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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

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Emin Pascha.

lang glaubte er, daß er dasselbe Schicksal werde erleiden müssen. Doch
hielt er sich so lange aufrecht, bis die Ermordung des Mahdi die größte Ge¬
fahr beseitigt hatte und er hoffen konnte, Ersatz zu bekommen.

Gegen Ende Februar 1880 erhielt er endlich über Sansibar eine Depesche
von Nubar Pascha, die ihm anzeigte, daß der Sudan aufgegeben sei, daß die
Regierung ihn nicht unterstützen könne und daß er daher geeignete Maßregeln
treffen möge, das Land zu verlassen. Kurz, er wurde seinem Schicksale über¬
lassen, die Vollmacht, daß er von dem englischen Generalkonsul in Sansibar
so viel Geld erheben könne, als er brauche, war kein Trost für ihn. In
seinem Schreiben an Dr. Schweinfurth bemerkt er hierüber bitter: "Sie schlagen
mir einfach den Weg nach Sansibar vor, ganz als ob es sich um einen
Spaziergang nach Schubra ^ein Ort vor den Thoren Kairos^ handelte."

Der Weg nach Sansibar war nicht offen. Mwcmga, der Nachfolger
Mtesas, hatte eine feindliche Haltung gegen die Europäer angenommen. Er
verweigerte daher Emin den Durchzug durch sein Gebiet und fing auch längere
Zeit die Hilfsmittel ab, die Dr. Junker seinem Landsmanne schickte. Emin
würde aber auch nicht gegangen sein, wenn er es gekonnt hätte. In seinem
Schreiben an or. Felkin vom Juli 1886 drückt er die Hoffnung aus, daß
England ihn unter keinen Umständen verkommen lassen werde, es werde jeden¬
falls die Wichtigkeit zu schätzen wissen, die seine Entsetzung für die Unter¬
drückung des Sklavenhandels und die Freiheit der Provinz habe.

Im April 1887 erfuhr er durch Mackay, den gefangenen Missionar in
Uganda, daß ihm Unterstützung geschickt sei, und nun schreibt er einen Brief an
Dr. Felkin, worin er seinen Dank dafür ausspricht. Er fügt jedoch hinzu:
"Wenn das englische Volk glaubt, daß ich, sobald Stanley oder Thomson an¬
kommt, mit ihnen zurückkehren werde, so irrt es sich sehr. Ich habe hier zwölf
Jahre meines Lebens zugebracht. Würde es nun recht von mir sein, von
meinem Posten zu desertiren, sobald sich eine günstige Gelegenheit hierzu bietet?
Ich werde bei meinem Volke bleiben, bis ich ganz klar ersehe, daß seine Zukunft
sichergestellt ist. Ich will mich bemühen, das Werk Gordons, das er mit
seinem Blute bezahlte, fortzusetzen, wenn auch nicht mit seiner Energie und
seinem Genie, so doch nach seiner Absicht und in seinem Geiste." Und weiter:
"Alles, was wir von England wollen, ist, daß es sich in ein besseres Einver¬
nehmen mit Uganda setzt und uns so einen freien und sichern Weg nach der
Küste verschafft. Das ist alles, was wir brauchen. Aber unser Land ver¬
lassen? Sicherlich nicht!"

Worin liegt nun eigentlich der Reiz dieses Landes, das Emin so anzieht?
Wir haben von Sir Samuel Baker und andern Reisenden schon früher gehört,
daß es ein schönes Land sei, wir erhalten aber eine genauere Vorstellung durch
Emins Tagebücher. Freilich hat es auch seine Übelstände. Ein Marsch wie
der, den Emin beschreibt, als er das Gebiet von Fatiko inspizirte, gehört


Emin Pascha.

lang glaubte er, daß er dasselbe Schicksal werde erleiden müssen. Doch
hielt er sich so lange aufrecht, bis die Ermordung des Mahdi die größte Ge¬
fahr beseitigt hatte und er hoffen konnte, Ersatz zu bekommen.

Gegen Ende Februar 1880 erhielt er endlich über Sansibar eine Depesche
von Nubar Pascha, die ihm anzeigte, daß der Sudan aufgegeben sei, daß die
Regierung ihn nicht unterstützen könne und daß er daher geeignete Maßregeln
treffen möge, das Land zu verlassen. Kurz, er wurde seinem Schicksale über¬
lassen, die Vollmacht, daß er von dem englischen Generalkonsul in Sansibar
so viel Geld erheben könne, als er brauche, war kein Trost für ihn. In
seinem Schreiben an Dr. Schweinfurth bemerkt er hierüber bitter: „Sie schlagen
mir einfach den Weg nach Sansibar vor, ganz als ob es sich um einen
Spaziergang nach Schubra ^ein Ort vor den Thoren Kairos^ handelte."

Der Weg nach Sansibar war nicht offen. Mwcmga, der Nachfolger
Mtesas, hatte eine feindliche Haltung gegen die Europäer angenommen. Er
verweigerte daher Emin den Durchzug durch sein Gebiet und fing auch längere
Zeit die Hilfsmittel ab, die Dr. Junker seinem Landsmanne schickte. Emin
würde aber auch nicht gegangen sein, wenn er es gekonnt hätte. In seinem
Schreiben an or. Felkin vom Juli 1886 drückt er die Hoffnung aus, daß
England ihn unter keinen Umständen verkommen lassen werde, es werde jeden¬
falls die Wichtigkeit zu schätzen wissen, die seine Entsetzung für die Unter¬
drückung des Sklavenhandels und die Freiheit der Provinz habe.

Im April 1887 erfuhr er durch Mackay, den gefangenen Missionar in
Uganda, daß ihm Unterstützung geschickt sei, und nun schreibt er einen Brief an
Dr. Felkin, worin er seinen Dank dafür ausspricht. Er fügt jedoch hinzu:
„Wenn das englische Volk glaubt, daß ich, sobald Stanley oder Thomson an¬
kommt, mit ihnen zurückkehren werde, so irrt es sich sehr. Ich habe hier zwölf
Jahre meines Lebens zugebracht. Würde es nun recht von mir sein, von
meinem Posten zu desertiren, sobald sich eine günstige Gelegenheit hierzu bietet?
Ich werde bei meinem Volke bleiben, bis ich ganz klar ersehe, daß seine Zukunft
sichergestellt ist. Ich will mich bemühen, das Werk Gordons, das er mit
seinem Blute bezahlte, fortzusetzen, wenn auch nicht mit seiner Energie und
seinem Genie, so doch nach seiner Absicht und in seinem Geiste." Und weiter:
„Alles, was wir von England wollen, ist, daß es sich in ein besseres Einver¬
nehmen mit Uganda setzt und uns so einen freien und sichern Weg nach der
Küste verschafft. Das ist alles, was wir brauchen. Aber unser Land ver¬
lassen? Sicherlich nicht!"

Worin liegt nun eigentlich der Reiz dieses Landes, das Emin so anzieht?
Wir haben von Sir Samuel Baker und andern Reisenden schon früher gehört,
daß es ein schönes Land sei, wir erhalten aber eine genauere Vorstellung durch
Emins Tagebücher. Freilich hat es auch seine Übelstände. Ein Marsch wie
der, den Emin beschreibt, als er das Gebiet von Fatiko inspizirte, gehört


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/70>, abgerufen am 22.07.2024.