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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

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Sind die heutigen Arbeiterunterstiitzimgsverba'nde Versicherungsgesellschaften?

darstellt, hat nun das A. L.-R. (II. 6, ZZ 2--24) die ihm eigentümlichen "er¬
laubten," beziehentlich "privilegirten" Gesellschaften eingeschoben, welche nur nach
innen, aber nicht nach außen als juristische Personen behandelt und deshalb in
der Rechtswissenschaft"') auch vielfach als "halbe juristische Personen" oder als
"korporative Gesellschaften" bezeichnet werden; sie bedeuten Pcrsonenverbindungen
mit veränderlichem Mitgliederstande und nur nach innen korporativer Verfas¬
sung, die nicht ausschließlich gemeinnützigen oder privaten Interessen dienen,
vielmehr die Förderung gewisser Kollektivinteressen, insbesondre der sozialen Be¬
rufsinteressen bezwecken. Die Gesellschaften dieser Art wurzeln ein sich im Pri¬
vatrechte, berühren aber in ihrer Wirksamkeit derart das öffentliche Interesse,
daß sie gleich den Korporationen durchweg der Staatsaufsicht unterworfen und
teilweise, namentlich durch die spätere Gesetzgebung, von einer besondern staatlichen
Zulassung abhängig gemacht worden sind. (II, 13, Z 13, I, 11, § 651 a. a. O.)

Die grundsätzliche Verschiedenheit dieser drei Arten von Gesellschaften tritt
schon in privatrechtlicher Beziehung, d. h. hinsichtlich der Rechts- und Proze߬
fähigkeit, scharf hervor.

Nur die Korporation stellt ein von ihren Mitgliedern verschiednes selb¬
ständiges Rechtssubjekt dar; sie allein kann deshalb unter ihrem Namen Rechte
(insbesondre Grundeigentum) erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, vor Ge¬
richt klagen und verklagt werden; das Geschäftsvermögen gehört ihr, und sie
haftet damit für die Gesellschaftsschulden; der einzelne Gesellschafter wird per¬
sönlich weder berechtigt noch verpflichtet und hat beim Ausscheiden keinen Ab¬
findungsanspruch, auch wird das Gesellschaftsvermögen bei Auflösung der Kor¬
poration nicht verteilt, sondern verbleibt seiner gemeinnützigen Bestimmung, d. h.
im Zweifel dem Staate.

Die Sozietät dagegen bildet kein eignes Rechtssubjekt, ist daher als solche
rechtsuufähig, d. h. nur die Gesellschafter werden persönlich und solidarisch be¬
rechtigt wie verpflichtet; das Gesellschaftsvermögen ist ihr gemeinschaftliches
Eigentum, der Ausscheidende kann die Herausgabe seines Anteils verlangen,
und bei der Auflösung der Gesellschaft findet die Verteilung unter die übrig
gebliebenen statt.

Auch die "erlaubte" Gesellschaft stellt als solche kein eignes Rechtssubjekt
dar, weil es an der dazu erforderlichen Voraussetzung, d. h. der ausdrücklichen
Anerkennung des Staates, fehlt; es ist daher durchaus folgerichtig, daß diesen
Gesellschaften in Z 13, II, 6 A. L.-R. die Rechtsfähigkeit ausdrücklich abgesprochen
ist, und wenn demgegenüber die neuere Gerichtspraxis**) allen Gesellschaften
mit veränderlichem Mitgliederbestande oder korporativer Verfassung, aber ohne
juristische Persönlichkeit ausnahmslos die Fähigkeit zuspricht, unter ihrem Namen




*) S. Entscheidungen des Reichsoberhandelsgerichts Bd. 13, S. 393 ff.
Entscheidungen des Reichsgerichts Bd. 4, S. 156, Bd. 8, S. 121, Bd. 12, S, 398,
Sind die heutigen Arbeiterunterstiitzimgsverba'nde Versicherungsgesellschaften?

darstellt, hat nun das A. L.-R. (II. 6, ZZ 2—24) die ihm eigentümlichen „er¬
laubten," beziehentlich „privilegirten" Gesellschaften eingeschoben, welche nur nach
innen, aber nicht nach außen als juristische Personen behandelt und deshalb in
der Rechtswissenschaft"') auch vielfach als „halbe juristische Personen" oder als
„korporative Gesellschaften" bezeichnet werden; sie bedeuten Pcrsonenverbindungen
mit veränderlichem Mitgliederstande und nur nach innen korporativer Verfas¬
sung, die nicht ausschließlich gemeinnützigen oder privaten Interessen dienen,
vielmehr die Förderung gewisser Kollektivinteressen, insbesondre der sozialen Be¬
rufsinteressen bezwecken. Die Gesellschaften dieser Art wurzeln ein sich im Pri¬
vatrechte, berühren aber in ihrer Wirksamkeit derart das öffentliche Interesse,
daß sie gleich den Korporationen durchweg der Staatsaufsicht unterworfen und
teilweise, namentlich durch die spätere Gesetzgebung, von einer besondern staatlichen
Zulassung abhängig gemacht worden sind. (II, 13, Z 13, I, 11, § 651 a. a. O.)

Die grundsätzliche Verschiedenheit dieser drei Arten von Gesellschaften tritt
schon in privatrechtlicher Beziehung, d. h. hinsichtlich der Rechts- und Proze߬
fähigkeit, scharf hervor.

Nur die Korporation stellt ein von ihren Mitgliedern verschiednes selb¬
ständiges Rechtssubjekt dar; sie allein kann deshalb unter ihrem Namen Rechte
(insbesondre Grundeigentum) erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, vor Ge¬
richt klagen und verklagt werden; das Geschäftsvermögen gehört ihr, und sie
haftet damit für die Gesellschaftsschulden; der einzelne Gesellschafter wird per¬
sönlich weder berechtigt noch verpflichtet und hat beim Ausscheiden keinen Ab¬
findungsanspruch, auch wird das Gesellschaftsvermögen bei Auflösung der Kor¬
poration nicht verteilt, sondern verbleibt seiner gemeinnützigen Bestimmung, d. h.
im Zweifel dem Staate.

Die Sozietät dagegen bildet kein eignes Rechtssubjekt, ist daher als solche
rechtsuufähig, d. h. nur die Gesellschafter werden persönlich und solidarisch be¬
rechtigt wie verpflichtet; das Gesellschaftsvermögen ist ihr gemeinschaftliches
Eigentum, der Ausscheidende kann die Herausgabe seines Anteils verlangen,
und bei der Auflösung der Gesellschaft findet die Verteilung unter die übrig
gebliebenen statt.

Auch die „erlaubte" Gesellschaft stellt als solche kein eignes Rechtssubjekt
dar, weil es an der dazu erforderlichen Voraussetzung, d. h. der ausdrücklichen
Anerkennung des Staates, fehlt; es ist daher durchaus folgerichtig, daß diesen
Gesellschaften in Z 13, II, 6 A. L.-R. die Rechtsfähigkeit ausdrücklich abgesprochen
ist, und wenn demgegenüber die neuere Gerichtspraxis**) allen Gesellschaften
mit veränderlichem Mitgliederbestande oder korporativer Verfassung, aber ohne
juristische Persönlichkeit ausnahmslos die Fähigkeit zuspricht, unter ihrem Namen




*) S. Entscheidungen des Reichsoberhandelsgerichts Bd. 13, S. 393 ff.
Entscheidungen des Reichsgerichts Bd. 4, S. 156, Bd. 8, S. 121, Bd. 12, S, 398,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/168>, abgerufen am 24.08.2024.