Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.Ricks Lyhne. innerhalb dieser Wände gelebt und genossen, wenn ihnen die Arbeit im Kondor Der Großvater, Berendt Berendtsen Claudy, dessen Namen das Geschäft Konsul Claudy war ein angehender Fünfziger, ein stattlicher Mann mit Das war aber nicht der ganze Mann. Die Erziehung, die er genossen Es konnte überhaupt in einzelnen glücklichen Augenblicken etwas über¬ Ricks Lyhne. innerhalb dieser Wände gelebt und genossen, wenn ihnen die Arbeit im Kondor Der Großvater, Berendt Berendtsen Claudy, dessen Namen das Geschäft Konsul Claudy war ein angehender Fünfziger, ein stattlicher Mann mit Das war aber nicht der ganze Mann. Die Erziehung, die er genossen Es konnte überhaupt in einzelnen glücklichen Augenblicken etwas über¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0188" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/289311"/> <fw type="header" place="top"> Ricks Lyhne.</fw><lb/> <p xml:id="ID_647" prev="#ID_646"> innerhalb dieser Wände gelebt und genossen, wenn ihnen die Arbeit im Kondor<lb/> und auf dem Holzlager Ruhe ließ.</p><lb/> <p xml:id="ID_648"> Der Großvater, Berendt Berendtsen Claudy, dessen Namen das Geschäft<lb/> noch führte, hatte das Haus gebaut und sich hauptsächlich für das Laden- und<lb/> Produktengcschäft interessirt, der Vater hatte das Holzgeschäft in die Höhe<lb/> gebracht, Felder und Grundstücke gekauft, den Laden gebaut und die beiden<lb/> Gärten angelegt. Der jetzt lebende Claudy hatte sich auf den Kornhandel ge¬<lb/> worfen, hatte den Speicher und die Wirksamkeit eines englischen und hannöverschen<lb/> Konsuls sowie eines Lloydagenten mit seiner Thätigkeit als Kaufmann ver-<lb/> bunden. Das Korn und die Nordsee nahmen seine Zeit derart in Anspruch,<lb/> daß er nur eine dilettantische Aufsicht über die übrigen Zweige seines Geschäftes<lb/> führen konnte, weshalb er diese zwischen einem bankerotten Vetter und einem<lb/> alten, schwer umgänglichen Verwalter geteilt hatte. Der letztere aber setzte dem<lb/> Konsul jeden Augenblick den Stuhl vor die Thür, indem er behauptete, es sei<lb/> ganz einerlei, wie es mit dem Geschäft ginge, der Acker müsse aber bestellt<lb/> werden, und wenn er pflügen wolle, so müßten die andern sehen, woher sie<lb/> Pferde zum Holzfahren bekämen, sein Gespan» brauche er selber. Weil aber<lb/> der Mann sehr tüchtig war, ließ sich daran nichts ändern.</p><lb/> <p xml:id="ID_649"> Konsul Claudy war ein angehender Fünfziger, ein stattlicher Mann mit<lb/> regelmäßigen, kräftigen, an das Plumpe streifenden Zügen, die sich ebenso leicht<lb/> zu dem Ausdruck von Energie und Verschlagenheit zusammenzogen, wie sie den<lb/> Ausdruck gierigen Genusses annehmen konnten. Er war auch wirklich ebenso<lb/> sehr in seinem Element, wenn er einen Handel mit den schlauen Bauern abschloß<lb/> oder mit einer Schar eigensinniger Bürger akkordirte, als wenn er bei einer<lb/> letzten Flasche Portwein zwischen grauhaarigen Sündern saß und einer mehr als<lb/> schlüpfrigen Geschichte lauschte oder auch selbst eine solche in der drastischen<lb/> Weise erzählte, in der er berühmt war.</p><lb/> <p xml:id="ID_650"> Das war aber nicht der ganze Mann. Die Erziehung, die er genossen<lb/> hatte, brachte es mit sich, daß er sich auf Gebieten, die außerhalb des rein<lb/> Praktischen lagen, nicht zu Hause fühlte, aber deshalb verachtete er keineswegs<lb/> das, was er nicht verstand, auch suchte er es nicht zu verbergen, daß er es<lb/> nicht verstand, indem er etwa anredete und verlangte, daß man sein Geschwätz<lb/> beachten solle, weil er ein älterer, praktisch erfahrener, hochbesteuerter Bürger<lb/> war. Im Gegenteil. Er konnte mit einer rührenden Andacht dasitzen und<lb/> dem Gespräche junger Damen und Herren lauschen und hin und wieder nach<lb/> vielen Entschuldigungen eine bescheidene Frage äußern, die fast ausnahmslos<lb/> aufs umständlichste beantwortet wurde, worauf er dann mit der ganzen Ver¬<lb/> bindlichkeit dankte, die Ältere so schön in ihren Dank der Jugend gegenüber<lb/> legen können.</p><lb/> <p xml:id="ID_651" next="#ID_652"> Es konnte überhaupt in einzelnen glücklichen Augenblicken etwas über¬<lb/> raschend Zartes über Konsul Claudy liegen, ein sehnender Ausdruck in seinen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0188]
Ricks Lyhne.
innerhalb dieser Wände gelebt und genossen, wenn ihnen die Arbeit im Kondor
und auf dem Holzlager Ruhe ließ.
Der Großvater, Berendt Berendtsen Claudy, dessen Namen das Geschäft
noch führte, hatte das Haus gebaut und sich hauptsächlich für das Laden- und
Produktengcschäft interessirt, der Vater hatte das Holzgeschäft in die Höhe
gebracht, Felder und Grundstücke gekauft, den Laden gebaut und die beiden
Gärten angelegt. Der jetzt lebende Claudy hatte sich auf den Kornhandel ge¬
worfen, hatte den Speicher und die Wirksamkeit eines englischen und hannöverschen
Konsuls sowie eines Lloydagenten mit seiner Thätigkeit als Kaufmann ver-
bunden. Das Korn und die Nordsee nahmen seine Zeit derart in Anspruch,
daß er nur eine dilettantische Aufsicht über die übrigen Zweige seines Geschäftes
führen konnte, weshalb er diese zwischen einem bankerotten Vetter und einem
alten, schwer umgänglichen Verwalter geteilt hatte. Der letztere aber setzte dem
Konsul jeden Augenblick den Stuhl vor die Thür, indem er behauptete, es sei
ganz einerlei, wie es mit dem Geschäft ginge, der Acker müsse aber bestellt
werden, und wenn er pflügen wolle, so müßten die andern sehen, woher sie
Pferde zum Holzfahren bekämen, sein Gespan» brauche er selber. Weil aber
der Mann sehr tüchtig war, ließ sich daran nichts ändern.
Konsul Claudy war ein angehender Fünfziger, ein stattlicher Mann mit
regelmäßigen, kräftigen, an das Plumpe streifenden Zügen, die sich ebenso leicht
zu dem Ausdruck von Energie und Verschlagenheit zusammenzogen, wie sie den
Ausdruck gierigen Genusses annehmen konnten. Er war auch wirklich ebenso
sehr in seinem Element, wenn er einen Handel mit den schlauen Bauern abschloß
oder mit einer Schar eigensinniger Bürger akkordirte, als wenn er bei einer
letzten Flasche Portwein zwischen grauhaarigen Sündern saß und einer mehr als
schlüpfrigen Geschichte lauschte oder auch selbst eine solche in der drastischen
Weise erzählte, in der er berühmt war.
Das war aber nicht der ganze Mann. Die Erziehung, die er genossen
hatte, brachte es mit sich, daß er sich auf Gebieten, die außerhalb des rein
Praktischen lagen, nicht zu Hause fühlte, aber deshalb verachtete er keineswegs
das, was er nicht verstand, auch suchte er es nicht zu verbergen, daß er es
nicht verstand, indem er etwa anredete und verlangte, daß man sein Geschwätz
beachten solle, weil er ein älterer, praktisch erfahrener, hochbesteuerter Bürger
war. Im Gegenteil. Er konnte mit einer rührenden Andacht dasitzen und
dem Gespräche junger Damen und Herren lauschen und hin und wieder nach
vielen Entschuldigungen eine bescheidene Frage äußern, die fast ausnahmslos
aufs umständlichste beantwortet wurde, worauf er dann mit der ganzen Ver¬
bindlichkeit dankte, die Ältere so schön in ihren Dank der Jugend gegenüber
legen können.
Es konnte überhaupt in einzelnen glücklichen Augenblicken etwas über¬
raschend Zartes über Konsul Claudy liegen, ein sehnender Ausdruck in seinen
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