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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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fanden Konferenzen von Vertretern verschiedner Richtungen statt, und man fragte
bei mir an, ob der Versuch einer Verschmelzung der Gothaischen und Groß-
deutschen mit etwas veränderten: Gagernschen Programm auf meine Unter¬
stützung zählen könne. Am 17. Juli aber versammelte sich eine namhafte
Anzahl von vorgeschrittenen Männern in Eisenach und zeigte eine starke Wen¬
dung ihrer Ansichten zu Preußen, wodurch es möglich wurde, daran zu denken,
die geteilten Parteien im nationalen Sinne zu einigen." Schon diese Ver¬
sammlung "deutscher Demokraten" verlangte Preußens Initiative, seine diplo¬
matische und militärische Führung und eine deutsche Zentralregierung unter
Preußens Leitung. Dein entsprach eine am 19. Juli von den Führern der
Liberalen in Hannover ansgegangne Erklärung, die es als den natürlichen.
Weg bezeichnete, daß eine der beiden deutschen Großmächte die unaufschiebbare
Reform des Bundes in die Hand nehme. "Österreich ist -- so hieß es in dem
Schriftstück -- dazu außer stände, die Ziele der preußischen Politik aber fallen
mit denen Dentschlands in: wesentlichen zusammen. Die letzten Monate haben
bewiesen, daß es nicht geraten ist, bis zur Stunde der Gefahr zu warten, um
erst bei ausbrechendem Kampfe zu versuchen, ob gemeinsame Beschlüsse der
deutschen Regierungen über ein rasches und energisches Vorgehen zu erreichen
sind." Die Erklärungen der beiden Parteitage von Eisenach und Hannover
fanden so viel Beifall, daß die Führer sich ermutigt sahen, eine zweite Ver¬
sammlung nach Eisenach zu berufen, die am 14. Angust stattfand, und bei
der u. a. Bennigsen, Franz Duncker, Rochall, Schulze-Delitzsch, Unruh, Metz
und aus Sachsen Albrecht, Brockhaus und Siegel erschienen. Der größere
Teil der Versnmmelteu vereinigte sich zu einer Erklärung, die den ersten ein¬
heitlichen Aufruf zum Zusammentritt einer "nationalen Fortschrittspartei" ent¬
hielt, und in der "die Idee eines einigen Dentschlands mit nach anßen kräf¬
tigen, nach innen freien Institutionen ohne Rücksicht auf die vvrerstige Form"
ins Auge gefaßt war. Dann wurde von der ganzen Versammlung beschlossen:
"1. Die Bildung einer deutschen Nntivnnlpartei ans den verschiednen Gruppen
der Liberalen schon jetzt in die Hand zu nehmen. 2. Sie hat sich in Er¬
wägung, daß ihre Zusammensetzung diesen Punkt begünstigt, sofort als gemein¬
schaftlicher Ausschuß für die Vorbereitung dieser Parteibildung konstituirt.
3. Sie hat ferner in dieser Eigenschaft eine anderweitige Ansschußsitzung für
die Zeit des nächsten in Frankfurt lagerten volkswirtschaftlichen Kongresses
(15. und 1V. September) anberaumt und die Mitglieder der Versammlung
ermächtigt, hierzu geneigte und geeignete namhafte Patrioten ans Nord- und
Süddeutschland und aus allen Fraktionen der liberalen Partei einzuladen.
4. Gleichzeitig hat dieselbe einen engern Ausschuß zur Besorgung der laufenden
Geschäfte in den Personen folgen die Namens gewählt." Die erwähnten Ein¬
ladungen ergingen darauf und hatten fehr zahlreiche Veitritte zu dem Verein
zur Folge. Desgleichen ergingen an mehreren Orten, wo man bei der Regie-


fanden Konferenzen von Vertretern verschiedner Richtungen statt, und man fragte
bei mir an, ob der Versuch einer Verschmelzung der Gothaischen und Groß-
deutschen mit etwas veränderten: Gagernschen Programm auf meine Unter¬
stützung zählen könne. Am 17. Juli aber versammelte sich eine namhafte
Anzahl von vorgeschrittenen Männern in Eisenach und zeigte eine starke Wen¬
dung ihrer Ansichten zu Preußen, wodurch es möglich wurde, daran zu denken,
die geteilten Parteien im nationalen Sinne zu einigen." Schon diese Ver¬
sammlung „deutscher Demokraten" verlangte Preußens Initiative, seine diplo¬
matische und militärische Führung und eine deutsche Zentralregierung unter
Preußens Leitung. Dein entsprach eine am 19. Juli von den Führern der
Liberalen in Hannover ansgegangne Erklärung, die es als den natürlichen.
Weg bezeichnete, daß eine der beiden deutschen Großmächte die unaufschiebbare
Reform des Bundes in die Hand nehme. „Österreich ist — so hieß es in dem
Schriftstück — dazu außer stände, die Ziele der preußischen Politik aber fallen
mit denen Dentschlands in: wesentlichen zusammen. Die letzten Monate haben
bewiesen, daß es nicht geraten ist, bis zur Stunde der Gefahr zu warten, um
erst bei ausbrechendem Kampfe zu versuchen, ob gemeinsame Beschlüsse der
deutschen Regierungen über ein rasches und energisches Vorgehen zu erreichen
sind." Die Erklärungen der beiden Parteitage von Eisenach und Hannover
fanden so viel Beifall, daß die Führer sich ermutigt sahen, eine zweite Ver¬
sammlung nach Eisenach zu berufen, die am 14. Angust stattfand, und bei
der u. a. Bennigsen, Franz Duncker, Rochall, Schulze-Delitzsch, Unruh, Metz
und aus Sachsen Albrecht, Brockhaus und Siegel erschienen. Der größere
Teil der Versnmmelteu vereinigte sich zu einer Erklärung, die den ersten ein¬
heitlichen Aufruf zum Zusammentritt einer „nationalen Fortschrittspartei" ent¬
hielt, und in der „die Idee eines einigen Dentschlands mit nach anßen kräf¬
tigen, nach innen freien Institutionen ohne Rücksicht auf die vvrerstige Form"
ins Auge gefaßt war. Dann wurde von der ganzen Versammlung beschlossen:
„1. Die Bildung einer deutschen Nntivnnlpartei ans den verschiednen Gruppen
der Liberalen schon jetzt in die Hand zu nehmen. 2. Sie hat sich in Er¬
wägung, daß ihre Zusammensetzung diesen Punkt begünstigt, sofort als gemein¬
schaftlicher Ausschuß für die Vorbereitung dieser Parteibildung konstituirt.
3. Sie hat ferner in dieser Eigenschaft eine anderweitige Ansschußsitzung für
die Zeit des nächsten in Frankfurt lagerten volkswirtschaftlichen Kongresses
(15. und 1V. September) anberaumt und die Mitglieder der Versammlung
ermächtigt, hierzu geneigte und geeignete namhafte Patrioten ans Nord- und
Süddeutschland und aus allen Fraktionen der liberalen Partei einzuladen.
4. Gleichzeitig hat dieselbe einen engern Ausschuß zur Besorgung der laufenden
Geschäfte in den Personen folgen die Namens gewählt." Die erwähnten Ein¬
ladungen ergingen darauf und hatten fehr zahlreiche Veitritte zu dem Verein
zur Folge. Desgleichen ergingen an mehreren Orten, wo man bei der Regie-


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[0258] fanden Konferenzen von Vertretern verschiedner Richtungen statt, und man fragte bei mir an, ob der Versuch einer Verschmelzung der Gothaischen und Groß- deutschen mit etwas veränderten: Gagernschen Programm auf meine Unter¬ stützung zählen könne. Am 17. Juli aber versammelte sich eine namhafte Anzahl von vorgeschrittenen Männern in Eisenach und zeigte eine starke Wen¬ dung ihrer Ansichten zu Preußen, wodurch es möglich wurde, daran zu denken, die geteilten Parteien im nationalen Sinne zu einigen." Schon diese Ver¬ sammlung „deutscher Demokraten" verlangte Preußens Initiative, seine diplo¬ matische und militärische Führung und eine deutsche Zentralregierung unter Preußens Leitung. Dein entsprach eine am 19. Juli von den Führern der Liberalen in Hannover ansgegangne Erklärung, die es als den natürlichen. Weg bezeichnete, daß eine der beiden deutschen Großmächte die unaufschiebbare Reform des Bundes in die Hand nehme. „Österreich ist — so hieß es in dem Schriftstück — dazu außer stände, die Ziele der preußischen Politik aber fallen mit denen Dentschlands in: wesentlichen zusammen. Die letzten Monate haben bewiesen, daß es nicht geraten ist, bis zur Stunde der Gefahr zu warten, um erst bei ausbrechendem Kampfe zu versuchen, ob gemeinsame Beschlüsse der deutschen Regierungen über ein rasches und energisches Vorgehen zu erreichen sind." Die Erklärungen der beiden Parteitage von Eisenach und Hannover fanden so viel Beifall, daß die Führer sich ermutigt sahen, eine zweite Ver¬ sammlung nach Eisenach zu berufen, die am 14. Angust stattfand, und bei der u. a. Bennigsen, Franz Duncker, Rochall, Schulze-Delitzsch, Unruh, Metz und aus Sachsen Albrecht, Brockhaus und Siegel erschienen. Der größere Teil der Versnmmelteu vereinigte sich zu einer Erklärung, die den ersten ein¬ heitlichen Aufruf zum Zusammentritt einer „nationalen Fortschrittspartei" ent¬ hielt, und in der „die Idee eines einigen Dentschlands mit nach anßen kräf¬ tigen, nach innen freien Institutionen ohne Rücksicht auf die vvrerstige Form" ins Auge gefaßt war. Dann wurde von der ganzen Versammlung beschlossen: „1. Die Bildung einer deutschen Nntivnnlpartei ans den verschiednen Gruppen der Liberalen schon jetzt in die Hand zu nehmen. 2. Sie hat sich in Er¬ wägung, daß ihre Zusammensetzung diesen Punkt begünstigt, sofort als gemein¬ schaftlicher Ausschuß für die Vorbereitung dieser Parteibildung konstituirt. 3. Sie hat ferner in dieser Eigenschaft eine anderweitige Ansschußsitzung für die Zeit des nächsten in Frankfurt lagerten volkswirtschaftlichen Kongresses (15. und 1V. September) anberaumt und die Mitglieder der Versammlung ermächtigt, hierzu geneigte und geeignete namhafte Patrioten ans Nord- und Süddeutschland und aus allen Fraktionen der liberalen Partei einzuladen. 4. Gleichzeitig hat dieselbe einen engern Ausschuß zur Besorgung der laufenden Geschäfte in den Personen folgen die Namens gewählt." Die erwähnten Ein¬ ladungen ergingen darauf und hatten fehr zahlreiche Veitritte zu dem Verein zur Folge. Desgleichen ergingen an mehreren Orten, wo man bei der Regie-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/258>, abgerufen am 05.02.2025.