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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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Der Streit um Samoa und die Deutschen in der Südsee

Kokospalmen, während das Binnenland mit schönem, dichtem Urwalde tropischen
Charakters bedeckt ist.

Was den Wert unsrer Besitzungen in der Südsee gegenwärtig noch mindert,
ist ihre große Entfernung von Deutschland und die Schwierigkeit eines regel¬
mäßigen Verkehrs mit ihnen. Neuguinea wird von Handelsfahrzengen von
London ans in etwa sechzig Tagen erreicht. Die Beförderung von Briefen
über Brindisi nud den Suezkanal erfordert fünfzig Tage. Neuguinea steht nicht
in unmittelbarer Verbindung mit der europäischen Schifffahrtslinie, und so
mußte ein Anschluß in Australien oder Hinterindien gesucht werden. Der
nächste bot sich in Cooktown, ein andrer in Sverabaya ans der Insel Java.
Nach Cooktown giebt es von Europa mir eine mittelbare Dampferlinie,
deren Fahrzeuge von London fünfzig Tage brauchen. Die Verbindung mit
Cooktown, das !>00 Seemeilen von Finschhafen liegt (nach Soerabaya sind es
von letzterm Orte 2800) hat die Neuguineagesellschaft zwar hergestellt, indem
sie ihre drei Dampfschiffe regelmäßig aller nchtundzwauzig Tage von Finschhafen
dahin abgehen läßt, doch ist das Abhängigkeitsverhältnis, in dem sie dabei von
der fremden Schifffahrtslinie steht, bedenklich, und so plant mau eine unmittel¬
bare Dampferverbindung mit Hamburg. Seit dein 1. Oktober 1888 gehört
das Gebiet der Marschalliuseln dem Weltpostvereine an. Finanziell mag noch
bemerkt werden, daß diese Inselgruppe im Nachtragsetat des Reiches für das
genannte Jahr mit 10 800 Mark Ausgaben angeführt ist, die zur Besoldung
eines kaiserlichen Kommissars nebst Sekretär bestimmt sind. Die ans Inter¬
essenten bestehende Jalnitgesellschcift hat zwar die Kosten für die Verwaltung
dieses Schutzgebietes übernommen, sich aber ausbedungen, daß die Ausübung
der Landeshoheit und der Gerichtsbarkeit durch Reichsbeamte geschehe, was
auch bei andern Schutzgebieten nützlich sein würde.

Wie Apia, so vereinigen auch Jalnit und Mivkv am Bismarck-Archipel
die Hauptfaden des deutscheu Handels in der Südsee, einem gewaltigen Stücke
Ozean, dein nach der Verbindung desselben mit dem Atlantischen Meere dnrch
einen Kanal eine großartige Entwicklung bevorstehen wird. Hierbei werden
alle diese deutschen Stationen sowie die auf Neuguinea rasch zur Geltung
komme" und eine wichtige Rolle spielen, zunächst aber wahrscheinlich die auf
deu Marschalliuseln, die auch ohne den Kanal in Verbindung mit den Sandwich-
iiiseln (Hawaii) den Verkehr Kaliforniens mit China und Ostindien zu vermitteln
berufen sind. Mau übersehe deshalb nicht über der Geringfügigkeit der gegen¬
wärtigen Anfänge deutscher Entwicklung in dieser Erdgegend die mit ihrer Lage
offenbar gegebene Möglichkeit, in nicht ferner Zukunft hochbedeutsam zu werde".




Der Streit um Samoa und die Deutschen in der Südsee

Kokospalmen, während das Binnenland mit schönem, dichtem Urwalde tropischen
Charakters bedeckt ist.

Was den Wert unsrer Besitzungen in der Südsee gegenwärtig noch mindert,
ist ihre große Entfernung von Deutschland und die Schwierigkeit eines regel¬
mäßigen Verkehrs mit ihnen. Neuguinea wird von Handelsfahrzengen von
London ans in etwa sechzig Tagen erreicht. Die Beförderung von Briefen
über Brindisi nud den Suezkanal erfordert fünfzig Tage. Neuguinea steht nicht
in unmittelbarer Verbindung mit der europäischen Schifffahrtslinie, und so
mußte ein Anschluß in Australien oder Hinterindien gesucht werden. Der
nächste bot sich in Cooktown, ein andrer in Sverabaya ans der Insel Java.
Nach Cooktown giebt es von Europa mir eine mittelbare Dampferlinie,
deren Fahrzeuge von London fünfzig Tage brauchen. Die Verbindung mit
Cooktown, das !>00 Seemeilen von Finschhafen liegt (nach Soerabaya sind es
von letzterm Orte 2800) hat die Neuguineagesellschaft zwar hergestellt, indem
sie ihre drei Dampfschiffe regelmäßig aller nchtundzwauzig Tage von Finschhafen
dahin abgehen läßt, doch ist das Abhängigkeitsverhältnis, in dem sie dabei von
der fremden Schifffahrtslinie steht, bedenklich, und so plant mau eine unmittel¬
bare Dampferverbindung mit Hamburg. Seit dein 1. Oktober 1888 gehört
das Gebiet der Marschalliuseln dem Weltpostvereine an. Finanziell mag noch
bemerkt werden, daß diese Inselgruppe im Nachtragsetat des Reiches für das
genannte Jahr mit 10 800 Mark Ausgaben angeführt ist, die zur Besoldung
eines kaiserlichen Kommissars nebst Sekretär bestimmt sind. Die ans Inter¬
essenten bestehende Jalnitgesellschcift hat zwar die Kosten für die Verwaltung
dieses Schutzgebietes übernommen, sich aber ausbedungen, daß die Ausübung
der Landeshoheit und der Gerichtsbarkeit durch Reichsbeamte geschehe, was
auch bei andern Schutzgebieten nützlich sein würde.

Wie Apia, so vereinigen auch Jalnit und Mivkv am Bismarck-Archipel
die Hauptfaden des deutscheu Handels in der Südsee, einem gewaltigen Stücke
Ozean, dein nach der Verbindung desselben mit dem Atlantischen Meere dnrch
einen Kanal eine großartige Entwicklung bevorstehen wird. Hierbei werden
alle diese deutschen Stationen sowie die auf Neuguinea rasch zur Geltung
komme» und eine wichtige Rolle spielen, zunächst aber wahrscheinlich die auf
deu Marschalliuseln, die auch ohne den Kanal in Verbindung mit den Sandwich-
iiiseln (Hawaii) den Verkehr Kaliforniens mit China und Ostindien zu vermitteln
berufen sind. Mau übersehe deshalb nicht über der Geringfügigkeit der gegen¬
wärtigen Anfänge deutscher Entwicklung in dieser Erdgegend die mit ihrer Lage
offenbar gegebene Möglichkeit, in nicht ferner Zukunft hochbedeutsam zu werde».




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[0302] Der Streit um Samoa und die Deutschen in der Südsee Kokospalmen, während das Binnenland mit schönem, dichtem Urwalde tropischen Charakters bedeckt ist. Was den Wert unsrer Besitzungen in der Südsee gegenwärtig noch mindert, ist ihre große Entfernung von Deutschland und die Schwierigkeit eines regel¬ mäßigen Verkehrs mit ihnen. Neuguinea wird von Handelsfahrzengen von London ans in etwa sechzig Tagen erreicht. Die Beförderung von Briefen über Brindisi nud den Suezkanal erfordert fünfzig Tage. Neuguinea steht nicht in unmittelbarer Verbindung mit der europäischen Schifffahrtslinie, und so mußte ein Anschluß in Australien oder Hinterindien gesucht werden. Der nächste bot sich in Cooktown, ein andrer in Sverabaya ans der Insel Java. Nach Cooktown giebt es von Europa mir eine mittelbare Dampferlinie, deren Fahrzeuge von London fünfzig Tage brauchen. Die Verbindung mit Cooktown, das !>00 Seemeilen von Finschhafen liegt (nach Soerabaya sind es von letzterm Orte 2800) hat die Neuguineagesellschaft zwar hergestellt, indem sie ihre drei Dampfschiffe regelmäßig aller nchtundzwauzig Tage von Finschhafen dahin abgehen läßt, doch ist das Abhängigkeitsverhältnis, in dem sie dabei von der fremden Schifffahrtslinie steht, bedenklich, und so plant mau eine unmittel¬ bare Dampferverbindung mit Hamburg. Seit dein 1. Oktober 1888 gehört das Gebiet der Marschalliuseln dem Weltpostvereine an. Finanziell mag noch bemerkt werden, daß diese Inselgruppe im Nachtragsetat des Reiches für das genannte Jahr mit 10 800 Mark Ausgaben angeführt ist, die zur Besoldung eines kaiserlichen Kommissars nebst Sekretär bestimmt sind. Die ans Inter¬ essenten bestehende Jalnitgesellschcift hat zwar die Kosten für die Verwaltung dieses Schutzgebietes übernommen, sich aber ausbedungen, daß die Ausübung der Landeshoheit und der Gerichtsbarkeit durch Reichsbeamte geschehe, was auch bei andern Schutzgebieten nützlich sein würde. Wie Apia, so vereinigen auch Jalnit und Mivkv am Bismarck-Archipel die Hauptfaden des deutscheu Handels in der Südsee, einem gewaltigen Stücke Ozean, dein nach der Verbindung desselben mit dem Atlantischen Meere dnrch einen Kanal eine großartige Entwicklung bevorstehen wird. Hierbei werden alle diese deutschen Stationen sowie die auf Neuguinea rasch zur Geltung komme» und eine wichtige Rolle spielen, zunächst aber wahrscheinlich die auf deu Marschalliuseln, die auch ohne den Kanal in Verbindung mit den Sandwich- iiiseln (Hawaii) den Verkehr Kaliforniens mit China und Ostindien zu vermitteln berufen sind. Mau übersehe deshalb nicht über der Geringfügigkeit der gegen¬ wärtigen Anfänge deutscher Entwicklung in dieser Erdgegend die mit ihrer Lage offenbar gegebene Möglichkeit, in nicht ferner Zukunft hochbedeutsam zu werde».

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/302>, abgerufen am 05.02.2025.