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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

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Guin Pascha.

treten, da es alle Produkte nach Khartum abliefern mußte, um von hier als
Entgelt die schlechtesten Waren zu den höchsten Preisen zurückzubekommen.

Es ist nicht schwer einzusehen, daß ein so reiches Land, mit einer Be¬
völkerung, die jetzt die Segnungen des Friedens kennen gelernt hat und die
Jahre lang an regelmäßigen Fleiß gewöhnt worden ist, ein bedeutender Markt
für viele europäische Produkte werden kann. Die Schwierigkeit ist nur die,
einen Verbindungsweg zu schaffen und offen zu halten. Der Weg längs des
Nils ist jetzt verschlossen und wird es wohl noch geraume Zeit bleiben; dazu
war er auch lang und beschwerlich. Die andern möglichen Wege sind der von
der Sansibarküste durch Uganda, und der vom Kongo her. Den letztern hat
Stanley gewählt, und die Erfahrungen, die er auf ihm machen wird, werden
wohl für lange Zeit entscheiden, auf welcher Straße die Äquatorialprovinz
künftighin zu erschließen ist.

Außer diesem handelspolitischen hat die Frage aber noch ein philanthropisches
Gesicht. Der Sklavenhandel ist noch heute der Fluch Afrikas, und man wird
nicht fehl gehen, wenn man annimmt, daß er durch hohe ägyptische Beamte
begünstigt, wenn nicht selbst geübt worden ist. Trotz dieser Schurken nun und
trotz aller Schliche der arabischen Händler hat Emin den Sklavenhandel in
seinem Gebiete fast gänzlich ausgerottet. An eine dauernde Unterdrückung des¬
selben ist aber nur dann zu denken, wenn im Herzen Afrikas eine europäische
Herrschaft bestehen bleibt. Die Anstrengungen der Missionare allein sind dazu
nicht ausreichend; doch spricht es für deren Thätigkeit, daß, wie Emin berichtet,
in seiner Provinz seit zwanzig Jahren nicht mehr als zehn Bekehrungen zum
Muhammedanismus vorgekommen sind. Ob daraus Schlüsse gegen die Zukunft
des Islams in Zentralafrika gezogen werden dürfen, wollen wir unentschieden
lassen. Was Emin selbst betrifft, so muß man nicht glauben, daß er mit seinem
arabischen Namen zugleich die arabische Religion angenommen habe. Er ist
noch heute Protestant und wird es auch bleiben. Emin ist jedenfalls nicht von
dem Dogma überzeugt, daß der Muhammedanismus die einzige Religion sei,
welche eine Kulturrolle in Afrika spielen könnte. Er befördert die Bemühungen
der christlichen Missionen und scheint von ihrer Wirksamkeit die ausgiebigste Be¬
förderung seiner Ziele zu erwarten.

Zum Schluß noch einige Worte über die Stellung unsers Vaterlandes
zu dem Werke Emin Paschas. Der ausgezeichnete Mann ist ein Deutscher,
und wenn sein Herz auch wohl, als das eines Erforschers und Entdeckers,
zunächst der Menschheit gehört, so gehört es doch sicherlich nicht minder dem
Volke, unter dem es zuerst geschlagen hat. Emin Pascha wird also gewiß nicht
wünschen, wenn es sich um die Erschließung feines reichen Landes handelt, daß
seine Landsleute weiter hinter den Engländern zurückstehen, als nach der Lage
der Dinge unerläßlich ist, zumal da die Engländer ihn in der ärgsten Klemme
in einer Weise haben sitzen lassen, die bedenklich an das bekannte Wort von


Guin Pascha.

treten, da es alle Produkte nach Khartum abliefern mußte, um von hier als
Entgelt die schlechtesten Waren zu den höchsten Preisen zurückzubekommen.

Es ist nicht schwer einzusehen, daß ein so reiches Land, mit einer Be¬
völkerung, die jetzt die Segnungen des Friedens kennen gelernt hat und die
Jahre lang an regelmäßigen Fleiß gewöhnt worden ist, ein bedeutender Markt
für viele europäische Produkte werden kann. Die Schwierigkeit ist nur die,
einen Verbindungsweg zu schaffen und offen zu halten. Der Weg längs des
Nils ist jetzt verschlossen und wird es wohl noch geraume Zeit bleiben; dazu
war er auch lang und beschwerlich. Die andern möglichen Wege sind der von
der Sansibarküste durch Uganda, und der vom Kongo her. Den letztern hat
Stanley gewählt, und die Erfahrungen, die er auf ihm machen wird, werden
wohl für lange Zeit entscheiden, auf welcher Straße die Äquatorialprovinz
künftighin zu erschließen ist.

Außer diesem handelspolitischen hat die Frage aber noch ein philanthropisches
Gesicht. Der Sklavenhandel ist noch heute der Fluch Afrikas, und man wird
nicht fehl gehen, wenn man annimmt, daß er durch hohe ägyptische Beamte
begünstigt, wenn nicht selbst geübt worden ist. Trotz dieser Schurken nun und
trotz aller Schliche der arabischen Händler hat Emin den Sklavenhandel in
seinem Gebiete fast gänzlich ausgerottet. An eine dauernde Unterdrückung des¬
selben ist aber nur dann zu denken, wenn im Herzen Afrikas eine europäische
Herrschaft bestehen bleibt. Die Anstrengungen der Missionare allein sind dazu
nicht ausreichend; doch spricht es für deren Thätigkeit, daß, wie Emin berichtet,
in seiner Provinz seit zwanzig Jahren nicht mehr als zehn Bekehrungen zum
Muhammedanismus vorgekommen sind. Ob daraus Schlüsse gegen die Zukunft
des Islams in Zentralafrika gezogen werden dürfen, wollen wir unentschieden
lassen. Was Emin selbst betrifft, so muß man nicht glauben, daß er mit seinem
arabischen Namen zugleich die arabische Religion angenommen habe. Er ist
noch heute Protestant und wird es auch bleiben. Emin ist jedenfalls nicht von
dem Dogma überzeugt, daß der Muhammedanismus die einzige Religion sei,
welche eine Kulturrolle in Afrika spielen könnte. Er befördert die Bemühungen
der christlichen Missionen und scheint von ihrer Wirksamkeit die ausgiebigste Be¬
förderung seiner Ziele zu erwarten.

Zum Schluß noch einige Worte über die Stellung unsers Vaterlandes
zu dem Werke Emin Paschas. Der ausgezeichnete Mann ist ein Deutscher,
und wenn sein Herz auch wohl, als das eines Erforschers und Entdeckers,
zunächst der Menschheit gehört, so gehört es doch sicherlich nicht minder dem
Volke, unter dem es zuerst geschlagen hat. Emin Pascha wird also gewiß nicht
wünschen, wenn es sich um die Erschließung feines reichen Landes handelt, daß
seine Landsleute weiter hinter den Engländern zurückstehen, als nach der Lage
der Dinge unerläßlich ist, zumal da die Engländer ihn in der ärgsten Klemme
in einer Weise haben sitzen lassen, die bedenklich an das bekannte Wort von


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[0072] Guin Pascha. treten, da es alle Produkte nach Khartum abliefern mußte, um von hier als Entgelt die schlechtesten Waren zu den höchsten Preisen zurückzubekommen. Es ist nicht schwer einzusehen, daß ein so reiches Land, mit einer Be¬ völkerung, die jetzt die Segnungen des Friedens kennen gelernt hat und die Jahre lang an regelmäßigen Fleiß gewöhnt worden ist, ein bedeutender Markt für viele europäische Produkte werden kann. Die Schwierigkeit ist nur die, einen Verbindungsweg zu schaffen und offen zu halten. Der Weg längs des Nils ist jetzt verschlossen und wird es wohl noch geraume Zeit bleiben; dazu war er auch lang und beschwerlich. Die andern möglichen Wege sind der von der Sansibarküste durch Uganda, und der vom Kongo her. Den letztern hat Stanley gewählt, und die Erfahrungen, die er auf ihm machen wird, werden wohl für lange Zeit entscheiden, auf welcher Straße die Äquatorialprovinz künftighin zu erschließen ist. Außer diesem handelspolitischen hat die Frage aber noch ein philanthropisches Gesicht. Der Sklavenhandel ist noch heute der Fluch Afrikas, und man wird nicht fehl gehen, wenn man annimmt, daß er durch hohe ägyptische Beamte begünstigt, wenn nicht selbst geübt worden ist. Trotz dieser Schurken nun und trotz aller Schliche der arabischen Händler hat Emin den Sklavenhandel in seinem Gebiete fast gänzlich ausgerottet. An eine dauernde Unterdrückung des¬ selben ist aber nur dann zu denken, wenn im Herzen Afrikas eine europäische Herrschaft bestehen bleibt. Die Anstrengungen der Missionare allein sind dazu nicht ausreichend; doch spricht es für deren Thätigkeit, daß, wie Emin berichtet, in seiner Provinz seit zwanzig Jahren nicht mehr als zehn Bekehrungen zum Muhammedanismus vorgekommen sind. Ob daraus Schlüsse gegen die Zukunft des Islams in Zentralafrika gezogen werden dürfen, wollen wir unentschieden lassen. Was Emin selbst betrifft, so muß man nicht glauben, daß er mit seinem arabischen Namen zugleich die arabische Religion angenommen habe. Er ist noch heute Protestant und wird es auch bleiben. Emin ist jedenfalls nicht von dem Dogma überzeugt, daß der Muhammedanismus die einzige Religion sei, welche eine Kulturrolle in Afrika spielen könnte. Er befördert die Bemühungen der christlichen Missionen und scheint von ihrer Wirksamkeit die ausgiebigste Be¬ förderung seiner Ziele zu erwarten. Zum Schluß noch einige Worte über die Stellung unsers Vaterlandes zu dem Werke Emin Paschas. Der ausgezeichnete Mann ist ein Deutscher, und wenn sein Herz auch wohl, als das eines Erforschers und Entdeckers, zunächst der Menschheit gehört, so gehört es doch sicherlich nicht minder dem Volke, unter dem es zuerst geschlagen hat. Emin Pascha wird also gewiß nicht wünschen, wenn es sich um die Erschließung feines reichen Landes handelt, daß seine Landsleute weiter hinter den Engländern zurückstehen, als nach der Lage der Dinge unerläßlich ist, zumal da die Engländer ihn in der ärgsten Klemme in einer Weise haben sitzen lassen, die bedenklich an das bekannte Wort von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/72>, abgerufen am 22.07.2024.