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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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ZVoermanns Geschichte der Malerei.

Betrachtungen anzustellen, wie sich Woltmcinn dieser veränderten Methode seiner
Wissenschaft gegenüber, die an "Akribie" mit der Thätigkeit eines Philologen
wetteifert, verhalten hätte, wenn ihm ein längeres Leben beschieden gewesen
wäre. Doch ist bei der großen Beweglichkeit seines Geistes, bei der Freudig¬
keit, mit der er jeden neuen Gewinn seiner Wissenschaft begrüßte, mit Wahr¬
scheinlichkeit anzunehmen, daß auch er die Berechtigung der neuen Methode
ohne Rückhalt anerkannt und ihre Ergebnisse in sein Werk verarbeitet hätte

Sein Fortsetzer, der mitten im lebendigen Strome der Wissenschaft steht,
war jedenfalls dazu verpflichtet, und so ist unter seinen Händen die "Geschichte
der Malerei" zugleich zu einem Sammelplatze aller in das Gebiet fallenden
Einzelforschungen geworden, ohne daß der Charakter des Buches, das nach dem
Wunsche Woltmanns ebensowohl bei den Fachmännern wie bei dem kunst¬
liebenden Publikum auf Teilnahme rechnet, wesentlich verändert worden wäre.

Als Woltmann am 6. Februar 1880 starb, hatte er seine Arbeit bis zum
Beginn der Geschichte der Malerei des 15. Jahrhunderts in Oberitalien ge¬
fördert. Mit der Charakteristik Mcmtegnas schließt seine Thätigkeit an dem
Werke, dem er seine letzte Kraft gewidmet hatte, ab. Auf seinen Wunsch über¬
nahm Hubert Janitschek die Bearbeitung der beiden folgenden Kapitel, die sich
mit den Schulen von Venedig, Ferrara und Bologna beschäftigen. Was er
beigesteuert hat, sind nur etwa fünfzig Seiten, für die noch einige Vorarbeiten
Woltmanns vorlagen. Alsdann beginnt die Arbeit Woermanns, dem mithin
nicht nur der größte und schwierigste, sondern auch der dankbarste Teil der
noch zu überwältigenden Aufgabe zugefallen war. Woermann war dem Buche
von Anfang an kein Fremder. Seine gründlichen Untersuchungen über die
Geschichte der antiken Malerei hatten Woltmann veranlaßt, ihn zur Bearbeitung
des ersten Teiles, der Malerei im alten Orient, im griechischen und italienischen
Altertum, heranzuziehen, deren Darstellung nach dem Plane Woltmanns in
dem Werke nicht fehlen durfte, sodaß es damit nach dieser Seite hin auch äußerlich
über das Kuglersche hinausging. Woermann trug sich überdies mit dem Ge¬
danken, eine allgemeine Geschichte der Landschaftsmalerei zu schreiben, und zu
diesem Zwecke hatte er über zwei Jahre ausgedehnte Reisen gemacht, auf denen
er alle hervorragenden und bemerkenswerten Kunstsammlungen Europas besucht
hatte. Kurz vor dem Tode Woltmanns hatte er in seinen "Kunst- und Natur¬
skizzen" in großen Zügen ein Bild von dem Umfange seiner Studien gegeben,
und so durfte ihm der Verleger in vollem Vertrauen auf zureichende Kraft die
Fortführung eines Unternehmens übertragen, das schon im Interesse der Wissen¬
schaft kein Torso bleiben durfte.

Bei einem Rückblick auf das nunmehr glücklich vollendete Werk darf nicht
verschwiegen werden, daß die ersten von Woermann bearbeiteten Lieferungen
den Unterschied zwischen seiner und Woltmanns Art so scharf erkennen ließen,
daß die Befürchtung entstand, es würde unter der allzu reichlichen Ausbreitung


ZVoermanns Geschichte der Malerei.

Betrachtungen anzustellen, wie sich Woltmcinn dieser veränderten Methode seiner
Wissenschaft gegenüber, die an „Akribie" mit der Thätigkeit eines Philologen
wetteifert, verhalten hätte, wenn ihm ein längeres Leben beschieden gewesen
wäre. Doch ist bei der großen Beweglichkeit seines Geistes, bei der Freudig¬
keit, mit der er jeden neuen Gewinn seiner Wissenschaft begrüßte, mit Wahr¬
scheinlichkeit anzunehmen, daß auch er die Berechtigung der neuen Methode
ohne Rückhalt anerkannt und ihre Ergebnisse in sein Werk verarbeitet hätte

Sein Fortsetzer, der mitten im lebendigen Strome der Wissenschaft steht,
war jedenfalls dazu verpflichtet, und so ist unter seinen Händen die „Geschichte
der Malerei" zugleich zu einem Sammelplatze aller in das Gebiet fallenden
Einzelforschungen geworden, ohne daß der Charakter des Buches, das nach dem
Wunsche Woltmanns ebensowohl bei den Fachmännern wie bei dem kunst¬
liebenden Publikum auf Teilnahme rechnet, wesentlich verändert worden wäre.

Als Woltmann am 6. Februar 1880 starb, hatte er seine Arbeit bis zum
Beginn der Geschichte der Malerei des 15. Jahrhunderts in Oberitalien ge¬
fördert. Mit der Charakteristik Mcmtegnas schließt seine Thätigkeit an dem
Werke, dem er seine letzte Kraft gewidmet hatte, ab. Auf seinen Wunsch über¬
nahm Hubert Janitschek die Bearbeitung der beiden folgenden Kapitel, die sich
mit den Schulen von Venedig, Ferrara und Bologna beschäftigen. Was er
beigesteuert hat, sind nur etwa fünfzig Seiten, für die noch einige Vorarbeiten
Woltmanns vorlagen. Alsdann beginnt die Arbeit Woermanns, dem mithin
nicht nur der größte und schwierigste, sondern auch der dankbarste Teil der
noch zu überwältigenden Aufgabe zugefallen war. Woermann war dem Buche
von Anfang an kein Fremder. Seine gründlichen Untersuchungen über die
Geschichte der antiken Malerei hatten Woltmann veranlaßt, ihn zur Bearbeitung
des ersten Teiles, der Malerei im alten Orient, im griechischen und italienischen
Altertum, heranzuziehen, deren Darstellung nach dem Plane Woltmanns in
dem Werke nicht fehlen durfte, sodaß es damit nach dieser Seite hin auch äußerlich
über das Kuglersche hinausging. Woermann trug sich überdies mit dem Ge¬
danken, eine allgemeine Geschichte der Landschaftsmalerei zu schreiben, und zu
diesem Zwecke hatte er über zwei Jahre ausgedehnte Reisen gemacht, auf denen
er alle hervorragenden und bemerkenswerten Kunstsammlungen Europas besucht
hatte. Kurz vor dem Tode Woltmanns hatte er in seinen „Kunst- und Natur¬
skizzen" in großen Zügen ein Bild von dem Umfange seiner Studien gegeben,
und so durfte ihm der Verleger in vollem Vertrauen auf zureichende Kraft die
Fortführung eines Unternehmens übertragen, das schon im Interesse der Wissen¬
schaft kein Torso bleiben durfte.

Bei einem Rückblick auf das nunmehr glücklich vollendete Werk darf nicht
verschwiegen werden, daß die ersten von Woermann bearbeiteten Lieferungen
den Unterschied zwischen seiner und Woltmanns Art so scharf erkennen ließen,
daß die Befürchtung entstand, es würde unter der allzu reichlichen Ausbreitung


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[0520] ZVoermanns Geschichte der Malerei. Betrachtungen anzustellen, wie sich Woltmcinn dieser veränderten Methode seiner Wissenschaft gegenüber, die an „Akribie" mit der Thätigkeit eines Philologen wetteifert, verhalten hätte, wenn ihm ein längeres Leben beschieden gewesen wäre. Doch ist bei der großen Beweglichkeit seines Geistes, bei der Freudig¬ keit, mit der er jeden neuen Gewinn seiner Wissenschaft begrüßte, mit Wahr¬ scheinlichkeit anzunehmen, daß auch er die Berechtigung der neuen Methode ohne Rückhalt anerkannt und ihre Ergebnisse in sein Werk verarbeitet hätte Sein Fortsetzer, der mitten im lebendigen Strome der Wissenschaft steht, war jedenfalls dazu verpflichtet, und so ist unter seinen Händen die „Geschichte der Malerei" zugleich zu einem Sammelplatze aller in das Gebiet fallenden Einzelforschungen geworden, ohne daß der Charakter des Buches, das nach dem Wunsche Woltmanns ebensowohl bei den Fachmännern wie bei dem kunst¬ liebenden Publikum auf Teilnahme rechnet, wesentlich verändert worden wäre. Als Woltmann am 6. Februar 1880 starb, hatte er seine Arbeit bis zum Beginn der Geschichte der Malerei des 15. Jahrhunderts in Oberitalien ge¬ fördert. Mit der Charakteristik Mcmtegnas schließt seine Thätigkeit an dem Werke, dem er seine letzte Kraft gewidmet hatte, ab. Auf seinen Wunsch über¬ nahm Hubert Janitschek die Bearbeitung der beiden folgenden Kapitel, die sich mit den Schulen von Venedig, Ferrara und Bologna beschäftigen. Was er beigesteuert hat, sind nur etwa fünfzig Seiten, für die noch einige Vorarbeiten Woltmanns vorlagen. Alsdann beginnt die Arbeit Woermanns, dem mithin nicht nur der größte und schwierigste, sondern auch der dankbarste Teil der noch zu überwältigenden Aufgabe zugefallen war. Woermann war dem Buche von Anfang an kein Fremder. Seine gründlichen Untersuchungen über die Geschichte der antiken Malerei hatten Woltmann veranlaßt, ihn zur Bearbeitung des ersten Teiles, der Malerei im alten Orient, im griechischen und italienischen Altertum, heranzuziehen, deren Darstellung nach dem Plane Woltmanns in dem Werke nicht fehlen durfte, sodaß es damit nach dieser Seite hin auch äußerlich über das Kuglersche hinausging. Woermann trug sich überdies mit dem Ge¬ danken, eine allgemeine Geschichte der Landschaftsmalerei zu schreiben, und zu diesem Zwecke hatte er über zwei Jahre ausgedehnte Reisen gemacht, auf denen er alle hervorragenden und bemerkenswerten Kunstsammlungen Europas besucht hatte. Kurz vor dem Tode Woltmanns hatte er in seinen „Kunst- und Natur¬ skizzen" in großen Zügen ein Bild von dem Umfange seiner Studien gegeben, und so durfte ihm der Verleger in vollem Vertrauen auf zureichende Kraft die Fortführung eines Unternehmens übertragen, das schon im Interesse der Wissen¬ schaft kein Torso bleiben durfte. Bei einem Rückblick auf das nunmehr glücklich vollendete Werk darf nicht verschwiegen werden, daß die ersten von Woermann bearbeiteten Lieferungen den Unterschied zwischen seiner und Woltmanns Art so scharf erkennen ließen, daß die Befürchtung entstand, es würde unter der allzu reichlichen Ausbreitung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/520>, abgerufen am 22.07.2024.