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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

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Der Arbeiterkongreß in London.

in November d. I. wird in London ein internationaler Arbeiter¬
kongreß stattfinden, der von den englischen Gewerkvereinen angeregt
worden ist und eine für alle Kulturstaaten geltende Gesetzgebung
zum Schutze der arbeitenden Klassen beraten soll, und über den
wir schon jetzt sprechen, weil die Nachricht in mehreren Punkten
Mißverständnissen ausgesetzt sein kann und in der That bereits mißverstanden
worden ist. Man hat dabei an die Internationale gedacht, die kurz vor dem
deutsch-französischen Kriege und in den nächstfolgenden Jahren viel von sich
reden machte, auch eine Anzahl von Kongressen abhielt und selbst die Regie¬
rungen bewog, zu Beratungen gegen ihre Bestrebungen zusammenzutreten, und
man hat sich, was dem freilich widersprach, gewundert, daß die deutschen Ar¬
beiter, die sich zur Teilnahme an der bevorstehenden Zusammenkunft meldeten,
von den Einberufern derselben die Antwort erhielten, man könne sie nur zu¬
lassen, wenn sie sich als Vertreter von Fach- und Gewerkvereinen auszuweisen
vermöchten. Mit der Internationale und ihren Kongressen hat die Angelegen¬
heit schon deshalb nichts gemein, weil diese Seifenblase der deutschen Kommu¬
nisten in London längst zersprungen ist. Sie geht vielmehr von den englischen
I'raÄs-IIiüoiiL aus. Diese IraÄö-IInions entstanden, nachdem den englischen Ar¬
beitern 1824 die Befugnis zu teil geworden war, in Vereine zusammenzutreten
und über ihre Arbeitskraft wie der Fabrikant über die von ihm damit erzeugte
Ware zu verfügen. Heutzutage kann das Heer von Arbeitern, das den Fahnen
dieser Vereine folgt, an Zahl sich denen der größten Staaten Europas an die
Seite stellen. Anfangs war der Hauptzweck derselben die Erklärung und Unter¬
stützung von Arbeitseinstellungen zur Erzwingung höherer Löhne und zur Ver-


Grenzbotcn III. 1383. ,


Der Arbeiterkongreß in London.

in November d. I. wird in London ein internationaler Arbeiter¬
kongreß stattfinden, der von den englischen Gewerkvereinen angeregt
worden ist und eine für alle Kulturstaaten geltende Gesetzgebung
zum Schutze der arbeitenden Klassen beraten soll, und über den
wir schon jetzt sprechen, weil die Nachricht in mehreren Punkten
Mißverständnissen ausgesetzt sein kann und in der That bereits mißverstanden
worden ist. Man hat dabei an die Internationale gedacht, die kurz vor dem
deutsch-französischen Kriege und in den nächstfolgenden Jahren viel von sich
reden machte, auch eine Anzahl von Kongressen abhielt und selbst die Regie¬
rungen bewog, zu Beratungen gegen ihre Bestrebungen zusammenzutreten, und
man hat sich, was dem freilich widersprach, gewundert, daß die deutschen Ar¬
beiter, die sich zur Teilnahme an der bevorstehenden Zusammenkunft meldeten,
von den Einberufern derselben die Antwort erhielten, man könne sie nur zu¬
lassen, wenn sie sich als Vertreter von Fach- und Gewerkvereinen auszuweisen
vermöchten. Mit der Internationale und ihren Kongressen hat die Angelegen¬
heit schon deshalb nichts gemein, weil diese Seifenblase der deutschen Kommu¬
nisten in London längst zersprungen ist. Sie geht vielmehr von den englischen
I'raÄs-IIiüoiiL aus. Diese IraÄö-IInions entstanden, nachdem den englischen Ar¬
beitern 1824 die Befugnis zu teil geworden war, in Vereine zusammenzutreten
und über ihre Arbeitskraft wie der Fabrikant über die von ihm damit erzeugte
Ware zu verfügen. Heutzutage kann das Heer von Arbeitern, das den Fahnen
dieser Vereine folgt, an Zahl sich denen der größten Staaten Europas an die
Seite stellen. Anfangs war der Hauptzweck derselben die Erklärung und Unter¬
stützung von Arbeitseinstellungen zur Erzwingung höherer Löhne und zur Ver-


Grenzbotcn III. 1383. ,
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[0009] [Abbildung] Der Arbeiterkongreß in London. in November d. I. wird in London ein internationaler Arbeiter¬ kongreß stattfinden, der von den englischen Gewerkvereinen angeregt worden ist und eine für alle Kulturstaaten geltende Gesetzgebung zum Schutze der arbeitenden Klassen beraten soll, und über den wir schon jetzt sprechen, weil die Nachricht in mehreren Punkten Mißverständnissen ausgesetzt sein kann und in der That bereits mißverstanden worden ist. Man hat dabei an die Internationale gedacht, die kurz vor dem deutsch-französischen Kriege und in den nächstfolgenden Jahren viel von sich reden machte, auch eine Anzahl von Kongressen abhielt und selbst die Regie¬ rungen bewog, zu Beratungen gegen ihre Bestrebungen zusammenzutreten, und man hat sich, was dem freilich widersprach, gewundert, daß die deutschen Ar¬ beiter, die sich zur Teilnahme an der bevorstehenden Zusammenkunft meldeten, von den Einberufern derselben die Antwort erhielten, man könne sie nur zu¬ lassen, wenn sie sich als Vertreter von Fach- und Gewerkvereinen auszuweisen vermöchten. Mit der Internationale und ihren Kongressen hat die Angelegen¬ heit schon deshalb nichts gemein, weil diese Seifenblase der deutschen Kommu¬ nisten in London längst zersprungen ist. Sie geht vielmehr von den englischen I'raÄs-IIiüoiiL aus. Diese IraÄö-IInions entstanden, nachdem den englischen Ar¬ beitern 1824 die Befugnis zu teil geworden war, in Vereine zusammenzutreten und über ihre Arbeitskraft wie der Fabrikant über die von ihm damit erzeugte Ware zu verfügen. Heutzutage kann das Heer von Arbeitern, das den Fahnen dieser Vereine folgt, an Zahl sich denen der größten Staaten Europas an die Seite stellen. Anfangs war der Hauptzweck derselben die Erklärung und Unter¬ stützung von Arbeitseinstellungen zur Erzwingung höherer Löhne und zur Ver- Grenzbotcn III. 1383. ,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/9>, abgerufen am 22.07.2024.