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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

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Tagebnchblätier eines Sonntagsphilosoxhen.

sorte ä'inrinense Airs nuce, g.veo äos etoiles, er findet seinen reinsten und
höchsten Ausdruck in der Musik, was nachher geistreich und geistreichelnd weit
ausgeführt wird, auch wie mit wohlwollendem nachfühlen unsrer politischen
UnVollkommenheit. Vorher aber noch: 8i 1'aine iZ-Ueing-nah g-v^it "reg-ut as
äensite eine et'etenäue, o'est-a-aire antient 6e volonte ^ne 6s taeulte', eile
xourrait, Ä um moment- 6onnv, soulever et sMver 1s Zenre nnnrain: wenn
sie eben so viel Dichtigkeit als Ausdehnung hätte, d. h. ebenso viel Willen als
Fähigkeit, könnte die deutsche Seele in einem gegebenen Augenblicke das Menschen¬
geschlecht erheben und retten, aus der unendlichen wolkig sternreichen Seele, die
in Gasform über den Nationen schwebt, könnte einmal das Heil für die Mensch¬
heit kommen, wenn das Gas sich zu Kraft verdichtete! Wunderbar! Was wir
dazu sagen sollen? zumal nun nach 1870? Lieber nichts, als daß wir dankend
den hohen Sinn des Franzosen anerkennen, der so stolz war auf die Cultur-
Höhe seines Frankreich als Führerin der Menschheit, auf Paris als das Gehirn
der Welt. Und doch noch etwas: ist es nicht, nur überschwänglich gefaßt,
eigentlich dasselbe, was uns vorhin an dem geschichtlichen Faden der deutschen
Entwickelung in die Hand ging? und wiederum dasselbe eigentlich dem Kerne
nach, was in den Prophezeiungen des närrischen Jupiter im Simplicissimus,
ja in Sibhllen Weissagung aus dem vierzehnten Jahrhundert vom deutschen
Helden der Zukunft gesagt ist? Auch noch aus Pfizers Briefwechsel ließe es
sich als Grundgedanke nachweisen, daß Victor Hugo damit herzlich hätte einig
sein können, wie schon die oben angeführte Stelle andeutet.

Als wir 1870 um unsre endliche Auseinandersetzung und Abrechnung mit
Frankreich kämpften, die sie ja selbst begehrt hatten, sah in England drüben ein
Mann jubelnd zu, Thomas Carlyle, der alte begeisterte Freund des deutschen
Geistes und grenzenlose Bewunderer Friedrichs des Großen, auch eine rechte Pro¬
phetennatur; er prophezeite unsern Sieg, damit aber den Übergang der Führung
der modernen Entwickelung an Deutschland: (-crura^ c>nM to dö ^residere
ok Durons, g,na pill g-Min (wie einmal schon im Mittelalter), it sesins, dö trisä
vier trat oMes lor anotnsr live esnturies or so (Monate, Ib.. OarlM, Iris Ule
2, 401); es sollte im Kampfe mit dem Teufel, wie er das Culturelend nannte,
vollenden, was Frankreich in der Zeit seiner Vorherrschaft halb gethan gelassen
hätte: Ib." Hsrinan rase, not tue (?g.suo, ars nov to ve tbs Protagonist in
that immense- norlÄ-äraina. (Lssg^s 07 0. 7, 249).

Jetzt nehmen im Osten die Russen die Rolle des Retters der europäischen
Zukunft in Anspruch, wie im vorigen Jahrhundert im Westen die Franzosen
thaten. Nun wenn die Rettung nur kommt, thue jeder dazu, was er kann, es
ist dabei mehr Schweiß zu holen als Lorbern. Wir aber mußten zunächst uns
selber retten, und die Russen sollen das erst noch fertig bringen. Also mutig
in die Zukunft hinein, aber mit dem europäischen Gemeinsinn, den Victor Hugos
Worte atmen und der auch gut deutsch ist.


Tagebnchblätier eines Sonntagsphilosoxhen.

sorte ä'inrinense Airs nuce, g.veo äos etoiles, er findet seinen reinsten und
höchsten Ausdruck in der Musik, was nachher geistreich und geistreichelnd weit
ausgeführt wird, auch wie mit wohlwollendem nachfühlen unsrer politischen
UnVollkommenheit. Vorher aber noch: 8i 1'aine iZ-Ueing-nah g-v^it »reg-ut as
äensite eine et'etenäue, o'est-a-aire antient 6e volonte ^ne 6s taeulte', eile
xourrait, Ä um moment- 6onnv, soulever et sMver 1s Zenre nnnrain: wenn
sie eben so viel Dichtigkeit als Ausdehnung hätte, d. h. ebenso viel Willen als
Fähigkeit, könnte die deutsche Seele in einem gegebenen Augenblicke das Menschen¬
geschlecht erheben und retten, aus der unendlichen wolkig sternreichen Seele, die
in Gasform über den Nationen schwebt, könnte einmal das Heil für die Mensch¬
heit kommen, wenn das Gas sich zu Kraft verdichtete! Wunderbar! Was wir
dazu sagen sollen? zumal nun nach 1870? Lieber nichts, als daß wir dankend
den hohen Sinn des Franzosen anerkennen, der so stolz war auf die Cultur-
Höhe seines Frankreich als Führerin der Menschheit, auf Paris als das Gehirn
der Welt. Und doch noch etwas: ist es nicht, nur überschwänglich gefaßt,
eigentlich dasselbe, was uns vorhin an dem geschichtlichen Faden der deutschen
Entwickelung in die Hand ging? und wiederum dasselbe eigentlich dem Kerne
nach, was in den Prophezeiungen des närrischen Jupiter im Simplicissimus,
ja in Sibhllen Weissagung aus dem vierzehnten Jahrhundert vom deutschen
Helden der Zukunft gesagt ist? Auch noch aus Pfizers Briefwechsel ließe es
sich als Grundgedanke nachweisen, daß Victor Hugo damit herzlich hätte einig
sein können, wie schon die oben angeführte Stelle andeutet.

Als wir 1870 um unsre endliche Auseinandersetzung und Abrechnung mit
Frankreich kämpften, die sie ja selbst begehrt hatten, sah in England drüben ein
Mann jubelnd zu, Thomas Carlyle, der alte begeisterte Freund des deutschen
Geistes und grenzenlose Bewunderer Friedrichs des Großen, auch eine rechte Pro¬
phetennatur; er prophezeite unsern Sieg, damit aber den Übergang der Führung
der modernen Entwickelung an Deutschland: (-crura^ c>nM to dö ^residere
ok Durons, g,na pill g-Min (wie einmal schon im Mittelalter), it sesins, dö trisä
vier trat oMes lor anotnsr live esnturies or so (Monate, Ib.. OarlM, Iris Ule
2, 401); es sollte im Kampfe mit dem Teufel, wie er das Culturelend nannte,
vollenden, was Frankreich in der Zeit seiner Vorherrschaft halb gethan gelassen
hätte: Ib.« Hsrinan rase, not tue (?g.suo, ars nov to ve tbs Protagonist in
that immense- norlÄ-äraina. (Lssg^s 07 0. 7, 249).

Jetzt nehmen im Osten die Russen die Rolle des Retters der europäischen
Zukunft in Anspruch, wie im vorigen Jahrhundert im Westen die Franzosen
thaten. Nun wenn die Rettung nur kommt, thue jeder dazu, was er kann, es
ist dabei mehr Schweiß zu holen als Lorbern. Wir aber mußten zunächst uns
selber retten, und die Russen sollen das erst noch fertig bringen. Also mutig
in die Zukunft hinein, aber mit dem europäischen Gemeinsinn, den Victor Hugos
Worte atmen und der auch gut deutsch ist.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/150>, abgerufen am 22.07.2024.