Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.Akademisches Studium und allgemeine Bildung hören und sich mit den höchsten Problemen des menschlichen Denkens und den Daß unsre Studenten, soweit sie nicht Philologen sind, das auf der Schule Ähnliche Erscheinungen finden wir aber auch auf andern Gebieten. Man Akademisches Studium und allgemeine Bildung hören und sich mit den höchsten Problemen des menschlichen Denkens und den Daß unsre Studenten, soweit sie nicht Philologen sind, das auf der Schule Ähnliche Erscheinungen finden wir aber auch auf andern Gebieten. Man <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0226" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/204957"/> <fw type="header" place="top"> Akademisches Studium und allgemeine Bildung</fw><lb/> <p xml:id="ID_587" prev="#ID_586"> hören und sich mit den höchsten Problemen des menschlichen Denkens und den<lb/> zu ihrer Lösung versuchten Wegen wenigstens übersichtlich bekannt zu machen.<lb/> Mit welchem Eiser sind ehemals philosophische Fragen gerade im Kreise der<lb/> studirenden Jugend erörtert worden! Unser realistisches Zeitalter ist der Philo¬<lb/> sophie abgewandt, und much die akademische Jugend läßt sich mit ihr nur so<lb/> weit ein, als der bescheidene Platz erfordert, der ihr in einzelnen Prüfungen<lb/> noch geblieben ist. Giebt es doch schon philosophische Fakultäten, die die<lb/> Doktorwürde verleihen, ohne daß in dem vorangehenden Rigorosnm die Philo¬<lb/> sophie auch nur gestreift zu werden brauchte! Und doch kauu der Philologe<lb/> so wenig wie der Historiker, der Theologe so wenig wie der Jurist zum vollen<lb/> Verständnis wichtiger Gebiete seines Faches einer philosophischen Bildung eint¬<lb/> raten. Das Gleiche gilt für den Träger der Naturwissenschaften, wenn er<lb/> jemals über die bloße Empirie hinauskommen und sich zu allgemeinen An-<lb/> schauungen erheben will.</p><lb/> <p xml:id="ID_588"> Daß unsre Studenten, soweit sie nicht Philologen sind, das auf der Schule<lb/> begründete Verhältnis zu den klassischen Sprachen meist möglichst bald abbrechen,<lb/> kann ja leider nicht Wunder nehmen, wenn man sieht, wie dies Verhältnis von<lb/> allen möglichen anspruchsvollen Autoritäten als eine unnütze Belastung mit<lb/> toter Vergangenheit verschrieen wird, die am besten ganz abgeschafft werden<lb/> müßte. Da kann das klassische Altertum denn freilich ans den jugendlichen<lb/> Geist nicht die Anziehungskraft ausüben, zu der es berufen ist, und büßt die<lb/> mächtige Einwirkung ein, die es auf die ältern Geschlechter zu deren Segen<lb/> besessen hat. Aber wie mancher auch von den Jüngeren hat nachträglich be¬<lb/> dauernd bekennen müssen, daß er durch diese Abwendung vom Altertum sich<lb/> selbst einer reichen Quelle edelsten geistigen Genusses beraubt habe!</p><lb/> <p xml:id="ID_589" next="#ID_590"> Ähnliche Erscheinungen finden wir aber auch auf andern Gebieten. Man<lb/> sollte meinen, kaum einer von den außerhalb des eigentlichen Fachstndinms<lb/> liegenden Gegenständen müßte so sehr die lebendige Teilnahme der akademischen<lb/> Jugend finden, wie die Geschichte und insbesondre die vaterländische Geschichte.<lb/> Und doch, wie viele sehen wir ihre amtliche Laufbahn beginne», die sie an<lb/> dem Ausbau des preußischen, des dentschen Stantswesens in der einen oder<lb/> andern Weise mitzuwirken beruft, ohne die zu verständnisvollen Mitarbeiten<lb/> auch im kleinern Kreise unentbehrliche Einsicht in die Vergangenheit beider und<lb/> die sich daraus für Gegenwart und Zukunft ergebenden Bedingungen lind<lb/> Möglichkeiten! Auch auf die Entwicklung des politischen Urteils wirkt das<lb/> nachteilig eim ohne Keniitnis von der Entstehung der gegenwärtig gegebenen<lb/> Verhältnisse wird man gerade damit immer in Abhängigkeit von andern geraten.<lb/> Ich meine, der Jurist, der Verwaltungsbeamte, der Lehrer, der Geistliche müßte<lb/> verpflichtet sein, ein bestimmtes, nicht zu niedrig gegriffenes Maß von Kennt-<lb/> nissen ni der preußischen und dentschen Geschichte nachzuweisen. Für die<lb/> Geistlichen hat ja eine solche Einrichtung in dem inzwischen wieder aufgehobenen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0226]
Akademisches Studium und allgemeine Bildung
hören und sich mit den höchsten Problemen des menschlichen Denkens und den
zu ihrer Lösung versuchten Wegen wenigstens übersichtlich bekannt zu machen.
Mit welchem Eiser sind ehemals philosophische Fragen gerade im Kreise der
studirenden Jugend erörtert worden! Unser realistisches Zeitalter ist der Philo¬
sophie abgewandt, und much die akademische Jugend läßt sich mit ihr nur so
weit ein, als der bescheidene Platz erfordert, der ihr in einzelnen Prüfungen
noch geblieben ist. Giebt es doch schon philosophische Fakultäten, die die
Doktorwürde verleihen, ohne daß in dem vorangehenden Rigorosnm die Philo¬
sophie auch nur gestreift zu werden brauchte! Und doch kauu der Philologe
so wenig wie der Historiker, der Theologe so wenig wie der Jurist zum vollen
Verständnis wichtiger Gebiete seines Faches einer philosophischen Bildung eint¬
raten. Das Gleiche gilt für den Träger der Naturwissenschaften, wenn er
jemals über die bloße Empirie hinauskommen und sich zu allgemeinen An-
schauungen erheben will.
Daß unsre Studenten, soweit sie nicht Philologen sind, das auf der Schule
begründete Verhältnis zu den klassischen Sprachen meist möglichst bald abbrechen,
kann ja leider nicht Wunder nehmen, wenn man sieht, wie dies Verhältnis von
allen möglichen anspruchsvollen Autoritäten als eine unnütze Belastung mit
toter Vergangenheit verschrieen wird, die am besten ganz abgeschafft werden
müßte. Da kann das klassische Altertum denn freilich ans den jugendlichen
Geist nicht die Anziehungskraft ausüben, zu der es berufen ist, und büßt die
mächtige Einwirkung ein, die es auf die ältern Geschlechter zu deren Segen
besessen hat. Aber wie mancher auch von den Jüngeren hat nachträglich be¬
dauernd bekennen müssen, daß er durch diese Abwendung vom Altertum sich
selbst einer reichen Quelle edelsten geistigen Genusses beraubt habe!
Ähnliche Erscheinungen finden wir aber auch auf andern Gebieten. Man
sollte meinen, kaum einer von den außerhalb des eigentlichen Fachstndinms
liegenden Gegenständen müßte so sehr die lebendige Teilnahme der akademischen
Jugend finden, wie die Geschichte und insbesondre die vaterländische Geschichte.
Und doch, wie viele sehen wir ihre amtliche Laufbahn beginne», die sie an
dem Ausbau des preußischen, des dentschen Stantswesens in der einen oder
andern Weise mitzuwirken beruft, ohne die zu verständnisvollen Mitarbeiten
auch im kleinern Kreise unentbehrliche Einsicht in die Vergangenheit beider und
die sich daraus für Gegenwart und Zukunft ergebenden Bedingungen lind
Möglichkeiten! Auch auf die Entwicklung des politischen Urteils wirkt das
nachteilig eim ohne Keniitnis von der Entstehung der gegenwärtig gegebenen
Verhältnisse wird man gerade damit immer in Abhängigkeit von andern geraten.
Ich meine, der Jurist, der Verwaltungsbeamte, der Lehrer, der Geistliche müßte
verpflichtet sein, ein bestimmtes, nicht zu niedrig gegriffenes Maß von Kennt-
nissen ni der preußischen und dentschen Geschichte nachzuweisen. Für die
Geistlichen hat ja eine solche Einrichtung in dem inzwischen wieder aufgehobenen
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