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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

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Leibniz als Volkswirt

Besondre Beachtung wandte Leibniz dem Berg- und Hüttenwesen zu. Er
selbst war für eine bessere Ausnutzung der Harzbcrgwerke ^thätig. Da die
dortigen hannoverschen Gruben viel uuter dem Eindringen von Wasser zu
leiden hatten, so machte er, um dem Übel abzuhelfen, Pläne "wegen An-
richtung einer durch Wind zu treibenden Wasserkunst." Sie kam aber nicht
zur Ausführung, weil er sich mit den Leitern der Werke nicht verständigen
konnte.

Handel und Industrie bezeichnet Leibniz als die Zweige, die einen
Baum blühend und fruchtbringend machen. Diese lagen in Deutschland nach
dem dreißigjährigen Kriege ganz darnieder. Deutschland war wie in der
Politik so im Handel durchaus vom Auslande abhängig geworden. Frankreich
und Holland überfluteten es mit ihren Erzeugnissen. Waren doch selbst die
natürlichen Eingangspforten Deutschlands aus überseeischen Gebieten in den
Händen von Fremdlingen. Kein Wunder, daß Leibniz gerade diesen Jammer
und dieses Elend zu beseitigen sein eifrigstes Bemühen sein läßt. Der ganze
Geschmack, die Mode war französisch geworden, daher auch immer das Ver¬
langen im Volke nach echter französischer Ware. Schars geißelt Leibniz die
Sucht der Fürsten, sich uach französischer Art einzurichten, wodurch das
deutsche Geld uach Frankreich gezogen werde, und ihren albernen unnötigen
Luxus, aus dem die lächerliche Bettelei und das Buhlen mit Frankreich ent¬
springe. Dann tritt er aber auch mit bestimmten Vorstellungen bei den Landes¬
fürsten zur Unterstützung der Kommerziell und Manufakturen hervor. Dazu
befähigten ihn seine vielfachen Reisen, namentlich nach Frankreich, auf denen
er mit offnem Auge und klarem Blick für die Ursachen den großen Aufschwung
von Handel und Gewerbe bemerkt hatte. Seine Ansichten darüber stehen un¬
mittelbar unter französischem Einfluß; er ist ein Verfechter des Colbertschen
Merkantilsystems. Die rohe Ware darf nicht aus dem Lande, aber die fremde
Rohware zur Verarbeitung herein. Den Ausländern muß man die ihnen eigen¬
tümliche Industrie ablernen und sie nach Deutschland verpflanzen. Paris nennt
er den Mittelpunkt der Galanterie. Hier muß man von den Arbeitern das Feine
und Geschmackvolle "fischen." Er selbst hatte in der ftanzösischen Hauptstadt
jede Gelegenheit benutzt, um viele und gute Arbeiter zu besuchen, und manches
hatte er auch von ihnen erfahren. Zum Schutze der einheimischen Produktion
gegen den ausländischen Wettbewerb soll zunächst jeder Bedarf soviel als
möglich im Lande gedeckt werden; nach Wien richtet er die Mahnung, das
Soldatentnch nicht mehr aus England und Holland, sondern aus Deutschland
zu beziehen. Ferner solle man Schutzzölle einrichten, um die ausländische
Handlung und die ausländischen Manufakturen auszuschließen, und dahin zu
streben, daß man zunächst nichts teurer als das Ausland, dann aber auch
wohlfeiler gebe, so daß man es selbst ohne besondere Privilegien vom Absatz¬
gebiete verdränge. Dem Verfall mancher Künste, die in Deutschland in Blüte


Leibniz als Volkswirt

Besondre Beachtung wandte Leibniz dem Berg- und Hüttenwesen zu. Er
selbst war für eine bessere Ausnutzung der Harzbcrgwerke ^thätig. Da die
dortigen hannoverschen Gruben viel uuter dem Eindringen von Wasser zu
leiden hatten, so machte er, um dem Übel abzuhelfen, Pläne „wegen An-
richtung einer durch Wind zu treibenden Wasserkunst." Sie kam aber nicht
zur Ausführung, weil er sich mit den Leitern der Werke nicht verständigen
konnte.

Handel und Industrie bezeichnet Leibniz als die Zweige, die einen
Baum blühend und fruchtbringend machen. Diese lagen in Deutschland nach
dem dreißigjährigen Kriege ganz darnieder. Deutschland war wie in der
Politik so im Handel durchaus vom Auslande abhängig geworden. Frankreich
und Holland überfluteten es mit ihren Erzeugnissen. Waren doch selbst die
natürlichen Eingangspforten Deutschlands aus überseeischen Gebieten in den
Händen von Fremdlingen. Kein Wunder, daß Leibniz gerade diesen Jammer
und dieses Elend zu beseitigen sein eifrigstes Bemühen sein läßt. Der ganze
Geschmack, die Mode war französisch geworden, daher auch immer das Ver¬
langen im Volke nach echter französischer Ware. Schars geißelt Leibniz die
Sucht der Fürsten, sich uach französischer Art einzurichten, wodurch das
deutsche Geld uach Frankreich gezogen werde, und ihren albernen unnötigen
Luxus, aus dem die lächerliche Bettelei und das Buhlen mit Frankreich ent¬
springe. Dann tritt er aber auch mit bestimmten Vorstellungen bei den Landes¬
fürsten zur Unterstützung der Kommerziell und Manufakturen hervor. Dazu
befähigten ihn seine vielfachen Reisen, namentlich nach Frankreich, auf denen
er mit offnem Auge und klarem Blick für die Ursachen den großen Aufschwung
von Handel und Gewerbe bemerkt hatte. Seine Ansichten darüber stehen un¬
mittelbar unter französischem Einfluß; er ist ein Verfechter des Colbertschen
Merkantilsystems. Die rohe Ware darf nicht aus dem Lande, aber die fremde
Rohware zur Verarbeitung herein. Den Ausländern muß man die ihnen eigen¬
tümliche Industrie ablernen und sie nach Deutschland verpflanzen. Paris nennt
er den Mittelpunkt der Galanterie. Hier muß man von den Arbeitern das Feine
und Geschmackvolle „fischen." Er selbst hatte in der ftanzösischen Hauptstadt
jede Gelegenheit benutzt, um viele und gute Arbeiter zu besuchen, und manches
hatte er auch von ihnen erfahren. Zum Schutze der einheimischen Produktion
gegen den ausländischen Wettbewerb soll zunächst jeder Bedarf soviel als
möglich im Lande gedeckt werden; nach Wien richtet er die Mahnung, das
Soldatentnch nicht mehr aus England und Holland, sondern aus Deutschland
zu beziehen. Ferner solle man Schutzzölle einrichten, um die ausländische
Handlung und die ausländischen Manufakturen auszuschließen, und dahin zu
streben, daß man zunächst nichts teurer als das Ausland, dann aber auch
wohlfeiler gebe, so daß man es selbst ohne besondere Privilegien vom Absatz¬
gebiete verdränge. Dem Verfall mancher Künste, die in Deutschland in Blüte


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[0021] Leibniz als Volkswirt Besondre Beachtung wandte Leibniz dem Berg- und Hüttenwesen zu. Er selbst war für eine bessere Ausnutzung der Harzbcrgwerke ^thätig. Da die dortigen hannoverschen Gruben viel uuter dem Eindringen von Wasser zu leiden hatten, so machte er, um dem Übel abzuhelfen, Pläne „wegen An- richtung einer durch Wind zu treibenden Wasserkunst." Sie kam aber nicht zur Ausführung, weil er sich mit den Leitern der Werke nicht verständigen konnte. Handel und Industrie bezeichnet Leibniz als die Zweige, die einen Baum blühend und fruchtbringend machen. Diese lagen in Deutschland nach dem dreißigjährigen Kriege ganz darnieder. Deutschland war wie in der Politik so im Handel durchaus vom Auslande abhängig geworden. Frankreich und Holland überfluteten es mit ihren Erzeugnissen. Waren doch selbst die natürlichen Eingangspforten Deutschlands aus überseeischen Gebieten in den Händen von Fremdlingen. Kein Wunder, daß Leibniz gerade diesen Jammer und dieses Elend zu beseitigen sein eifrigstes Bemühen sein läßt. Der ganze Geschmack, die Mode war französisch geworden, daher auch immer das Ver¬ langen im Volke nach echter französischer Ware. Schars geißelt Leibniz die Sucht der Fürsten, sich uach französischer Art einzurichten, wodurch das deutsche Geld uach Frankreich gezogen werde, und ihren albernen unnötigen Luxus, aus dem die lächerliche Bettelei und das Buhlen mit Frankreich ent¬ springe. Dann tritt er aber auch mit bestimmten Vorstellungen bei den Landes¬ fürsten zur Unterstützung der Kommerziell und Manufakturen hervor. Dazu befähigten ihn seine vielfachen Reisen, namentlich nach Frankreich, auf denen er mit offnem Auge und klarem Blick für die Ursachen den großen Aufschwung von Handel und Gewerbe bemerkt hatte. Seine Ansichten darüber stehen un¬ mittelbar unter französischem Einfluß; er ist ein Verfechter des Colbertschen Merkantilsystems. Die rohe Ware darf nicht aus dem Lande, aber die fremde Rohware zur Verarbeitung herein. Den Ausländern muß man die ihnen eigen¬ tümliche Industrie ablernen und sie nach Deutschland verpflanzen. Paris nennt er den Mittelpunkt der Galanterie. Hier muß man von den Arbeitern das Feine und Geschmackvolle „fischen." Er selbst hatte in der ftanzösischen Hauptstadt jede Gelegenheit benutzt, um viele und gute Arbeiter zu besuchen, und manches hatte er auch von ihnen erfahren. Zum Schutze der einheimischen Produktion gegen den ausländischen Wettbewerb soll zunächst jeder Bedarf soviel als möglich im Lande gedeckt werden; nach Wien richtet er die Mahnung, das Soldatentnch nicht mehr aus England und Holland, sondern aus Deutschland zu beziehen. Ferner solle man Schutzzölle einrichten, um die ausländische Handlung und die ausländischen Manufakturen auszuschließen, und dahin zu streben, daß man zunächst nichts teurer als das Ausland, dann aber auch wohlfeiler gebe, so daß man es selbst ohne besondere Privilegien vom Absatz¬ gebiete verdränge. Dem Verfall mancher Künste, die in Deutschland in Blüte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/21>, abgerufen am 29.09.2024.