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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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verhält es sich so, und nicht bloß bei den kommunalen, sondern auch bei den könig¬
lichen Polizeiverwaltungen. Der Grund zu dieser Erscheinung mag teilweise
darin liegen, daß die Benennung Polizeiinspektor und Polizeikommissar den aus¬
geschiedenen Offizieren nicht standesgemäß erscheint und zu der Annahme Veran¬
lassung giebt, es stehe eine solche Stelle unter der eines Polizeileutnants in Berlin.
Der wesentliche Grund aber liegt nicht in den mangelnden Meldungen außer¬
dienstlicher Offiziere, sondern in der Abneigung vieler Behörden gegen sie und in
der unzureichenden Kontrolle der austeilenden Behörden und Beamten. Die er¬
wähnten ministeriellen Bestimmungen treffen auch für die heutige Zeit vollständig
zu, ja in höherm Grade als früher, da die heutige, mehr zum Gemeingute ge¬
wordene Bildung höhere Ansprüche an die Beamten stellt. Es unterliegt keinem
Zweifel, daß der Unteroffizierstand der preußischen Armee -- Ausnahmen sind
selbstverständlich -- im allgemeinen nicht die Bildung hat, die zu einem Polizei¬
kommissar (Polizeileutnant) und Polizeiinspektor (Polizeihauptmann) heutzutage
unbedingt nötig ist. Die allmähliche und gründliche Anleitung der Schutzleute,
sowie die Stellung zu diesen, das Studium und die Anwendung der zahlreichen
und oft verwickelten Strafgesetze (Gewerbeordnung, Strafprozeßordnung 2c.),
der Gebrauch der unzähligen Ortspolizeiverordnungen, die bei den heutigen
Verkehrsverhältnissen nötige Kenntnis fremder Sprachen erfordern eine gute, über
das Gebiet der Volksschule hinausgehende Schulbildung und eine hinreichende
Aneignung guter gesellschaftlicher Formen, wie man sie in dem Unteroffizier¬
stande nicht erwarten kann, wohl aber bei den Offizieren findet. Der Mangel
solcher Elemente in dem Exekutivpersonal verschuldet in nicht geringem Grade
die ungenügende Ausbildung der Schutzleute, Polizeisergeanten und Polizei¬
diener und das oft bemerkte unsichere öffentliche Auftreten derselben. Daß
bei solchen Gelegenheiten nicht wieder gut zu machende Fehler vorkommen, ist
schon hieraus leicht erklärlich. Liegt aber die Notwendigkeit vor, gebildetere
Elemente im Polizeidienste zu verwenden, so möge man nicht länger zögern, die
vorerwähnten Anstellungsbestimmungen von neuem wieder und zwar dauernd zur
Anwendung zu bringen. Sehr ratsam erscheint es übrigens, daß tüchtige, aus dem
Offizierstande hervorgegangene Exekutivbeamte auch in höhere Polizeistellen be¬
fördert werden, da diese ihrer Natur nach nicht dazu bestimmt sind, Durch¬
gangsstationen zu sein, auf denen Lehrgeld bezahlt werden muß, sondern erst
dann zum Vorteile des betreffenden Verwaltungsbezirkes ausgefüllt werden können,
wenn die Beamten sich genaue Orts- und vielfache Personenkenntnis angeeignet
haben. Die bei den preußischen Offizieren verlangte Schulbildung der Real¬
gymnasien macht sie zu dergleichen Stellen sehr geeignet.

Die obenerwähnte Zahl der fehlenden höhern Exckutivbeamten in den
preußischen Städten über 25000 Seelen mit kommunaler Polizeiverwaltung
erhöht sich noch ganz erheblich durch Hinzurechnung der königlichen Polizei¬
verwaltungen. Von ganz besondrer Wichtigkeit dürfte aber der Umstand sein,


verhält es sich so, und nicht bloß bei den kommunalen, sondern auch bei den könig¬
lichen Polizeiverwaltungen. Der Grund zu dieser Erscheinung mag teilweise
darin liegen, daß die Benennung Polizeiinspektor und Polizeikommissar den aus¬
geschiedenen Offizieren nicht standesgemäß erscheint und zu der Annahme Veran¬
lassung giebt, es stehe eine solche Stelle unter der eines Polizeileutnants in Berlin.
Der wesentliche Grund aber liegt nicht in den mangelnden Meldungen außer¬
dienstlicher Offiziere, sondern in der Abneigung vieler Behörden gegen sie und in
der unzureichenden Kontrolle der austeilenden Behörden und Beamten. Die er¬
wähnten ministeriellen Bestimmungen treffen auch für die heutige Zeit vollständig
zu, ja in höherm Grade als früher, da die heutige, mehr zum Gemeingute ge¬
wordene Bildung höhere Ansprüche an die Beamten stellt. Es unterliegt keinem
Zweifel, daß der Unteroffizierstand der preußischen Armee — Ausnahmen sind
selbstverständlich — im allgemeinen nicht die Bildung hat, die zu einem Polizei¬
kommissar (Polizeileutnant) und Polizeiinspektor (Polizeihauptmann) heutzutage
unbedingt nötig ist. Die allmähliche und gründliche Anleitung der Schutzleute,
sowie die Stellung zu diesen, das Studium und die Anwendung der zahlreichen
und oft verwickelten Strafgesetze (Gewerbeordnung, Strafprozeßordnung 2c.),
der Gebrauch der unzähligen Ortspolizeiverordnungen, die bei den heutigen
Verkehrsverhältnissen nötige Kenntnis fremder Sprachen erfordern eine gute, über
das Gebiet der Volksschule hinausgehende Schulbildung und eine hinreichende
Aneignung guter gesellschaftlicher Formen, wie man sie in dem Unteroffizier¬
stande nicht erwarten kann, wohl aber bei den Offizieren findet. Der Mangel
solcher Elemente in dem Exekutivpersonal verschuldet in nicht geringem Grade
die ungenügende Ausbildung der Schutzleute, Polizeisergeanten und Polizei¬
diener und das oft bemerkte unsichere öffentliche Auftreten derselben. Daß
bei solchen Gelegenheiten nicht wieder gut zu machende Fehler vorkommen, ist
schon hieraus leicht erklärlich. Liegt aber die Notwendigkeit vor, gebildetere
Elemente im Polizeidienste zu verwenden, so möge man nicht länger zögern, die
vorerwähnten Anstellungsbestimmungen von neuem wieder und zwar dauernd zur
Anwendung zu bringen. Sehr ratsam erscheint es übrigens, daß tüchtige, aus dem
Offizierstande hervorgegangene Exekutivbeamte auch in höhere Polizeistellen be¬
fördert werden, da diese ihrer Natur nach nicht dazu bestimmt sind, Durch¬
gangsstationen zu sein, auf denen Lehrgeld bezahlt werden muß, sondern erst
dann zum Vorteile des betreffenden Verwaltungsbezirkes ausgefüllt werden können,
wenn die Beamten sich genaue Orts- und vielfache Personenkenntnis angeeignet
haben. Die bei den preußischen Offizieren verlangte Schulbildung der Real¬
gymnasien macht sie zu dergleichen Stellen sehr geeignet.

Die obenerwähnte Zahl der fehlenden höhern Exckutivbeamten in den
preußischen Städten über 25000 Seelen mit kommunaler Polizeiverwaltung
erhöht sich noch ganz erheblich durch Hinzurechnung der königlichen Polizei¬
verwaltungen. Von ganz besondrer Wichtigkeit dürfte aber der Umstand sein,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/70>, abgerufen am 22.07.2024.