Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.Zur Bekämpfung der Trunksucht feststellen, ehe er ihm Getränk, und sei es nnr Branntwein, abgeben darf? Als ein weiteres Mittel gegen Trunkenbolde wird die Einführung einer Zur Bekämpfung der Trunksucht feststellen, ehe er ihm Getränk, und sei es nnr Branntwein, abgeben darf? Als ein weiteres Mittel gegen Trunkenbolde wird die Einführung einer <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0124" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/204855"/> <fw type="header" place="top"> Zur Bekämpfung der Trunksucht</fw><lb/> <p xml:id="ID_303" prev="#ID_302"> feststellen, ehe er ihm Getränk, und sei es nnr Branntwein, abgeben darf?<lb/> Kann er solchen Personen gegenüber überhaupt die Abgabe von Getränken<lb/> oder auch nur von Branntwein verweigern ? Ich glaube, diese Beispiele allein<lb/> genügen, um die lluhattbarkeit so weit gehender Maßnahmen darzuthun. Die<lb/> Praxis hat daher derartige Verbote auf ein geringeres Alter beschränkt, und<lb/> es empfiehlt sich, als Grenze das Alter von sechzehn Jahren festzusetzen, das<lb/> anch z. B. als Grenze beim Verbot des Verkaufs von Sprengstoffen an<lb/> jugendliche Personen bestimmt ist; achtzehn Jahre scheint mir schon zu hoch<lb/> gegriffen, wenn auch verschiedentlich dies Alter als Greuze beliebt worden, ist.<lb/> Das Verbot der Abgabe von Getränken an Armenhäusler oder deren Angehörige<lb/> erscheint, wenigstens für alle nicht gerade ganz kleinen Orte, undurchführbar,<lb/> da diese Personen zu wenig bekannt sein werden; selbst für ländliche Bezirke<lb/> scheint es mir zu weit zu gehen, da sich solche Personen nnr in eine benach¬<lb/> barte Gemeinde zu begeben brauchen, um dort- nicht als Armenhäusler oder<lb/> gar als Angehörige eines solchen zu gelten. Man kann gegen die hier ver¬<lb/> tretene Ansicht das Bedenken erheben, es werde dem Wirt zu viel zugemutet,<lb/> wenn er auch für die Abgabe von Getränken durch dritte Personen (nicht dnrch<lb/> seinen Geschäftsgehilfcn, für den er selbstverständlich einstehen muß) verant¬<lb/> wortlich gemacht werden solle; dies Bedenken ist aber unbegründet, da man<lb/> den Wirt selbstverständlich nur dann für strafbar erklären kann, wenn er sich<lb/> an der Abgabe von Getränken an Personen, an die solche nicht abgegeben<lb/> werden dürfen, irgendwie beteiligt hat, indem er z. B. eine dritte Person anstiftete,<lb/> das Getränk um eine solche Person abzugeben, oder indem er das Getränk<lb/> verabfolgte, obgleich er wußte, daß es für eine solche Person bestimmt war;<lb/> im übrigen wird ihn bezüglich der Handlungen dritter niemand für haftbar<lb/> betrachten wollen. Man kann anch einwenden, es sei ein zu großer Eingriff<lb/> in die persönliche Freiheit, wenn Eltern nunmehr ihre Kinder nicht mehr in<lb/> einen Laden schicken könnten, um Vier oder Schnaps zu holen. Ich räume<lb/> gern ein, daß dadurch manche Bequemlichkeit gestört wird, aber diese Störung<lb/> steht in keinem Verhältnis zu dem Vorteil. Trinken die Eltern weniger, weil<lb/> ihnen die Beschaffung der Getränke schwieriger wird, so sehe ich darin keinen<lb/> Nachteil. Aber es wird anch mancher Mann (und, wohl kann ich dies sagen,<lb/> auch manche Frau) abgehalten, zu trinken, die sich noch schämen, ins Wirts¬<lb/> haus zu gehen oder selbst das Getränk zu holen, aber kein Bedenken tragen,<lb/> durch ihre Kinder das Getränk holen zu lassen, und dann zu Haus in der<lb/> Stille sich dem Trunke ergeben. Sodann aber ist für unsre Jugend schlecht<lb/> gesorgt, wenn sie zwar in einer Wirtschaft nicht bedient werden darf, zum<lb/> Trunk außerhalb der Wirtschaft sich aber alles holen kann.</p><lb/> <p xml:id="ID_304" next="#ID_305"> Als ein weiteres Mittel gegen Trunkenbolde wird die Einführung einer<lb/> Vormundschaft wegen Trunksucht und das Recht, Gewohnheitstrinker in eine<lb/> Heilanstalt für Trinker zu bringen, vorgeschlagen. Gegen beides dürfte ernstlich</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0124]
Zur Bekämpfung der Trunksucht
feststellen, ehe er ihm Getränk, und sei es nnr Branntwein, abgeben darf?
Kann er solchen Personen gegenüber überhaupt die Abgabe von Getränken
oder auch nur von Branntwein verweigern ? Ich glaube, diese Beispiele allein
genügen, um die lluhattbarkeit so weit gehender Maßnahmen darzuthun. Die
Praxis hat daher derartige Verbote auf ein geringeres Alter beschränkt, und
es empfiehlt sich, als Grenze das Alter von sechzehn Jahren festzusetzen, das
anch z. B. als Grenze beim Verbot des Verkaufs von Sprengstoffen an
jugendliche Personen bestimmt ist; achtzehn Jahre scheint mir schon zu hoch
gegriffen, wenn auch verschiedentlich dies Alter als Greuze beliebt worden, ist.
Das Verbot der Abgabe von Getränken an Armenhäusler oder deren Angehörige
erscheint, wenigstens für alle nicht gerade ganz kleinen Orte, undurchführbar,
da diese Personen zu wenig bekannt sein werden; selbst für ländliche Bezirke
scheint es mir zu weit zu gehen, da sich solche Personen nnr in eine benach¬
barte Gemeinde zu begeben brauchen, um dort- nicht als Armenhäusler oder
gar als Angehörige eines solchen zu gelten. Man kann gegen die hier ver¬
tretene Ansicht das Bedenken erheben, es werde dem Wirt zu viel zugemutet,
wenn er auch für die Abgabe von Getränken durch dritte Personen (nicht dnrch
seinen Geschäftsgehilfcn, für den er selbstverständlich einstehen muß) verant¬
wortlich gemacht werden solle; dies Bedenken ist aber unbegründet, da man
den Wirt selbstverständlich nur dann für strafbar erklären kann, wenn er sich
an der Abgabe von Getränken an Personen, an die solche nicht abgegeben
werden dürfen, irgendwie beteiligt hat, indem er z. B. eine dritte Person anstiftete,
das Getränk um eine solche Person abzugeben, oder indem er das Getränk
verabfolgte, obgleich er wußte, daß es für eine solche Person bestimmt war;
im übrigen wird ihn bezüglich der Handlungen dritter niemand für haftbar
betrachten wollen. Man kann anch einwenden, es sei ein zu großer Eingriff
in die persönliche Freiheit, wenn Eltern nunmehr ihre Kinder nicht mehr in
einen Laden schicken könnten, um Vier oder Schnaps zu holen. Ich räume
gern ein, daß dadurch manche Bequemlichkeit gestört wird, aber diese Störung
steht in keinem Verhältnis zu dem Vorteil. Trinken die Eltern weniger, weil
ihnen die Beschaffung der Getränke schwieriger wird, so sehe ich darin keinen
Nachteil. Aber es wird anch mancher Mann (und, wohl kann ich dies sagen,
auch manche Frau) abgehalten, zu trinken, die sich noch schämen, ins Wirts¬
haus zu gehen oder selbst das Getränk zu holen, aber kein Bedenken tragen,
durch ihre Kinder das Getränk holen zu lassen, und dann zu Haus in der
Stille sich dem Trunke ergeben. Sodann aber ist für unsre Jugend schlecht
gesorgt, wenn sie zwar in einer Wirtschaft nicht bedient werden darf, zum
Trunk außerhalb der Wirtschaft sich aber alles holen kann.
Als ein weiteres Mittel gegen Trunkenbolde wird die Einführung einer
Vormundschaft wegen Trunksucht und das Recht, Gewohnheitstrinker in eine
Heilanstalt für Trinker zu bringen, vorgeschlagen. Gegen beides dürfte ernstlich
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |