Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.Aus den Denkwürdigkeiten des Herzogs von Robnrg-Gotha gemacht werden sollte. "Deine Tendenz -- fügte er hinzu -- die Leute auf dem Aus den Denkwürdigkeiten des Herzogs von Robnrg-Gotha gemacht werden sollte. »Deine Tendenz — fügte er hinzu — die Leute auf dem <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0262" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/204993"/> <fw type="header" place="top"> Aus den Denkwürdigkeiten des Herzogs von Robnrg-Gotha</fw><lb/> <p xml:id="ID_670" prev="#ID_669" next="#ID_671"> gemacht werden sollte. »Deine Tendenz — fügte er hinzu — die Leute auf dem<lb/> gesetzlichen Boden zu erhalten, ist ja sehr schön, aber es werden mir eine Reihe<lb/> von Personen genannt, welche zu dieser Absicht wenig passen. Wenn solche<lb/> Leute dabei sind, kann nichts gutes daraus werden.« Unter diesen Umständen<lb/> wäre zunächst nichts unrichtiger gewesen, als dem. Prinz-Regenten eine starke<lb/> Neigung für den Verein zuzuschreiben. Aber man mochte es immerhin als<lb/> glückliche Täuschung betrachten, wen» ein großer Teil der dein Nationalvereine<lb/> beitretenden Mitglieder meinte, die Sache erfreue sich der Billigung Preußens.<lb/> Auch ich war nicht der Ansicht, daß man diesen frommen Wunsch mit rauher<lb/> Hand zerstören dürfe; wohl aber schien es mir durchaus notwendig, daß<lb/> wenigstens der Ausschuß und die leitenden Kreise über die wirkliche Lage der<lb/> Dinge klar und deutlich sähen und dächten. Als sich der Vereinsausschuß<lb/> am 11. Dezember wieder in Koburg versammelte, glaubte ich demselben kein<lb/> Geheimnis daraus machen zu sollen, daß die Rücksicht, welche mau auf die<lb/> Wege der preußischen Negierung in jedem einzelnen Falle nehmen zu müssen<lb/> meinte, gar kein Resultat ergeben werde. Die Stellung der Regierung könnte<lb/> zwar im allgemeinen eine duldsame werden, aber der Ausschuß müßte sich<lb/> bewußt sein, daß er nur getrennt ^doch Wohl nnter der Koburger Fahne><lb/> nurrschiren könne. Ich riet daher dem Nationalvereine eine mehr unabhängige<lb/> Politik an und empfahl demselben, eine Verstärkung nach unten zu suchen ^im<lb/> geraden Gegensatz zu der obigen Äußerung des Prinz-Regenteuj. Schon damals<lb/> wies ich auf die dentschen Turm- und Gesangvereine, zu denen sich alsbald<lb/> Schützen- und Wehrvereine gesellten, hin, mit denen der Natioualverein Füh¬<lb/> lung nehmen und bei welchen er Unterstützung suchen sollte. Hier zeigte sich<lb/> aber, daß einigen Mitgliedern des Ausschusses eine solche Abschwenkllng von<lb/> den rein doktrinären Bahnen nicht zuzumuten war. Umgekehrt aber wurde<lb/> mir von manchen Seiten der Vorwurf gemacht, daß ich besondern Zwecken<lb/> nachginge, minni meine eignen Beziehungen zu den Turm- und Gesangvereinen<lb/> sowie zu den Schützen zu. dem idealeren Programm des Nationalvereins nicht<lb/> zu passen schienen. Ich erinnere mich noch lebhaft einer Konferenz mit den<lb/> Ausschußmitgliedern, welche in meiner eignen Arbeitsstube in Koburg stattfand<lb/> und bei der es fast den Anschein gewann, als wäre in sämtlichen deutschen<lb/> Landen, nichts als Lvhnlitüt und Zufriedenheit und nur ein einziger Mi߬<lb/> vergnügter vorhanden, der zufällig ein regierender Fürst war. Man besprach<lb/> alle möglichen Wege der nationalen Agitation, man verschloß sich keiner<lb/> Eventualität, keiner Gefahr, die dem. Leben des Vereins ein rasches Ende<lb/> bereiten konnte. Dennoch aber wollte niemand ein Mittel wissen, wie man<lb/> bestehen könnte, wenn man sich nicht der preußischen Negierung rücksichtslos<lb/> in die Arme würfe. Ich wendete vergebens ein, daß man von dort in diesem<lb/> Moment und in der Richtung, welche ein volkstümlicher Verein naturgemäß<lb/> verfolgen müßte, keine Förderung zu erwarten hätte, und daß, wenn Preußen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0262]
Aus den Denkwürdigkeiten des Herzogs von Robnrg-Gotha
gemacht werden sollte. »Deine Tendenz — fügte er hinzu — die Leute auf dem
gesetzlichen Boden zu erhalten, ist ja sehr schön, aber es werden mir eine Reihe
von Personen genannt, welche zu dieser Absicht wenig passen. Wenn solche
Leute dabei sind, kann nichts gutes daraus werden.« Unter diesen Umständen
wäre zunächst nichts unrichtiger gewesen, als dem. Prinz-Regenten eine starke
Neigung für den Verein zuzuschreiben. Aber man mochte es immerhin als
glückliche Täuschung betrachten, wen» ein großer Teil der dein Nationalvereine
beitretenden Mitglieder meinte, die Sache erfreue sich der Billigung Preußens.
Auch ich war nicht der Ansicht, daß man diesen frommen Wunsch mit rauher
Hand zerstören dürfe; wohl aber schien es mir durchaus notwendig, daß
wenigstens der Ausschuß und die leitenden Kreise über die wirkliche Lage der
Dinge klar und deutlich sähen und dächten. Als sich der Vereinsausschuß
am 11. Dezember wieder in Koburg versammelte, glaubte ich demselben kein
Geheimnis daraus machen zu sollen, daß die Rücksicht, welche mau auf die
Wege der preußischen Negierung in jedem einzelnen Falle nehmen zu müssen
meinte, gar kein Resultat ergeben werde. Die Stellung der Regierung könnte
zwar im allgemeinen eine duldsame werden, aber der Ausschuß müßte sich
bewußt sein, daß er nur getrennt ^doch Wohl nnter der Koburger Fahne>
nurrschiren könne. Ich riet daher dem Nationalvereine eine mehr unabhängige
Politik an und empfahl demselben, eine Verstärkung nach unten zu suchen ^im
geraden Gegensatz zu der obigen Äußerung des Prinz-Regenteuj. Schon damals
wies ich auf die dentschen Turm- und Gesangvereine, zu denen sich alsbald
Schützen- und Wehrvereine gesellten, hin, mit denen der Natioualverein Füh¬
lung nehmen und bei welchen er Unterstützung suchen sollte. Hier zeigte sich
aber, daß einigen Mitgliedern des Ausschusses eine solche Abschwenkllng von
den rein doktrinären Bahnen nicht zuzumuten war. Umgekehrt aber wurde
mir von manchen Seiten der Vorwurf gemacht, daß ich besondern Zwecken
nachginge, minni meine eignen Beziehungen zu den Turm- und Gesangvereinen
sowie zu den Schützen zu. dem idealeren Programm des Nationalvereins nicht
zu passen schienen. Ich erinnere mich noch lebhaft einer Konferenz mit den
Ausschußmitgliedern, welche in meiner eignen Arbeitsstube in Koburg stattfand
und bei der es fast den Anschein gewann, als wäre in sämtlichen deutschen
Landen, nichts als Lvhnlitüt und Zufriedenheit und nur ein einziger Mi߬
vergnügter vorhanden, der zufällig ein regierender Fürst war. Man besprach
alle möglichen Wege der nationalen Agitation, man verschloß sich keiner
Eventualität, keiner Gefahr, die dem. Leben des Vereins ein rasches Ende
bereiten konnte. Dennoch aber wollte niemand ein Mittel wissen, wie man
bestehen könnte, wenn man sich nicht der preußischen Negierung rücksichtslos
in die Arme würfe. Ich wendete vergebens ein, daß man von dort in diesem
Moment und in der Richtung, welche ein volkstümlicher Verein naturgemäß
verfolgen müßte, keine Förderung zu erwarten hätte, und daß, wenn Preußen
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