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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

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Zur landwirtschaftlichen Notlage.

Versicherung nimmt nämlich die Gebäude der königlichen Domänen nach ihrem
Neubauwerte bei gegenseitiger Verbindlichkeit aller Pächter unter entsprechender
Prämie in Versicherung und hält damit das Kapital für den Fiskus bereit,
das zu ihrer Wiederaufrichtung erforderlich ist.

Unbezweifelt haben wir daher in den Staatsdomänen und deren Pachtertrag
den geeignetsten Wertmesser für den Stand des landwirtschaftlichen Gewerbes.
Es ist deshalb zu beklagen, daß das preußische Landwirtschaftsministerium sich
bisher nicht veranlaßt gesehen hat, eine Zusammenstellung von dem Ergebnis
der ausgeschriebenen Verpachtungstermine dem sich dafür lebhaft interessirenden
Publikum zu geben. So gut das Ministerium ein paar Jahre vorher durch
die landwirtschaftlichen Blätter eine genane Zusammenstellung aller demnächst
pachtfrei werdenden Domänen bringt, und zwar genau nach ihrer Größe, Zu¬
sammensetzung, Grundstenereinschützung und ihrem bisherigen Pachtertrage, unter
Namhaftmachung der derzeitigen Pächter, ebenso müßte es auch nach Ablauf
jeden Jahres eine Zusammenstellung der neuerzielten Verpachtungscrgebnisse der
Öffentlichkeit übergeben. Die Termine dafür sind öffentlich, der ganze Ver¬
lauf derselben und die Verpachtungsergcbnisse sind nach Höhe der erreichten
Pachtquote und dem Namen der neuen Pächter der Kenntnisnahme gar nicht
zu entziehen; es ist deshalb der Grund für eine solche Zurückhaltung des Mi¬
nisteriums schwer zu erklären. Eine Deklaration über die erzielten neuen Pachter
ist aber nicht bloß sür denjenigen wünschenswert, der selbst auf eine Pachtung
ausgeht, sondern auch für den. der zeitgemäß verpachten oder verkaufen will,
und ebenso für alle diejenigen, welche sich über den Stand des landwirtschaft¬
lichen Gewerbes unterrichten wollen. Aus diesem Grunde kann es denn anch
nicht hoch genug geschätzt werden, daß der preußische Staat im Besitze so vieler
kleiner und großer Domänen ist, die über alle Gegenden und unter die ver¬
schiedensten Verhältnisse des Staates verteilt sind. Unter gewissen Umständen,
auf die ich später noch kommen werde, dürfte es sogar angemessen erscheinen,
diesen Güterbesitz des Staates weiter auszudehnen. Einen Maßstab muß die
Staatsverwaltung haben, um in Recht und Billigkeit ihre gesetzgeberischen Wege
zu gehen.

Aus dem Rückgänge der Pachterträgnisse hat denn auch die Staatsver¬
waltung den allgemein herrschenden Notstand in der Landwirtschaft erkannt
und ist dem Weilern Niedergange ihrer Erträgnisse durch Einführung von
Schutzzöllen bereitwilligst entgegengekommen. Ob solcher Schutz aber für eine
längere Zeit aufrecht zu erhalten möglich sein wird, ist doch die Frage. Die
Landwirtschaft muß sich auf eine Herabsetzung, vielleicht gar einmal auf den
Wegfall derselben gefaßt machen. Er wird kommen, wenn schlechte Ernten im
Inlande hohe Preise bringen, und wir der allgemeinen Notlage der Gesamt¬
bevölkerung nicht die gesonderte der Landwirtschaft gegenüber zu halten be¬
rechtigt sind. Daß dann aber der Ausfall nicht allzu vernichtend werde, muß


Zur landwirtschaftlichen Notlage.

Versicherung nimmt nämlich die Gebäude der königlichen Domänen nach ihrem
Neubauwerte bei gegenseitiger Verbindlichkeit aller Pächter unter entsprechender
Prämie in Versicherung und hält damit das Kapital für den Fiskus bereit,
das zu ihrer Wiederaufrichtung erforderlich ist.

Unbezweifelt haben wir daher in den Staatsdomänen und deren Pachtertrag
den geeignetsten Wertmesser für den Stand des landwirtschaftlichen Gewerbes.
Es ist deshalb zu beklagen, daß das preußische Landwirtschaftsministerium sich
bisher nicht veranlaßt gesehen hat, eine Zusammenstellung von dem Ergebnis
der ausgeschriebenen Verpachtungstermine dem sich dafür lebhaft interessirenden
Publikum zu geben. So gut das Ministerium ein paar Jahre vorher durch
die landwirtschaftlichen Blätter eine genane Zusammenstellung aller demnächst
pachtfrei werdenden Domänen bringt, und zwar genau nach ihrer Größe, Zu¬
sammensetzung, Grundstenereinschützung und ihrem bisherigen Pachtertrage, unter
Namhaftmachung der derzeitigen Pächter, ebenso müßte es auch nach Ablauf
jeden Jahres eine Zusammenstellung der neuerzielten Verpachtungscrgebnisse der
Öffentlichkeit übergeben. Die Termine dafür sind öffentlich, der ganze Ver¬
lauf derselben und die Verpachtungsergcbnisse sind nach Höhe der erreichten
Pachtquote und dem Namen der neuen Pächter der Kenntnisnahme gar nicht
zu entziehen; es ist deshalb der Grund für eine solche Zurückhaltung des Mi¬
nisteriums schwer zu erklären. Eine Deklaration über die erzielten neuen Pachter
ist aber nicht bloß sür denjenigen wünschenswert, der selbst auf eine Pachtung
ausgeht, sondern auch für den. der zeitgemäß verpachten oder verkaufen will,
und ebenso für alle diejenigen, welche sich über den Stand des landwirtschaft¬
lichen Gewerbes unterrichten wollen. Aus diesem Grunde kann es denn anch
nicht hoch genug geschätzt werden, daß der preußische Staat im Besitze so vieler
kleiner und großer Domänen ist, die über alle Gegenden und unter die ver¬
schiedensten Verhältnisse des Staates verteilt sind. Unter gewissen Umständen,
auf die ich später noch kommen werde, dürfte es sogar angemessen erscheinen,
diesen Güterbesitz des Staates weiter auszudehnen. Einen Maßstab muß die
Staatsverwaltung haben, um in Recht und Billigkeit ihre gesetzgeberischen Wege
zu gehen.

Aus dem Rückgänge der Pachterträgnisse hat denn auch die Staatsver¬
waltung den allgemein herrschenden Notstand in der Landwirtschaft erkannt
und ist dem Weilern Niedergange ihrer Erträgnisse durch Einführung von
Schutzzöllen bereitwilligst entgegengekommen. Ob solcher Schutz aber für eine
längere Zeit aufrecht zu erhalten möglich sein wird, ist doch die Frage. Die
Landwirtschaft muß sich auf eine Herabsetzung, vielleicht gar einmal auf den
Wegfall derselben gefaßt machen. Er wird kommen, wenn schlechte Ernten im
Inlande hohe Preise bringen, und wir der allgemeinen Notlage der Gesamt¬
bevölkerung nicht die gesonderte der Landwirtschaft gegenüber zu halten be¬
rechtigt sind. Daß dann aber der Ausfall nicht allzu vernichtend werde, muß


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[0547] Zur landwirtschaftlichen Notlage. Versicherung nimmt nämlich die Gebäude der königlichen Domänen nach ihrem Neubauwerte bei gegenseitiger Verbindlichkeit aller Pächter unter entsprechender Prämie in Versicherung und hält damit das Kapital für den Fiskus bereit, das zu ihrer Wiederaufrichtung erforderlich ist. Unbezweifelt haben wir daher in den Staatsdomänen und deren Pachtertrag den geeignetsten Wertmesser für den Stand des landwirtschaftlichen Gewerbes. Es ist deshalb zu beklagen, daß das preußische Landwirtschaftsministerium sich bisher nicht veranlaßt gesehen hat, eine Zusammenstellung von dem Ergebnis der ausgeschriebenen Verpachtungstermine dem sich dafür lebhaft interessirenden Publikum zu geben. So gut das Ministerium ein paar Jahre vorher durch die landwirtschaftlichen Blätter eine genane Zusammenstellung aller demnächst pachtfrei werdenden Domänen bringt, und zwar genau nach ihrer Größe, Zu¬ sammensetzung, Grundstenereinschützung und ihrem bisherigen Pachtertrage, unter Namhaftmachung der derzeitigen Pächter, ebenso müßte es auch nach Ablauf jeden Jahres eine Zusammenstellung der neuerzielten Verpachtungscrgebnisse der Öffentlichkeit übergeben. Die Termine dafür sind öffentlich, der ganze Ver¬ lauf derselben und die Verpachtungsergcbnisse sind nach Höhe der erreichten Pachtquote und dem Namen der neuen Pächter der Kenntnisnahme gar nicht zu entziehen; es ist deshalb der Grund für eine solche Zurückhaltung des Mi¬ nisteriums schwer zu erklären. Eine Deklaration über die erzielten neuen Pachter ist aber nicht bloß sür denjenigen wünschenswert, der selbst auf eine Pachtung ausgeht, sondern auch für den. der zeitgemäß verpachten oder verkaufen will, und ebenso für alle diejenigen, welche sich über den Stand des landwirtschaft¬ lichen Gewerbes unterrichten wollen. Aus diesem Grunde kann es denn anch nicht hoch genug geschätzt werden, daß der preußische Staat im Besitze so vieler kleiner und großer Domänen ist, die über alle Gegenden und unter die ver¬ schiedensten Verhältnisse des Staates verteilt sind. Unter gewissen Umständen, auf die ich später noch kommen werde, dürfte es sogar angemessen erscheinen, diesen Güterbesitz des Staates weiter auszudehnen. Einen Maßstab muß die Staatsverwaltung haben, um in Recht und Billigkeit ihre gesetzgeberischen Wege zu gehen. Aus dem Rückgänge der Pachterträgnisse hat denn auch die Staatsver¬ waltung den allgemein herrschenden Notstand in der Landwirtschaft erkannt und ist dem Weilern Niedergange ihrer Erträgnisse durch Einführung von Schutzzöllen bereitwilligst entgegengekommen. Ob solcher Schutz aber für eine längere Zeit aufrecht zu erhalten möglich sein wird, ist doch die Frage. Die Landwirtschaft muß sich auf eine Herabsetzung, vielleicht gar einmal auf den Wegfall derselben gefaßt machen. Er wird kommen, wenn schlechte Ernten im Inlande hohe Preise bringen, und wir der allgemeinen Notlage der Gesamt¬ bevölkerung nicht die gesonderte der Landwirtschaft gegenüber zu halten be¬ rechtigt sind. Daß dann aber der Ausfall nicht allzu vernichtend werde, muß

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/547>, abgerufen am 24.08.2024.