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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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und kleine Herren. Für viele gehört, wie es scheint, zum Morgenkaffee außer
der Zigarre auch der eigne Name in Druckerschwärze, und dieser Genuß muß
durch kleine Gefälligkeiten erkauft werden. Man lädt die Redakteure zu sich
ein und läßt es sich gefallen, von ihnen an öffentlichen Orten vertraulich be¬
grüßt zu werden, und dafür entschädigt man sich im Kreise der Standes¬
genossen durch Klagen über die Zudringlichkeit des "Federviehs", mit dem
man sich leider bei diesen Zeiten gut stellen müsse u. s. in. Doch ist damit nicht
immer die Sache abgethan. Solche sozusagen freundschaftliche Beziehungen
können gefährlicher werden, als die geschäftsmäßig geregelte" mit Soll und
Haben, Saldo mir und Saldo dir. Ein Staatsmann hat das Recht zu sagen:
"Ich bin nur für das verantwortlich, was in amtlicher Form auftritt." Wie
aber will der Privatmann die Frage beantworten, weshalb er gerade dieses
oder jenes Journal mit seinem Vertrauen beehre, dessen politische Färbung
ihm doch bekannt sein müsse? Kann erden Verdacht abwehren, daß die Über¬
einstimmung mit der politischen Haltung des Blattes seine Wahl bestimmt
habe? Und daraus können allerdings sehr lästige Folgerungen gezogen werden.

Was den Anstifter des ganzen Lärms betrifft, so hat er augenscheinlich
nur von sich reden machen wollen, und es ist verständlich, daß seine magya¬
rischen Kollegen entrüstet ausrufen: "Was geht es uns an, wenn das deutsche
Organ der Budapester Börse sich wichtig macht?" Nur werden sie gut thun,
dafür zu sorgen, daß die ungarischen Abgeordneten und Delegirten in Zukunft
sich nicht mehr der flinken Feder des Herrn Max Falk für ihre Staatsschriften
bedienen, damit kein Zweifel an der Aufrichtigkeit der in ihren Adressen und
Referaten ausgesprochenen Überzeugungen entstehen kann. Bei dieser Gelegenheit
wurde auch mit Bedauern bemerkt, daß die magyarisch geschriebenen ungarischen
Blätter in Berlin nicht gelesen würden. Das ist in der That zu bedauern,
aber in dieses Schicksal müssen sich kleine Nationen finde". Wenn heute noch
die Verkehrssprache in Ungarn die lateinische wäre, würden wir, ich meine,
wir nächsten Nachbarn, ohne Frage über dortige Verhältnisse uns leichter
orientiren können, während jetzt thatsächlich schon für uns hinter der Mur und
Leitha und deu kleinen Karpathen eine fremde Welt liegt. Unsre Kinder werden
allerdings, um in Österreich noch geduldet zu werden, wahrscheinlich ein halbes
Dutzend Sprachen erlernen müssen, die außerhalb Österreichs von niemand
verstanden werden, und ihnen wird es auf eine mehr nicht ankommen, überdies
eine, die wenigstens den Zugang zu einer Litteratur öffnet. Auf das jetzige
Geschlecht ist aber schwerlich noch zu rechnen. Es wird sogar behauptet,
daß nicht einmal alle Minister sich geläufig im Slovenischen ausdrücken könnten,
ein Mißstand, der woyl demnächst zum Gegenstande einer Jnterpellation gemacht
werden wird. An die Minister andrer Staaten werden nicht so große An¬
forderungen gestellt, ihre Muttersprache und Französisch genügen in der Regel,
bemüht sich ein Gesandter, die Sprache des Landes, in dem er accreditirt ist,


und kleine Herren. Für viele gehört, wie es scheint, zum Morgenkaffee außer
der Zigarre auch der eigne Name in Druckerschwärze, und dieser Genuß muß
durch kleine Gefälligkeiten erkauft werden. Man lädt die Redakteure zu sich
ein und läßt es sich gefallen, von ihnen an öffentlichen Orten vertraulich be¬
grüßt zu werden, und dafür entschädigt man sich im Kreise der Standes¬
genossen durch Klagen über die Zudringlichkeit des „Federviehs", mit dem
man sich leider bei diesen Zeiten gut stellen müsse u. s. in. Doch ist damit nicht
immer die Sache abgethan. Solche sozusagen freundschaftliche Beziehungen
können gefährlicher werden, als die geschäftsmäßig geregelte» mit Soll und
Haben, Saldo mir und Saldo dir. Ein Staatsmann hat das Recht zu sagen:
„Ich bin nur für das verantwortlich, was in amtlicher Form auftritt." Wie
aber will der Privatmann die Frage beantworten, weshalb er gerade dieses
oder jenes Journal mit seinem Vertrauen beehre, dessen politische Färbung
ihm doch bekannt sein müsse? Kann erden Verdacht abwehren, daß die Über¬
einstimmung mit der politischen Haltung des Blattes seine Wahl bestimmt
habe? Und daraus können allerdings sehr lästige Folgerungen gezogen werden.

Was den Anstifter des ganzen Lärms betrifft, so hat er augenscheinlich
nur von sich reden machen wollen, und es ist verständlich, daß seine magya¬
rischen Kollegen entrüstet ausrufen: „Was geht es uns an, wenn das deutsche
Organ der Budapester Börse sich wichtig macht?" Nur werden sie gut thun,
dafür zu sorgen, daß die ungarischen Abgeordneten und Delegirten in Zukunft
sich nicht mehr der flinken Feder des Herrn Max Falk für ihre Staatsschriften
bedienen, damit kein Zweifel an der Aufrichtigkeit der in ihren Adressen und
Referaten ausgesprochenen Überzeugungen entstehen kann. Bei dieser Gelegenheit
wurde auch mit Bedauern bemerkt, daß die magyarisch geschriebenen ungarischen
Blätter in Berlin nicht gelesen würden. Das ist in der That zu bedauern,
aber in dieses Schicksal müssen sich kleine Nationen finde». Wenn heute noch
die Verkehrssprache in Ungarn die lateinische wäre, würden wir, ich meine,
wir nächsten Nachbarn, ohne Frage über dortige Verhältnisse uns leichter
orientiren können, während jetzt thatsächlich schon für uns hinter der Mur und
Leitha und deu kleinen Karpathen eine fremde Welt liegt. Unsre Kinder werden
allerdings, um in Österreich noch geduldet zu werden, wahrscheinlich ein halbes
Dutzend Sprachen erlernen müssen, die außerhalb Österreichs von niemand
verstanden werden, und ihnen wird es auf eine mehr nicht ankommen, überdies
eine, die wenigstens den Zugang zu einer Litteratur öffnet. Auf das jetzige
Geschlecht ist aber schwerlich noch zu rechnen. Es wird sogar behauptet,
daß nicht einmal alle Minister sich geläufig im Slovenischen ausdrücken könnten,
ein Mißstand, der woyl demnächst zum Gegenstande einer Jnterpellation gemacht
werden wird. An die Minister andrer Staaten werden nicht so große An¬
forderungen gestellt, ihre Muttersprache und Französisch genügen in der Regel,
bemüht sich ein Gesandter, die Sprache des Landes, in dem er accreditirt ist,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/575>, abgerufen am 04.07.2024.