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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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Der Streit um Scnnoa und die Deutschen in der Südsee

Cleveland den Vorwurf der Vernachlässigung der amerikanischen Interessen an¬
zuhängen, den Hauptursachen des Lärms, nichts wissen wollten. Es gelang
allerdings im Kongreß einen Beschluß durchzusetzen, der der Regierung
Gelder zur Errichtung der Kohlenstation in Pago-Pago und zu wirksamerer
Vertretung der amerikanischen Interessen zur Verfügung stellte. Aber die
Regierung verhielt sich maßvoll. Der Konsul Sewall wurde abgesetzt. Der
Minister Bayard erklärte, die Vorgänge auf Samoa konnten das freund-
schaftliche Verhältnis der Union zu Deutschland nicht trüben. Eine Botschaft
Clevelnnds erkannte den guten Willen Deutschlands, die Unabhängigkeit Snmoas
und die Verträge zu achten, an, und der neue Präsident Harrisvn berührte
die Samvafrage in seiner Nntrittsbotschaft nur in ganz allgemeinen Rede¬
wendungen. So ist zu hoffen, daß sie auf der Berliner Konferenz eine be¬
friedigende Losung finden werde.

Wie dem aber auch sei, Deutschland hat in der Südsee andern wertvollen
Besitz, der uicht streitig ist nud es auch nicht leicht werden wird. Dahin
gehört zunächst der Anteil Deutschlands um der großen Insel Neuguinea, der
sich im Nordosten derselben befindet und seit 1884 in den Handen der Neu¬
guinea-Gesellschaft ist, die auch sonst unter kaiserlichem Schutzbriefe ausgedehnte
Besitzungen in der westlichen Südsee hat. Ihr Gebiet auf Neuguinea heißt
Kaiser-Wilhelnisland, umfaßt 181000 Quadratkilometer und zerfällt in einen
nördlichen ebnen und einen südlichen gebirgigen Teil. Die Gesellschaft hat
hier vier Stationen angelegt, von denen Finschhnfen, wo der Landeshauptmann
wohnt, die bedeutendste ist. Nördlich davon liegen Kvnstantinhafen und Hntz-
feldhafen, (an der Astrolabebai) südlich Butanmy (am Ausflüsse des Bubui
in die Langemakbucht). Eine fünfte Station soll an der Mündung des Kaiserin-
Augustnftromes errichtet werden, der eine vorzügliche Wasserstraße ins Binnen¬
land bildet und bereits bis zur Grenze des deutschen Gebiets befahren worden
ist. Die Uferlandschaften eignen sich zum Anbau vou Reis und Zuckerrohr,
auch zur Viehzucht. Ebenfalls zur Kultur geeignet ist das Land längs des
Frauziskaflufses, wo eine dichte Bevölkerung vou Eingebornen wohnt. An
die Uferstrecken dieser Gewässer schließen sich Urwälder mit schönen Nutzhölzern
an, zu deren Verwertung die Gesellschaft mehrere Sägemühlen erbaut hat.
Das zur Anlegung von Pflanzungen sich empfehlende Land wird von ihr ver¬
pachtet und verkauft, und es bestehen solche bereits in der Nähe von Finsch-
hafen, wo man Taro, Jams, Zuckerrohr, Tapioka, Ananas und Tomaten,
nud von Hatzfeldhafen, wo man Tabak, Mais und süße Kartoffeln baut. Im
Sande des Philippsflnsfes fand man Gold, und es ist gegründete Hoffnung
vorhanden, daß es auch an andern Stellen vorkommt. Die klimatischen Ver¬
hältnisse sind im allgemeinen besser, als man nach der äquatorialen Lage des
Landes erwarten sollte, doch werden die Europäer an der Küste häufig vom
Fieber heimgesucht. Die Eingebornen sind Papuas (Australneger). Sie zeigten


Der Streit um Scnnoa und die Deutschen in der Südsee

Cleveland den Vorwurf der Vernachlässigung der amerikanischen Interessen an¬
zuhängen, den Hauptursachen des Lärms, nichts wissen wollten. Es gelang
allerdings im Kongreß einen Beschluß durchzusetzen, der der Regierung
Gelder zur Errichtung der Kohlenstation in Pago-Pago und zu wirksamerer
Vertretung der amerikanischen Interessen zur Verfügung stellte. Aber die
Regierung verhielt sich maßvoll. Der Konsul Sewall wurde abgesetzt. Der
Minister Bayard erklärte, die Vorgänge auf Samoa konnten das freund-
schaftliche Verhältnis der Union zu Deutschland nicht trüben. Eine Botschaft
Clevelnnds erkannte den guten Willen Deutschlands, die Unabhängigkeit Snmoas
und die Verträge zu achten, an, und der neue Präsident Harrisvn berührte
die Samvafrage in seiner Nntrittsbotschaft nur in ganz allgemeinen Rede¬
wendungen. So ist zu hoffen, daß sie auf der Berliner Konferenz eine be¬
friedigende Losung finden werde.

Wie dem aber auch sei, Deutschland hat in der Südsee andern wertvollen
Besitz, der uicht streitig ist nud es auch nicht leicht werden wird. Dahin
gehört zunächst der Anteil Deutschlands um der großen Insel Neuguinea, der
sich im Nordosten derselben befindet und seit 1884 in den Handen der Neu¬
guinea-Gesellschaft ist, die auch sonst unter kaiserlichem Schutzbriefe ausgedehnte
Besitzungen in der westlichen Südsee hat. Ihr Gebiet auf Neuguinea heißt
Kaiser-Wilhelnisland, umfaßt 181000 Quadratkilometer und zerfällt in einen
nördlichen ebnen und einen südlichen gebirgigen Teil. Die Gesellschaft hat
hier vier Stationen angelegt, von denen Finschhnfen, wo der Landeshauptmann
wohnt, die bedeutendste ist. Nördlich davon liegen Kvnstantinhafen und Hntz-
feldhafen, (an der Astrolabebai) südlich Butanmy (am Ausflüsse des Bubui
in die Langemakbucht). Eine fünfte Station soll an der Mündung des Kaiserin-
Augustnftromes errichtet werden, der eine vorzügliche Wasserstraße ins Binnen¬
land bildet und bereits bis zur Grenze des deutschen Gebiets befahren worden
ist. Die Uferlandschaften eignen sich zum Anbau vou Reis und Zuckerrohr,
auch zur Viehzucht. Ebenfalls zur Kultur geeignet ist das Land längs des
Frauziskaflufses, wo eine dichte Bevölkerung vou Eingebornen wohnt. An
die Uferstrecken dieser Gewässer schließen sich Urwälder mit schönen Nutzhölzern
an, zu deren Verwertung die Gesellschaft mehrere Sägemühlen erbaut hat.
Das zur Anlegung von Pflanzungen sich empfehlende Land wird von ihr ver¬
pachtet und verkauft, und es bestehen solche bereits in der Nähe von Finsch-
hafen, wo man Taro, Jams, Zuckerrohr, Tapioka, Ananas und Tomaten,
nud von Hatzfeldhafen, wo man Tabak, Mais und süße Kartoffeln baut. Im
Sande des Philippsflnsfes fand man Gold, und es ist gegründete Hoffnung
vorhanden, daß es auch an andern Stellen vorkommt. Die klimatischen Ver¬
hältnisse sind im allgemeinen besser, als man nach der äquatorialen Lage des
Landes erwarten sollte, doch werden die Europäer an der Küste häufig vom
Fieber heimgesucht. Die Eingebornen sind Papuas (Australneger). Sie zeigten


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[0300] Der Streit um Scnnoa und die Deutschen in der Südsee Cleveland den Vorwurf der Vernachlässigung der amerikanischen Interessen an¬ zuhängen, den Hauptursachen des Lärms, nichts wissen wollten. Es gelang allerdings im Kongreß einen Beschluß durchzusetzen, der der Regierung Gelder zur Errichtung der Kohlenstation in Pago-Pago und zu wirksamerer Vertretung der amerikanischen Interessen zur Verfügung stellte. Aber die Regierung verhielt sich maßvoll. Der Konsul Sewall wurde abgesetzt. Der Minister Bayard erklärte, die Vorgänge auf Samoa konnten das freund- schaftliche Verhältnis der Union zu Deutschland nicht trüben. Eine Botschaft Clevelnnds erkannte den guten Willen Deutschlands, die Unabhängigkeit Snmoas und die Verträge zu achten, an, und der neue Präsident Harrisvn berührte die Samvafrage in seiner Nntrittsbotschaft nur in ganz allgemeinen Rede¬ wendungen. So ist zu hoffen, daß sie auf der Berliner Konferenz eine be¬ friedigende Losung finden werde. Wie dem aber auch sei, Deutschland hat in der Südsee andern wertvollen Besitz, der uicht streitig ist nud es auch nicht leicht werden wird. Dahin gehört zunächst der Anteil Deutschlands um der großen Insel Neuguinea, der sich im Nordosten derselben befindet und seit 1884 in den Handen der Neu¬ guinea-Gesellschaft ist, die auch sonst unter kaiserlichem Schutzbriefe ausgedehnte Besitzungen in der westlichen Südsee hat. Ihr Gebiet auf Neuguinea heißt Kaiser-Wilhelnisland, umfaßt 181000 Quadratkilometer und zerfällt in einen nördlichen ebnen und einen südlichen gebirgigen Teil. Die Gesellschaft hat hier vier Stationen angelegt, von denen Finschhnfen, wo der Landeshauptmann wohnt, die bedeutendste ist. Nördlich davon liegen Kvnstantinhafen und Hntz- feldhafen, (an der Astrolabebai) südlich Butanmy (am Ausflüsse des Bubui in die Langemakbucht). Eine fünfte Station soll an der Mündung des Kaiserin- Augustnftromes errichtet werden, der eine vorzügliche Wasserstraße ins Binnen¬ land bildet und bereits bis zur Grenze des deutschen Gebiets befahren worden ist. Die Uferlandschaften eignen sich zum Anbau vou Reis und Zuckerrohr, auch zur Viehzucht. Ebenfalls zur Kultur geeignet ist das Land längs des Frauziskaflufses, wo eine dichte Bevölkerung vou Eingebornen wohnt. An die Uferstrecken dieser Gewässer schließen sich Urwälder mit schönen Nutzhölzern an, zu deren Verwertung die Gesellschaft mehrere Sägemühlen erbaut hat. Das zur Anlegung von Pflanzungen sich empfehlende Land wird von ihr ver¬ pachtet und verkauft, und es bestehen solche bereits in der Nähe von Finsch- hafen, wo man Taro, Jams, Zuckerrohr, Tapioka, Ananas und Tomaten, nud von Hatzfeldhafen, wo man Tabak, Mais und süße Kartoffeln baut. Im Sande des Philippsflnsfes fand man Gold, und es ist gegründete Hoffnung vorhanden, daß es auch an andern Stellen vorkommt. Die klimatischen Ver¬ hältnisse sind im allgemeinen besser, als man nach der äquatorialen Lage des Landes erwarten sollte, doch werden die Europäer an der Küste häufig vom Fieber heimgesucht. Die Eingebornen sind Papuas (Australneger). Sie zeigten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/300>, abgerufen am 05.02.2025.