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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

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Die Kriegsmacht des Friedensbundcs und die seiner Gegner.

75 Kompagnien Alpenjäger und 100 Kompagnien Festungsartillerie von diesem
Landsturme bilden und ausrüsten zu können. Vorläufig wird das bereits Fer¬
tige ungefähr ausreichen, um mit Aussicht auf Erfolg Operationen außerhalb
der Grenzen zu wagen; man kann dazu die weitaus größere Hälfte der
500 000 Mann des stehenden Heeres verwenden, weil der Rest mit der vor¬
handenen mobilen Miliz bei der Stärke der italienischen Flotte, zu welcher in
der Adria österreichische Schiffe stoßen würden, zur Verteidigung der allerdings
langgestreckten Küsten wahrscheinlich genügen wird. Der italienische Soldat,
namentlich der aus den nördlichen Provinzen des Königreichs, besitzt vortreffliche
Eigenschaften, er hat sich auch, wo er Niederlagen erlitt, immer tapfer geschlagen,
ist genügsam und rasch und auf Märschen ausdauernd. Seine militärische Aus¬
bildung läßt aber auch in den südlichen Regimentern wenig mehr zu wünschen
übrig. Das Offizierkorps, das anfangs im Drange der Verhältnisse aus sehr
verschiednen Elementen, darunter auch wenig brauchbaren und achtungswerten,
zusammengestellt war, ist von Jahr zu Jahr besser geworden, und gegenwärtig
bildet es ein durchaus einheitliches und tüchtiges Ganze, das dem, was wir
an unserm Offizierkorps besitzen, wenig nachsteht. Der italienische Offizier hat,
wie der Italiener überhaupt, eine gute Haltung, die durch eine schmucke Uniform
gehoben wird, er ist im ganzen begabt, rasch im Auffassen, gewandt und steht,
schon weil Italien keine strenge Scheidung der Gesellschaftsklassen kennt, seinem
Untergebenen von Natur gemütlich nahe. Von einem engen, außerdienstlichen
Zusammenleben der Offiziere im Regiments, wie es bei uns Regel ist, wollen
die italienischen Kameraden wenig wissen. Seltsam erscheint, aber nicht selten
ist es, daß man Offiziere höhern Grades mit ihrer Ordonnanz den Markt be¬
suchen und Einkäufe für die Wirtschaft machen sieht. Aber ländlich, sittlich;
auch ist das eine Nebensache, die den wesentlichen Eigenschaften des Militärs
keinen Eintrag thut. Für eine gründliche Fachausbildung der Offiziersaspi¬
ranten und der jüngern Offiziere sind alle Vorkehrungen getroffen, und auch
die spätere militärische Entwicklung wird eifrig und zweckmäßig gefördert. Po¬
lnischer Parteigeist endlich hat in den Kreisen der italienischen Offiziere von
heute so wenig Zutritt wie in denen der deutschen. Auch dort giebt es keinen
Boulanger und keine Möglichkeit zu Pronunciamentos.

Zum Schluß noch ein paar Worte über die italienische Flotte, die, wie
angedeutet, für die lang ins Meer gestreckte apenninische Halbinsel mit ihren
beiden großen Inseln bei der Nachbarschaft des seemächtigen Frankreich von
großer Wichtigkeit ist. Die Flottenliste vom 1. Januar dieses Jahres weist im
ganzen 247 Schiffe auf, von denen 178 für Kampfzwecke bestimmt sind. Unter
diesen befinden sich 18 Schlachtschiffe erster, 16 zweiter und 25 dritter Klasse.
Unter denen der ersten Klasse begegnen wir 3 (Umberto, Sicilia und Sardegna)
Panzern der größten Art von 13 298 Tonnen Deplacement, 19 500 indi-
zirter Pferdekraft und 18 Knoten Fahrt, die zwar noch im Baue sind, aber


Die Kriegsmacht des Friedensbundcs und die seiner Gegner.

75 Kompagnien Alpenjäger und 100 Kompagnien Festungsartillerie von diesem
Landsturme bilden und ausrüsten zu können. Vorläufig wird das bereits Fer¬
tige ungefähr ausreichen, um mit Aussicht auf Erfolg Operationen außerhalb
der Grenzen zu wagen; man kann dazu die weitaus größere Hälfte der
500 000 Mann des stehenden Heeres verwenden, weil der Rest mit der vor¬
handenen mobilen Miliz bei der Stärke der italienischen Flotte, zu welcher in
der Adria österreichische Schiffe stoßen würden, zur Verteidigung der allerdings
langgestreckten Küsten wahrscheinlich genügen wird. Der italienische Soldat,
namentlich der aus den nördlichen Provinzen des Königreichs, besitzt vortreffliche
Eigenschaften, er hat sich auch, wo er Niederlagen erlitt, immer tapfer geschlagen,
ist genügsam und rasch und auf Märschen ausdauernd. Seine militärische Aus¬
bildung läßt aber auch in den südlichen Regimentern wenig mehr zu wünschen
übrig. Das Offizierkorps, das anfangs im Drange der Verhältnisse aus sehr
verschiednen Elementen, darunter auch wenig brauchbaren und achtungswerten,
zusammengestellt war, ist von Jahr zu Jahr besser geworden, und gegenwärtig
bildet es ein durchaus einheitliches und tüchtiges Ganze, das dem, was wir
an unserm Offizierkorps besitzen, wenig nachsteht. Der italienische Offizier hat,
wie der Italiener überhaupt, eine gute Haltung, die durch eine schmucke Uniform
gehoben wird, er ist im ganzen begabt, rasch im Auffassen, gewandt und steht,
schon weil Italien keine strenge Scheidung der Gesellschaftsklassen kennt, seinem
Untergebenen von Natur gemütlich nahe. Von einem engen, außerdienstlichen
Zusammenleben der Offiziere im Regiments, wie es bei uns Regel ist, wollen
die italienischen Kameraden wenig wissen. Seltsam erscheint, aber nicht selten
ist es, daß man Offiziere höhern Grades mit ihrer Ordonnanz den Markt be¬
suchen und Einkäufe für die Wirtschaft machen sieht. Aber ländlich, sittlich;
auch ist das eine Nebensache, die den wesentlichen Eigenschaften des Militärs
keinen Eintrag thut. Für eine gründliche Fachausbildung der Offiziersaspi¬
ranten und der jüngern Offiziere sind alle Vorkehrungen getroffen, und auch
die spätere militärische Entwicklung wird eifrig und zweckmäßig gefördert. Po¬
lnischer Parteigeist endlich hat in den Kreisen der italienischen Offiziere von
heute so wenig Zutritt wie in denen der deutschen. Auch dort giebt es keinen
Boulanger und keine Möglichkeit zu Pronunciamentos.

Zum Schluß noch ein paar Worte über die italienische Flotte, die, wie
angedeutet, für die lang ins Meer gestreckte apenninische Halbinsel mit ihren
beiden großen Inseln bei der Nachbarschaft des seemächtigen Frankreich von
großer Wichtigkeit ist. Die Flottenliste vom 1. Januar dieses Jahres weist im
ganzen 247 Schiffe auf, von denen 178 für Kampfzwecke bestimmt sind. Unter
diesen befinden sich 18 Schlachtschiffe erster, 16 zweiter und 25 dritter Klasse.
Unter denen der ersten Klasse begegnen wir 3 (Umberto, Sicilia und Sardegna)
Panzern der größten Art von 13 298 Tonnen Deplacement, 19 500 indi-
zirter Pferdekraft und 18 Knoten Fahrt, die zwar noch im Baue sind, aber


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/126>, abgerufen am 22.07.2024.