Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.Zur Bekämpfung der Trunksucht mindestens aber Schulden für genossene Spirituosen nicht einklagbar sind. Die Frage der Kvnzessiousentziehuug wegen Beförderung der Trunksucht Ein andres noch hierher zu rechnendes Mittel zur Bekämpfung des Manche Pvlizeivervrdnungen verlangen das Schließen der Wirtschaften Zur Bekämpfung der Trunksucht mindestens aber Schulden für genossene Spirituosen nicht einklagbar sind. Die Frage der Kvnzessiousentziehuug wegen Beförderung der Trunksucht Ein andres noch hierher zu rechnendes Mittel zur Bekämpfung des Manche Pvlizeivervrdnungen verlangen das Schließen der Wirtschaften <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0122" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/204853"/> <fw type="header" place="top"> Zur Bekämpfung der Trunksucht</fw><lb/> <p xml:id="ID_297" prev="#ID_296"> mindestens aber Schulden für genossene Spirituosen nicht einklagbar sind.<lb/> Überhaupt verbieten zu wollen, spirituösen oder sonstige Getränke auf Kredit<lb/> zu geben, geht doch zu weit; denn wenn einmal ein ganz nüchterner, zahlungs¬<lb/> fähiger Mann sei neu Geldbeutel vergessen oder verloren hat, so braucht er<lb/> doch deshalb nicht den Wirken gegenüber in Acht und Bann erklärt zu werden.<lb/> Weiß aber der Wirt, daß er wegen der eingegangenen Trinkschuld nicht klagen<lb/> kann, so wird er sich seinen Mann ansehen und genau überlegen, ob er auf<lb/> freiwillige Zahlung rechnen darf oder nicht, und im letztern Falle wurde er<lb/> keinen Kredit gewähren; dies muß aber selbstverständlich nicht für Branntwein-<lb/> schulden allein, sondern überhaupt sür Trinkschulden festgesetzt werde». Ob<lb/> die Getränke sofort im Verkaufslokal genossen oder zum Genuß mitgenommen<lb/> worden sind, würde man für gleichgiltig halten können; das aber muß stets im<lb/> Auge behalten werden, daß es sich bei solchen Bestimmungen nur um Schulden<lb/> für Getränke handeln darf, die zum baldigen Trinken im einzelnen entnommen<lb/> worden sind, nicht um Schulden für Getränke überhaupt, wie z. B. ein Kistchen<lb/> Rum, ein Faß Vier, eine Sendung Wein, die man sich zum allmählichen<lb/> Verbrauch ins Hans nimmt. Anderseits wird man das Verbot der Klagbarkeit<lb/> nicht blos; auf die einfache Trinkschuld, sondern auch auf eine durch Abrechnung<lb/> oder Vertrag in ein anderweitiges Schuldverhältnis umgewandelte Forderung<lb/> für borgweise verabfolgte Getränke beziehen müssen.</p><lb/> <p xml:id="ID_298"> Die Frage der Kvnzessiousentziehuug wegen Beförderung der Trunksucht<lb/> ist in der Reichsgewerbeordnung zur Genüge geregelt.</p><lb/> <p xml:id="ID_299"> Ein andres noch hierher zu rechnendes Mittel zur Bekämpfung des<lb/> Mißbrauchs geistiger Getränke ist die Errichtung von sogenannten Kaffee¬<lb/> schenken nach norwegischen Muster, d. h. von Schenken, in denen alles anßer<lb/> alkoholhaltigen Getränken verabfolgt wird. In Norwegen hat man mit dieser<lb/> Einrichtung gute Erfahrungen gemacht, bei uns bewähren sie sich nur, wenn,<lb/> wie bei den Herbergen zur Heimat, ein besondrer Reiz durch die billige Be¬<lb/> herbergung geboten wird, oder wenn die Schenke durch besonders günstige Lage<lb/> inmitten eines auf sie angewiesenen Publikums, z. V. an einem Marktplatz<lb/> während der Marktstunden, als Kantine innerhalb einer Fabrik auf das be¬<lb/> teiligte Publikum Einfluß ausüben kann. Man darf sich daher von solchen<lb/> Kaffeeschenken, deren Errichtung ja an sich ganz löblich ist, nicht zu viel ver¬<lb/> sprechen, wenn nicht besondre andre Umstände zu ihrer Hebung mitwirken.</p><lb/> <p xml:id="ID_300" next="#ID_301"> Manche Pvlizeivervrdnungen verlangen das Schließen der Wirtschaften<lb/> und Spirituosengeschäfte bei Bränden .und andern ähnlichen öffentlichen Unglücks¬<lb/> fällen innerhalb eines gewissen Umkreises vom Vrandplatze oder von Platze<lb/> des sonstigen Unglücksfalles. Es ist ja richtig, daß bei solchen Gelegenheiten<lb/> oft mehr getrunken wird, als nötig ist, und hierdurch Störungen bei der Be¬<lb/> kämpfung der entfesselten Elemente eintreten. Man wird aber in solche» Fällen<lb/> dein Trunk besser steuern durch Beschaffung einer gut disziplinirtcn Feuerwehr</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0122]
Zur Bekämpfung der Trunksucht
mindestens aber Schulden für genossene Spirituosen nicht einklagbar sind.
Überhaupt verbieten zu wollen, spirituösen oder sonstige Getränke auf Kredit
zu geben, geht doch zu weit; denn wenn einmal ein ganz nüchterner, zahlungs¬
fähiger Mann sei neu Geldbeutel vergessen oder verloren hat, so braucht er
doch deshalb nicht den Wirken gegenüber in Acht und Bann erklärt zu werden.
Weiß aber der Wirt, daß er wegen der eingegangenen Trinkschuld nicht klagen
kann, so wird er sich seinen Mann ansehen und genau überlegen, ob er auf
freiwillige Zahlung rechnen darf oder nicht, und im letztern Falle wurde er
keinen Kredit gewähren; dies muß aber selbstverständlich nicht für Branntwein-
schulden allein, sondern überhaupt sür Trinkschulden festgesetzt werde». Ob
die Getränke sofort im Verkaufslokal genossen oder zum Genuß mitgenommen
worden sind, würde man für gleichgiltig halten können; das aber muß stets im
Auge behalten werden, daß es sich bei solchen Bestimmungen nur um Schulden
für Getränke handeln darf, die zum baldigen Trinken im einzelnen entnommen
worden sind, nicht um Schulden für Getränke überhaupt, wie z. B. ein Kistchen
Rum, ein Faß Vier, eine Sendung Wein, die man sich zum allmählichen
Verbrauch ins Hans nimmt. Anderseits wird man das Verbot der Klagbarkeit
nicht blos; auf die einfache Trinkschuld, sondern auch auf eine durch Abrechnung
oder Vertrag in ein anderweitiges Schuldverhältnis umgewandelte Forderung
für borgweise verabfolgte Getränke beziehen müssen.
Die Frage der Kvnzessiousentziehuug wegen Beförderung der Trunksucht
ist in der Reichsgewerbeordnung zur Genüge geregelt.
Ein andres noch hierher zu rechnendes Mittel zur Bekämpfung des
Mißbrauchs geistiger Getränke ist die Errichtung von sogenannten Kaffee¬
schenken nach norwegischen Muster, d. h. von Schenken, in denen alles anßer
alkoholhaltigen Getränken verabfolgt wird. In Norwegen hat man mit dieser
Einrichtung gute Erfahrungen gemacht, bei uns bewähren sie sich nur, wenn,
wie bei den Herbergen zur Heimat, ein besondrer Reiz durch die billige Be¬
herbergung geboten wird, oder wenn die Schenke durch besonders günstige Lage
inmitten eines auf sie angewiesenen Publikums, z. V. an einem Marktplatz
während der Marktstunden, als Kantine innerhalb einer Fabrik auf das be¬
teiligte Publikum Einfluß ausüben kann. Man darf sich daher von solchen
Kaffeeschenken, deren Errichtung ja an sich ganz löblich ist, nicht zu viel ver¬
sprechen, wenn nicht besondre andre Umstände zu ihrer Hebung mitwirken.
Manche Pvlizeivervrdnungen verlangen das Schließen der Wirtschaften
und Spirituosengeschäfte bei Bränden .und andern ähnlichen öffentlichen Unglücks¬
fällen innerhalb eines gewissen Umkreises vom Vrandplatze oder von Platze
des sonstigen Unglücksfalles. Es ist ja richtig, daß bei solchen Gelegenheiten
oft mehr getrunken wird, als nötig ist, und hierdurch Störungen bei der Be¬
kämpfung der entfesselten Elemente eintreten. Man wird aber in solche» Fällen
dein Trunk besser steuern durch Beschaffung einer gut disziplinirtcn Feuerwehr
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |