</p><lb/> <p xml:id="ID_939"> Auch gegen die österreichische Ehegesetzgebung hat sich eine Resolution des<lb/> Katholikentages gewendet; er beklagt darin „die gesetzliche Regulirung derApostasie<lb/> und bittet alle parlamentarische» Vertreter der Katholiken Österreichs, ihren<lb/> ganzen Einfluß geltend zu mache», daß i» der Gesetzgebung »ueber der christliche<lb/> Standpunkt eingenommen werde, »ut daß die Kirche in Ausübung ihrer Macht¬<lb/> vollkommenheit und in Ausführung der von Christus ihr übertrngeueu Pflichten,<lb/> speziell was die Spendung der heiligen Sakramente betrifft, die ihr gebührende<lb/> Freiheit in vollem Umfange wieder erlange." Hierzu wurde dann noch ein<lb/> „Amendement" beantragt, das dahin ging, daß die Gesetzgebung nicht nur ans<lb/> christlichem, sondern auf katholischem Standpunkte stehen solle. Die Zeitungen<lb/> melden nicht, ob es angenommen worden ist.</p><lb/> <p xml:id="ID_940"> Der katholische Deutsch-Österreicher aber konnte für diesen Katholikentag<lb/> um so »'eiliger Sympathien hegen, als dabei bekannte Gegner der Deutschen<lb/> und Gönner der slawischen Gelüste das große Wort führten; die Anwesenheit<lb/> Lienbachers hat ihn darüber gewiß nicht beruhigt. Bezeichnend ist es, daß<lb/> von Prag kein einziger der dortigen deutschen Professoren der Theologie<lb/> gekommen ist, auch der Historiker Konstantin von Höfler und der Kirchcn-<lb/> rechtslehrer Vering, zwei entschieden katholisch, aber zugleich auch deutsch ge¬<lb/> filmte Männer, fern geblieben sind; offenbar fürchteten sie in einen Zwiespalt<lb/> mit ihren politischen Überzeugungen z» gelangen.</p><lb/> <p xml:id="ID_941" next="#ID_942"> Es soll keineswegs geleugnet werden, daß auf diesem „Tage" doch auch<lb/> so mauches gesagt worden ist, was unsre Staatsleiter beherzigen könnten:</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0339]
Zum zweiten österreichischen Katholikentage
enthaltene Verbot der Teilnahme an Vereinen nicht wieder auf rein religiöse,
kirchlich approbirte Vereine atisgedehnt werde."
Auf den ersten Blick erscheinen diese Forderungen ja harmlos und billig,
theoretisch wird man auch gegen die meisten Punkte nicht viel einzuwenden haben,
aber ihre praktische Ausführung würde doch die Atislieferung der Mittelschule
in die Hunde des Klerus, nach kürzerer oder längerer Frist eine» unerträglichen
Gedanken- und Gewissensdrnck zur Folge haben und — anstatt wahre religiöse
Gesinnung zu fördern — Heuchelei bei Lehrern und Schüler» großziehen.
Glaube mau doch ja nicht im Auslande, daß es mit der religiösen Erziehung
auf den österreichischen Mittelschulen heute so schlimm bestellt sei, wie die
Klerikale» es ausrufen; alle Schüler von den elfjährigen Kindern bis zu den
neunzehttjährigeu Jünglingen werden zu sonntäglichem Kirchenbesuch und zum
Anhören der Predigt angehalten, gehen dreimal im Jahr z»r Beichte und
Kommunion, und es giebt Anstalten, wo der religiöse Unterricht an den Fleiß
der Schüler größere Anforderungen stellt, als etwa der in der Geschichte und
Mathematik. Nur wenige Kronländer giebt es, wo an den höhern Klassen
der Realschulen Religionsunterricht nicht mehr erteilt wird, doch sind auch hier
die Schüler bis zur Reifeprüfung zum Besuch des sonntäglichen Gottesdienstes
und der Predigt verpflichtet.
Auch gegen die österreichische Ehegesetzgebung hat sich eine Resolution des
Katholikentages gewendet; er beklagt darin „die gesetzliche Regulirung derApostasie
und bittet alle parlamentarische» Vertreter der Katholiken Österreichs, ihren
ganzen Einfluß geltend zu mache», daß i» der Gesetzgebung »ueber der christliche
Standpunkt eingenommen werde, »ut daß die Kirche in Ausübung ihrer Macht¬
vollkommenheit und in Ausführung der von Christus ihr übertrngeueu Pflichten,
speziell was die Spendung der heiligen Sakramente betrifft, die ihr gebührende
Freiheit in vollem Umfange wieder erlange." Hierzu wurde dann noch ein
„Amendement" beantragt, das dahin ging, daß die Gesetzgebung nicht nur ans
christlichem, sondern auf katholischem Standpunkte stehen solle. Die Zeitungen
melden nicht, ob es angenommen worden ist.
Der katholische Deutsch-Österreicher aber konnte für diesen Katholikentag
um so »'eiliger Sympathien hegen, als dabei bekannte Gegner der Deutschen
und Gönner der slawischen Gelüste das große Wort führten; die Anwesenheit
Lienbachers hat ihn darüber gewiß nicht beruhigt. Bezeichnend ist es, daß
von Prag kein einziger der dortigen deutschen Professoren der Theologie
gekommen ist, auch der Historiker Konstantin von Höfler und der Kirchcn-
rechtslehrer Vering, zwei entschieden katholisch, aber zugleich auch deutsch ge¬
filmte Männer, fern geblieben sind; offenbar fürchteten sie in einen Zwiespalt
mit ihren politischen Überzeugungen z» gelangen.
Es soll keineswegs geleugnet werden, daß auf diesem „Tage" doch auch
so mauches gesagt worden ist, was unsre Staatsleiter beherzigen könnten:
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