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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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Die Fortpflanzung elektrischer Kräfte

Leib in die Erde gegangen. Worauf es hier ankommt, das ist der Satz: Ge¬
laden (oder elektrisirt im engern Sinne) ist nur ein Körper, der einen Über¬
schuß der einen Elektrizitätsart enthält. Ein geladener Körper kann nur bestehen,
wenn er durch Nichtleiter von der Erde getrennt ist. Setzt man ihn dnrch
einen Leiter mit der Erde in Verbindung, so verliert sich seine Ladung in
die Erde.

3. Durchströmung. Denselben Messingdraht, von dein bisher die Rede
war, schraube man mit seinen beiden Enden an die Pole einer Telegraphen¬
batterie. Dann zeigt er sich nicht merklich geladen -- er besitzt allerdings eine
eigentümlich verteilte, sehr schwache Ladung, die aber nur mit seinen Mitteln
wcihrgenommeu werden kann, und um die wir uns hier, weil sie keine Er¬
scheinungen nach außen macht, nicht kümmern --, er giebt keine Funken, und
wenn man ihn an einer Stelle mit der Hand berührt, so ändert sich nichts
Wesentliches in seinem Verhalten. Und doch zeigt dies Verhalten in auffallender
Weise, daß in dem Draht etwas Besonderes vorgeht. Er wird vor allen
Dingen warm, kann sogar, wenn er dünn und die Batterie stark ist, glühend
heiß werden. Ein zweiter Draht, der gleichfalls mit den Polen einer Batterie
verbunden ist, wird vom ersten angezogen oder abgestoßen, je nachdem die
Verhältnisse sind. Legt man unsern Draht in Eisenfeilspäne, so schließen sich
diese um ihn zu einem Ringe zusammen und lassen sich als solcher in die
Höhe heben, wickelt man ihn um ein Stück Eisen, so wird dieses magnetisch,
und nähert man ihm einen beweglichen Magneten, so wird dieser im Allgemeinen
gedreht. Es gehen also von dem Draht eigenartige, den magnetischen ver¬
wandte Kräfte aus. Seinen innern Zustand deutet die Physik in folgender
Weise. Dn er nicht geladen ist, enthält er eben so viel negative wie positive
Elektrizitütspuukte. Aber die Kräfte der Batterie strebe" dahin, diese Elek¬
trizitätspunkte zu bewegen. Liegt z. B. der Kupferpol der Batterie am linken,
der Zinkpvl am rechten Ende des Drahts, so schiebt die Batterie alle positiven
Elektrizitätspunkte im Draht fortwährend nach rechts, alle negativen nach links;
die Elektrizität im Draht ist also in Strömung begriffen, und aus dieser
Strömung gehen ihre eigentümlichen Kraftwirknngen hervor. Die Elektrizitäts¬
teilchen bewegen sich im Draht mit einer Art von Reibung; daher kommt
seine Erwärmung. Sie wirken mit Kräften auf andre bewegte Elektrizitäts¬
mengen, daher die Anziehung zweier Drähte; ein Magnet ist ein Körper, der
in jedem Molekül eine kleine kreisförmige Strömung enthält, deshalb wirken
sie auch auf Magnete. Ist die Batterie sehr stark, so kann man den Draht
entzwei schneiden und die beiden Stücke einige Millimeter von einander entfernen,
die elektrische Strömung geht in Gestalt eines stark leuchtenden Bogens über
die Trennungsstelle; das ist das bekannte Vogenlicht, während die Glühlämpchen
nichts anders sind, als dünne Kohlendrähte, die durch die Stromwärme wei߬
glühend werden. Der Zustand des Dnrchströmtseins ist von dem der Ladung


Die Fortpflanzung elektrischer Kräfte

Leib in die Erde gegangen. Worauf es hier ankommt, das ist der Satz: Ge¬
laden (oder elektrisirt im engern Sinne) ist nur ein Körper, der einen Über¬
schuß der einen Elektrizitätsart enthält. Ein geladener Körper kann nur bestehen,
wenn er durch Nichtleiter von der Erde getrennt ist. Setzt man ihn dnrch
einen Leiter mit der Erde in Verbindung, so verliert sich seine Ladung in
die Erde.

3. Durchströmung. Denselben Messingdraht, von dein bisher die Rede
war, schraube man mit seinen beiden Enden an die Pole einer Telegraphen¬
batterie. Dann zeigt er sich nicht merklich geladen — er besitzt allerdings eine
eigentümlich verteilte, sehr schwache Ladung, die aber nur mit seinen Mitteln
wcihrgenommeu werden kann, und um die wir uns hier, weil sie keine Er¬
scheinungen nach außen macht, nicht kümmern —, er giebt keine Funken, und
wenn man ihn an einer Stelle mit der Hand berührt, so ändert sich nichts
Wesentliches in seinem Verhalten. Und doch zeigt dies Verhalten in auffallender
Weise, daß in dem Draht etwas Besonderes vorgeht. Er wird vor allen
Dingen warm, kann sogar, wenn er dünn und die Batterie stark ist, glühend
heiß werden. Ein zweiter Draht, der gleichfalls mit den Polen einer Batterie
verbunden ist, wird vom ersten angezogen oder abgestoßen, je nachdem die
Verhältnisse sind. Legt man unsern Draht in Eisenfeilspäne, so schließen sich
diese um ihn zu einem Ringe zusammen und lassen sich als solcher in die
Höhe heben, wickelt man ihn um ein Stück Eisen, so wird dieses magnetisch,
und nähert man ihm einen beweglichen Magneten, so wird dieser im Allgemeinen
gedreht. Es gehen also von dem Draht eigenartige, den magnetischen ver¬
wandte Kräfte aus. Seinen innern Zustand deutet die Physik in folgender
Weise. Dn er nicht geladen ist, enthält er eben so viel negative wie positive
Elektrizitütspuukte. Aber die Kräfte der Batterie strebe» dahin, diese Elek¬
trizitätspunkte zu bewegen. Liegt z. B. der Kupferpol der Batterie am linken,
der Zinkpvl am rechten Ende des Drahts, so schiebt die Batterie alle positiven
Elektrizitätspunkte im Draht fortwährend nach rechts, alle negativen nach links;
die Elektrizität im Draht ist also in Strömung begriffen, und aus dieser
Strömung gehen ihre eigentümlichen Kraftwirknngen hervor. Die Elektrizitäts¬
teilchen bewegen sich im Draht mit einer Art von Reibung; daher kommt
seine Erwärmung. Sie wirken mit Kräften auf andre bewegte Elektrizitäts¬
mengen, daher die Anziehung zweier Drähte; ein Magnet ist ein Körper, der
in jedem Molekül eine kleine kreisförmige Strömung enthält, deshalb wirken
sie auch auf Magnete. Ist die Batterie sehr stark, so kann man den Draht
entzwei schneiden und die beiden Stücke einige Millimeter von einander entfernen,
die elektrische Strömung geht in Gestalt eines stark leuchtenden Bogens über
die Trennungsstelle; das ist das bekannte Vogenlicht, während die Glühlämpchen
nichts anders sind, als dünne Kohlendrähte, die durch die Stromwärme wei߬
glühend werden. Der Zustand des Dnrchströmtseins ist von dem der Ladung


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[0027] Die Fortpflanzung elektrischer Kräfte Leib in die Erde gegangen. Worauf es hier ankommt, das ist der Satz: Ge¬ laden (oder elektrisirt im engern Sinne) ist nur ein Körper, der einen Über¬ schuß der einen Elektrizitätsart enthält. Ein geladener Körper kann nur bestehen, wenn er durch Nichtleiter von der Erde getrennt ist. Setzt man ihn dnrch einen Leiter mit der Erde in Verbindung, so verliert sich seine Ladung in die Erde. 3. Durchströmung. Denselben Messingdraht, von dein bisher die Rede war, schraube man mit seinen beiden Enden an die Pole einer Telegraphen¬ batterie. Dann zeigt er sich nicht merklich geladen — er besitzt allerdings eine eigentümlich verteilte, sehr schwache Ladung, die aber nur mit seinen Mitteln wcihrgenommeu werden kann, und um die wir uns hier, weil sie keine Er¬ scheinungen nach außen macht, nicht kümmern —, er giebt keine Funken, und wenn man ihn an einer Stelle mit der Hand berührt, so ändert sich nichts Wesentliches in seinem Verhalten. Und doch zeigt dies Verhalten in auffallender Weise, daß in dem Draht etwas Besonderes vorgeht. Er wird vor allen Dingen warm, kann sogar, wenn er dünn und die Batterie stark ist, glühend heiß werden. Ein zweiter Draht, der gleichfalls mit den Polen einer Batterie verbunden ist, wird vom ersten angezogen oder abgestoßen, je nachdem die Verhältnisse sind. Legt man unsern Draht in Eisenfeilspäne, so schließen sich diese um ihn zu einem Ringe zusammen und lassen sich als solcher in die Höhe heben, wickelt man ihn um ein Stück Eisen, so wird dieses magnetisch, und nähert man ihm einen beweglichen Magneten, so wird dieser im Allgemeinen gedreht. Es gehen also von dem Draht eigenartige, den magnetischen ver¬ wandte Kräfte aus. Seinen innern Zustand deutet die Physik in folgender Weise. Dn er nicht geladen ist, enthält er eben so viel negative wie positive Elektrizitütspuukte. Aber die Kräfte der Batterie strebe» dahin, diese Elek¬ trizitätspunkte zu bewegen. Liegt z. B. der Kupferpol der Batterie am linken, der Zinkpvl am rechten Ende des Drahts, so schiebt die Batterie alle positiven Elektrizitätspunkte im Draht fortwährend nach rechts, alle negativen nach links; die Elektrizität im Draht ist also in Strömung begriffen, und aus dieser Strömung gehen ihre eigentümlichen Kraftwirknngen hervor. Die Elektrizitäts¬ teilchen bewegen sich im Draht mit einer Art von Reibung; daher kommt seine Erwärmung. Sie wirken mit Kräften auf andre bewegte Elektrizitäts¬ mengen, daher die Anziehung zweier Drähte; ein Magnet ist ein Körper, der in jedem Molekül eine kleine kreisförmige Strömung enthält, deshalb wirken sie auch auf Magnete. Ist die Batterie sehr stark, so kann man den Draht entzwei schneiden und die beiden Stücke einige Millimeter von einander entfernen, die elektrische Strömung geht in Gestalt eines stark leuchtenden Bogens über die Trennungsstelle; das ist das bekannte Vogenlicht, während die Glühlämpchen nichts anders sind, als dünne Kohlendrähte, die durch die Stromwärme wei߬ glühend werden. Der Zustand des Dnrchströmtseins ist von dem der Ladung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/27>, abgerufen am 05.02.2025.