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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

nur in der Kritik des Ottokar und Bankbau ist sein Urteil entschieden anders, für
den Dichter günstiger, und mit Recht. Volkelt macht aber auch zahlreiche neue
Beobachtungen und fügt die Hauptzüge der merkwürdigen Natur Grillparzers zu
einem Organismus zusammen. Er weist zunächst zwei verschiedene tragische Typen
in der dramatischen Kunst und bei Grillparzer insbesondre nach: individuelle Tragik
und allgemein-menschliche Tragik. Zur erstern gehören Tragödien wie "Ottokar,"
"Bankban," die "Ahnfrau," "Kaiser Rudolf;" zur andern "Sappho," "Medea."
"Hero." Sodann weist Volkelt auf die Enge und Weite der Grillparzerschen Dichter^
Phantasie hiu. Grillparzers besondre Eigentümlichkeit ist, kühne Zusammensetzungen
sowohl in den Charakteren selbst, als in der Zusammenstellung der Figuren in seinen
Dramen zu wagen. Wie kühn z. B. ist es, einen so leicht komisch wirkenden Pe¬
danten wie Vcmkban, den treuen Diener seines Herrn, zum tragischen Helden zu
machen! Wie kühn ist die Synthese im Charakter der übermütigen, launischen,
koketten, ewig wandelbaren und doch so natürlichen, anmutig fesselnden Rahel, der
Jüdin von Toledo! Wie kühn ist die Episode Don Cäsars im "Bruderzwist," oder
die Liebesgeschichte Kuuiguudeus mit Zawisch im "Ottokar"! Welche Weite derPhau-
taste bekundet Grillparzer im "Goldner Vließ," wo die Gegensätze von Kultur und
Barbarentum das tragische Element bilden! Wie weit ist der Gesichtskreis des
Dichters der "Sappho," die, ähnlich wie "Tasso," die Tragik des Dichtens vor
Angen stellt. In der Heldin steht die höchste Bildung der naiven Natur Phaons
und Melittas gegenüber. Das ist die Weite der Grillparzerschen Phantasie. Ihre
Enge aber besteht darin, daß sie mitten in so großartigen Gegensätzen wie der
Kultur und Barbarei im "Goldner Vließ" doch nur private Charaktereigenschaften
der Helden den Ausschlag geben läßt. Auf die Höhe der Weltgeschichte führt die
Handlung des "Otiokar"; aber sie kann sich nicht darauf halten. Für die kultur¬
geschichtliche" Mächte hatte Grillparzer künstlerisch und theoretisch keinen Sinn,
und das hängt mit seinem Privatcharakter zusammen, von dem auch die ganze
Auffassung der Tragik herzuleiten ist. Sie stimmt, nach Volkelts geistvollen Nach¬
weis, in merkwürdiger Weise mit jener tragischen Theorie überein, die der Pessimist
Schopenhauer aufgestellt hat. Grillparzers Tragödien entlassen uns nicht immer mit
dem befriedigenden Gefühl des selbst im Untergange des Einzelnen gesicherten Sieges
des Rechtes, des Guten, der Freiheit; nur "Hero," "Sappho" stimmen so rein; der
"Bruderzwist" führt uns gerade das Gegenteil vor Augen; wenig erhebend ist der
Schluß der "Medea," auch der "Treue Diener" schließt nicht mit reinen Gefühlen.
Grillparzer war überhaupt pessimistisch gestimmt: der Gerechte besteht nicht immer
siegreich den Kampf mit der Welt. Mit dieser ethischen Grundanschauung hängt
nach Volkelts Darlegung eine andre Eigentümlichkeit seiner Kunst zusammen. Mit
Vorliebe stellt sie den Typus einer den Ansprüchen der Welt, des praktischen Lebens
nicht gewachsenen Innerlichkeit dar: Sappho, Spielmann, Kaiser Rudolf, Medea u. f. f.
Hier weist Volkelt auf das Grillparzer eigentümlichste tragische Problem hin;
solch ein Charakter ist im tragischen Konflikt höchster Art eigentlich ohne Schuld,
er ist tragisch bloß durch seine Existenz; er ist den gerechten Ansprüchen der Welt an
ihn nicht gewachsen, wie etwa Hamlet. Und dieses höchste tragische Bild bietet uns
Grillparzers eigne Persönlichkeit. Die hochgradige Feinfühligkeit, die leicht und mächtig
erregbare Phantasie, die ihn künstlerisch so hoch stellten, gediehen ihm praktisch
zum Unheil, denn er konnte die Kunst nicht kommandiren, er mußte auf die In¬
spiration warten, ohne die er sich so klein dünkte wie jeder andre gemeine Mann.
Er fiel durch eine unselige Verkettung der Verhältnisse jahrelang in tiefe Schwer¬
mut. Seine künstlerisch idealisirende Phantasie machte ihn unfähig, auf die Dauer


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Maßgebliches und Unmaßgebliches

nur in der Kritik des Ottokar und Bankbau ist sein Urteil entschieden anders, für
den Dichter günstiger, und mit Recht. Volkelt macht aber auch zahlreiche neue
Beobachtungen und fügt die Hauptzüge der merkwürdigen Natur Grillparzers zu
einem Organismus zusammen. Er weist zunächst zwei verschiedene tragische Typen
in der dramatischen Kunst und bei Grillparzer insbesondre nach: individuelle Tragik
und allgemein-menschliche Tragik. Zur erstern gehören Tragödien wie „Ottokar,"
„Bankban," die „Ahnfrau," „Kaiser Rudolf;" zur andern „Sappho," „Medea."
„Hero." Sodann weist Volkelt auf die Enge und Weite der Grillparzerschen Dichter^
Phantasie hiu. Grillparzers besondre Eigentümlichkeit ist, kühne Zusammensetzungen
sowohl in den Charakteren selbst, als in der Zusammenstellung der Figuren in seinen
Dramen zu wagen. Wie kühn z. B. ist es, einen so leicht komisch wirkenden Pe¬
danten wie Vcmkban, den treuen Diener seines Herrn, zum tragischen Helden zu
machen! Wie kühn ist die Synthese im Charakter der übermütigen, launischen,
koketten, ewig wandelbaren und doch so natürlichen, anmutig fesselnden Rahel, der
Jüdin von Toledo! Wie kühn ist die Episode Don Cäsars im „Bruderzwist," oder
die Liebesgeschichte Kuuiguudeus mit Zawisch im „Ottokar"! Welche Weite derPhau-
taste bekundet Grillparzer im „Goldner Vließ," wo die Gegensätze von Kultur und
Barbarentum das tragische Element bilden! Wie weit ist der Gesichtskreis des
Dichters der „Sappho," die, ähnlich wie „Tasso," die Tragik des Dichtens vor
Angen stellt. In der Heldin steht die höchste Bildung der naiven Natur Phaons
und Melittas gegenüber. Das ist die Weite der Grillparzerschen Phantasie. Ihre
Enge aber besteht darin, daß sie mitten in so großartigen Gegensätzen wie der
Kultur und Barbarei im „Goldner Vließ" doch nur private Charaktereigenschaften
der Helden den Ausschlag geben läßt. Auf die Höhe der Weltgeschichte führt die
Handlung des „Otiokar"; aber sie kann sich nicht darauf halten. Für die kultur¬
geschichtliche« Mächte hatte Grillparzer künstlerisch und theoretisch keinen Sinn,
und das hängt mit seinem Privatcharakter zusammen, von dem auch die ganze
Auffassung der Tragik herzuleiten ist. Sie stimmt, nach Volkelts geistvollen Nach¬
weis, in merkwürdiger Weise mit jener tragischen Theorie überein, die der Pessimist
Schopenhauer aufgestellt hat. Grillparzers Tragödien entlassen uns nicht immer mit
dem befriedigenden Gefühl des selbst im Untergange des Einzelnen gesicherten Sieges
des Rechtes, des Guten, der Freiheit; nur „Hero," „Sappho" stimmen so rein; der
„Bruderzwist" führt uns gerade das Gegenteil vor Augen; wenig erhebend ist der
Schluß der „Medea," auch der „Treue Diener" schließt nicht mit reinen Gefühlen.
Grillparzer war überhaupt pessimistisch gestimmt: der Gerechte besteht nicht immer
siegreich den Kampf mit der Welt. Mit dieser ethischen Grundanschauung hängt
nach Volkelts Darlegung eine andre Eigentümlichkeit seiner Kunst zusammen. Mit
Vorliebe stellt sie den Typus einer den Ansprüchen der Welt, des praktischen Lebens
nicht gewachsenen Innerlichkeit dar: Sappho, Spielmann, Kaiser Rudolf, Medea u. f. f.
Hier weist Volkelt auf das Grillparzer eigentümlichste tragische Problem hin;
solch ein Charakter ist im tragischen Konflikt höchster Art eigentlich ohne Schuld,
er ist tragisch bloß durch seine Existenz; er ist den gerechten Ansprüchen der Welt an
ihn nicht gewachsen, wie etwa Hamlet. Und dieses höchste tragische Bild bietet uns
Grillparzers eigne Persönlichkeit. Die hochgradige Feinfühligkeit, die leicht und mächtig
erregbare Phantasie, die ihn künstlerisch so hoch stellten, gediehen ihm praktisch
zum Unheil, denn er konnte die Kunst nicht kommandiren, er mußte auf die In¬
spiration warten, ohne die er sich so klein dünkte wie jeder andre gemeine Mann.
Er fiel durch eine unselige Verkettung der Verhältnisse jahrelang in tiefe Schwer¬
mut. Seine künstlerisch idealisirende Phantasie machte ihn unfähig, auf die Dauer


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[0249] Maßgebliches und Unmaßgebliches nur in der Kritik des Ottokar und Bankbau ist sein Urteil entschieden anders, für den Dichter günstiger, und mit Recht. Volkelt macht aber auch zahlreiche neue Beobachtungen und fügt die Hauptzüge der merkwürdigen Natur Grillparzers zu einem Organismus zusammen. Er weist zunächst zwei verschiedene tragische Typen in der dramatischen Kunst und bei Grillparzer insbesondre nach: individuelle Tragik und allgemein-menschliche Tragik. Zur erstern gehören Tragödien wie „Ottokar," „Bankban," die „Ahnfrau," „Kaiser Rudolf;" zur andern „Sappho," „Medea." „Hero." Sodann weist Volkelt auf die Enge und Weite der Grillparzerschen Dichter^ Phantasie hiu. Grillparzers besondre Eigentümlichkeit ist, kühne Zusammensetzungen sowohl in den Charakteren selbst, als in der Zusammenstellung der Figuren in seinen Dramen zu wagen. Wie kühn z. B. ist es, einen so leicht komisch wirkenden Pe¬ danten wie Vcmkban, den treuen Diener seines Herrn, zum tragischen Helden zu machen! Wie kühn ist die Synthese im Charakter der übermütigen, launischen, koketten, ewig wandelbaren und doch so natürlichen, anmutig fesselnden Rahel, der Jüdin von Toledo! Wie kühn ist die Episode Don Cäsars im „Bruderzwist," oder die Liebesgeschichte Kuuiguudeus mit Zawisch im „Ottokar"! Welche Weite derPhau- taste bekundet Grillparzer im „Goldner Vließ," wo die Gegensätze von Kultur und Barbarentum das tragische Element bilden! Wie weit ist der Gesichtskreis des Dichters der „Sappho," die, ähnlich wie „Tasso," die Tragik des Dichtens vor Angen stellt. In der Heldin steht die höchste Bildung der naiven Natur Phaons und Melittas gegenüber. Das ist die Weite der Grillparzerschen Phantasie. Ihre Enge aber besteht darin, daß sie mitten in so großartigen Gegensätzen wie der Kultur und Barbarei im „Goldner Vließ" doch nur private Charaktereigenschaften der Helden den Ausschlag geben läßt. Auf die Höhe der Weltgeschichte führt die Handlung des „Otiokar"; aber sie kann sich nicht darauf halten. Für die kultur¬ geschichtliche« Mächte hatte Grillparzer künstlerisch und theoretisch keinen Sinn, und das hängt mit seinem Privatcharakter zusammen, von dem auch die ganze Auffassung der Tragik herzuleiten ist. Sie stimmt, nach Volkelts geistvollen Nach¬ weis, in merkwürdiger Weise mit jener tragischen Theorie überein, die der Pessimist Schopenhauer aufgestellt hat. Grillparzers Tragödien entlassen uns nicht immer mit dem befriedigenden Gefühl des selbst im Untergange des Einzelnen gesicherten Sieges des Rechtes, des Guten, der Freiheit; nur „Hero," „Sappho" stimmen so rein; der „Bruderzwist" führt uns gerade das Gegenteil vor Augen; wenig erhebend ist der Schluß der „Medea," auch der „Treue Diener" schließt nicht mit reinen Gefühlen. Grillparzer war überhaupt pessimistisch gestimmt: der Gerechte besteht nicht immer siegreich den Kampf mit der Welt. Mit dieser ethischen Grundanschauung hängt nach Volkelts Darlegung eine andre Eigentümlichkeit seiner Kunst zusammen. Mit Vorliebe stellt sie den Typus einer den Ansprüchen der Welt, des praktischen Lebens nicht gewachsenen Innerlichkeit dar: Sappho, Spielmann, Kaiser Rudolf, Medea u. f. f. Hier weist Volkelt auf das Grillparzer eigentümlichste tragische Problem hin; solch ein Charakter ist im tragischen Konflikt höchster Art eigentlich ohne Schuld, er ist tragisch bloß durch seine Existenz; er ist den gerechten Ansprüchen der Welt an ihn nicht gewachsen, wie etwa Hamlet. Und dieses höchste tragische Bild bietet uns Grillparzers eigne Persönlichkeit. Die hochgradige Feinfühligkeit, die leicht und mächtig erregbare Phantasie, die ihn künstlerisch so hoch stellten, gediehen ihm praktisch zum Unheil, denn er konnte die Kunst nicht kommandiren, er mußte auf die In¬ spiration warten, ohne die er sich so klein dünkte wie jeder andre gemeine Mann. Er fiel durch eine unselige Verkettung der Verhältnisse jahrelang in tiefe Schwer¬ mut. Seine künstlerisch idealisirende Phantasie machte ihn unfähig, auf die Dauer Gnuizlwten I 188» 3l

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/249>, abgerufen am 26.06.2024.