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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

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Das pariser Kegelschieben

venit sollen wir das Leben und Treiben des französischen Parla¬
mentarismus vergleichen? So fragten wir uus, als mit dein
radikalen Ministerium Floquet wieder einmal eine Pariser
Regierung einer andern ihren Platz einräumte. Mit einem
rasch bewegten Schattenspiele nicht, dazu ist die Sache in
doppeltem Sinne zu bunt. Mit einem Totentanze ohne Aufhören anch nicht
und ebensowenig mit einem Gott oder einem Tiere, die ihre Kinder bald nach
der Geburt verschlingen; denn der Totentanz, der Saturn und die unnatürliche
Gefräßigkeit des Löweuvaters sind alle schon zum Vergleiche verbraucht, und
man will ein andres Bild. Da bietet sich uns denn eine Kegelbahn um, die
""t ihren neun Kegeln und ihrem Kegclpapa recht hübsch zu den in Frank¬
reich üblichen neun Ministern und ihrem Premier zu stimmen scheint. Die
Mitglieder der jeweiligen Opposition sind die Spieler, ihre Kugeln sind An¬
träge, die von der Negierung, wie sie wissen, schlechterdings nicht angenommen
werden können. Sie werden trotzdem aufgesetzt und ins Rollen gebracht, und
das Ergebnis ist immer "alle Neune," Dann stellt der Präsident der Republik
' - es thut uus leid, ihm die Aufgabe des Kcgeljungen zugewiesen zu sehen --
die umgefallenen Kegel säuberlich wieder ans, und das Spiel kann fortgesetzt
werden, mit Grazie in innniwm. Daß die parlamentarischen Kegelbruder es ein¬
mal satt bekommen, ist nicht zu erwarten; denn sie leben hauptsächlich dafür und
davon, es ist ihr natürliches Element, sie wissen und können nichts Geschcidteres.
Aber daß das französische Volk sie und ihr langweiliges und nutzloses Treiben
noch nicht satt bekommen und ihren Kegelschub abgebrannt oder sonst wie der
Erde gleich gemacht hat, nimmt billig Wunder. Vielleicht sind die Erfolge
der Boulangerei ein Anfang dazu. Nur ist der eitle, selbstsüchtige Streber,
um den sie sich dreht, schwerlich der Mann, der an die Stelle des Kegelschubs,


Grmzbowl I 188N 56


Das pariser Kegelschieben

venit sollen wir das Leben und Treiben des französischen Parla¬
mentarismus vergleichen? So fragten wir uus, als mit dein
radikalen Ministerium Floquet wieder einmal eine Pariser
Regierung einer andern ihren Platz einräumte. Mit einem
rasch bewegten Schattenspiele nicht, dazu ist die Sache in
doppeltem Sinne zu bunt. Mit einem Totentanze ohne Aufhören anch nicht
und ebensowenig mit einem Gott oder einem Tiere, die ihre Kinder bald nach
der Geburt verschlingen; denn der Totentanz, der Saturn und die unnatürliche
Gefräßigkeit des Löweuvaters sind alle schon zum Vergleiche verbraucht, und
man will ein andres Bild. Da bietet sich uns denn eine Kegelbahn um, die
""t ihren neun Kegeln und ihrem Kegclpapa recht hübsch zu den in Frank¬
reich üblichen neun Ministern und ihrem Premier zu stimmen scheint. Die
Mitglieder der jeweiligen Opposition sind die Spieler, ihre Kugeln sind An¬
träge, die von der Negierung, wie sie wissen, schlechterdings nicht angenommen
werden können. Sie werden trotzdem aufgesetzt und ins Rollen gebracht, und
das Ergebnis ist immer „alle Neune," Dann stellt der Präsident der Republik
' - es thut uus leid, ihm die Aufgabe des Kcgeljungen zugewiesen zu sehen —
die umgefallenen Kegel säuberlich wieder ans, und das Spiel kann fortgesetzt
werden, mit Grazie in innniwm. Daß die parlamentarischen Kegelbruder es ein¬
mal satt bekommen, ist nicht zu erwarten; denn sie leben hauptsächlich dafür und
davon, es ist ihr natürliches Element, sie wissen und können nichts Geschcidteres.
Aber daß das französische Volk sie und ihr langweiliges und nutzloses Treiben
noch nicht satt bekommen und ihren Kegelschub abgebrannt oder sonst wie der
Erde gleich gemacht hat, nimmt billig Wunder. Vielleicht sind die Erfolge
der Boulangerei ein Anfang dazu. Nur ist der eitle, selbstsüchtige Streber,
um den sie sich dreht, schwerlich der Mann, der an die Stelle des Kegelschubs,


Grmzbowl I 188N 56
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[0449] [Abbildung] Das pariser Kegelschieben venit sollen wir das Leben und Treiben des französischen Parla¬ mentarismus vergleichen? So fragten wir uus, als mit dein radikalen Ministerium Floquet wieder einmal eine Pariser Regierung einer andern ihren Platz einräumte. Mit einem rasch bewegten Schattenspiele nicht, dazu ist die Sache in doppeltem Sinne zu bunt. Mit einem Totentanze ohne Aufhören anch nicht und ebensowenig mit einem Gott oder einem Tiere, die ihre Kinder bald nach der Geburt verschlingen; denn der Totentanz, der Saturn und die unnatürliche Gefräßigkeit des Löweuvaters sind alle schon zum Vergleiche verbraucht, und man will ein andres Bild. Da bietet sich uns denn eine Kegelbahn um, die ""t ihren neun Kegeln und ihrem Kegclpapa recht hübsch zu den in Frank¬ reich üblichen neun Ministern und ihrem Premier zu stimmen scheint. Die Mitglieder der jeweiligen Opposition sind die Spieler, ihre Kugeln sind An¬ träge, die von der Negierung, wie sie wissen, schlechterdings nicht angenommen werden können. Sie werden trotzdem aufgesetzt und ins Rollen gebracht, und das Ergebnis ist immer „alle Neune," Dann stellt der Präsident der Republik ' - es thut uus leid, ihm die Aufgabe des Kcgeljungen zugewiesen zu sehen — die umgefallenen Kegel säuberlich wieder ans, und das Spiel kann fortgesetzt werden, mit Grazie in innniwm. Daß die parlamentarischen Kegelbruder es ein¬ mal satt bekommen, ist nicht zu erwarten; denn sie leben hauptsächlich dafür und davon, es ist ihr natürliches Element, sie wissen und können nichts Geschcidteres. Aber daß das französische Volk sie und ihr langweiliges und nutzloses Treiben noch nicht satt bekommen und ihren Kegelschub abgebrannt oder sonst wie der Erde gleich gemacht hat, nimmt billig Wunder. Vielleicht sind die Erfolge der Boulangerei ein Anfang dazu. Nur ist der eitle, selbstsüchtige Streber, um den sie sich dreht, schwerlich der Mann, der an die Stelle des Kegelschubs, Grmzbowl I 188N 56

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/449>, abgerufen am 29.06.2024.