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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr.

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Die Gebietsentwicklung der Ginzelstaaten Deutschlands.

Grafschaften Eberstein und Sponheim zum Teil, das Gebiet von Gemmingen,
die Herrschaften Nodemachern, Reichersberg, Herspringen, Bolcheren, Üfel-
dingen im luxemburgischen Gebiete, die feste Stadt Kehl, zeitweilig die Land-
vogtei Ortenau und manche andre kleinere Herrschaften wurden nach und nach
erworben.

Die zum Katholizismus zurückgetretene Linie Baden-Baden starb im Jahre
1771 aus, und ihr tiefverschüttetes Land fiel der evangelischen Linie Baden"
Durlach zu. Markgraf Karl Friedrich, von badischen Geschichtsschreibern wohl
der "große Markgraf" genannt, vereinigte wieder die sämtlichen Besitzungen seines
Hauses. Der von ihm beherrschte Staat (Baden-Baden 35^/,, Durlach 29-/,
Quadratmeilen) umfaßte 65 Quadratmeilen mit einer Bevölkerung von 216000
Einwohnern. Im Jahre 1796 machten die Franzosen einen Einfall in Baden,
und der Markgraf sah sich gezwungen, in einem Sondersrieden seinen Anteil
an der Grafschaft Sponheim, die Herrschaft Rodemachern nebst den übrigen Be¬
sitzungen in Luxemburg und die Stadt Kehl an die französische Republik ab¬
zutreten. Für diese Landesteile, die man auf nahezu 14 Quadratmeilen be¬
rechnete, wurde ihm spätere Entschädigung in Aussicht gestellt.

Diese Entschädigung brachte auch für Baden der Reichsdeputationshaupt-
schluß, und sie fiel sehr reichlich aus, da der Markgraf sich russischen Schutzes
und russischer Fürsprache erfreute, die bei jener Gebietsumwälzung in Deutsch,
land fast ebenso viel wert waren wie die Gunst Frankreichs und seines ersten
Konsuls. Baden erhielt das Hochstift Konstanz, die rechtsrheinischen Gebiete
der Hochstifter Basel, Straßburg und Speier, die pfälzischen Oberämter Laden¬
burg, Breiten, Heidelberg, die bisher nasfauische Herrschaft Lahr, sowie die
früher hessischen Ämter Lichtenau und Wildstädt, die Neichsabteien Schwarzach,
Frauenalb, Allerheiligen, Lichtenthal, Gengenbach, Ettenheim-Münster, Peters¬
hausen, Reichenau, Öhningen, Schultern, Sälen, Oberbein, Salmansweiler,
die ehemaligen freien Reichsstädte Offenburg, Zell samt dem Theile am Hammers¬
bach, Gengenbach, Üeberlingcn, Biberach, Pfüllendorf, Wimpfen. Alle diese
Landesteile zusammen umfaßten 62-/, Quadratmeilen. Das Gebiet des Staates,
das durch die Abtretungen am linken Rheinufer auf 51^/, Quadratmeilen ver¬
kleinert war, wurde hierdurch auf 114 Quadratmeilen gebracht. Der Mark¬
graf erlangte die Kurwürde.

Pfalz-Baden, wie damals das neugeschaffene Kurfürstentum amtlich ge¬
nannt wurde, zerfiel zu jener Zeit in drei Teile: 1. die badische Markgraf¬
schaft, wozu außer altbadischen Landesteilen das Fürstentum Ettenheim. die
Grafschaft Gengenbach, die Herrschaften Lahr und Lichtenau und das baselsche
Amt Schlierigen gehörten; 2. die badische Pfalzgrafschaft bei Rhein, die außer
dem Fürstentum Bruchsal und einigen andern altbadischen Orten die rechts¬
rheinischen Teile der Pfalz und des Bistums Speier umfaßte; 3. das ba¬
dische obere Fürstentum, umfassend das frühere Hochstift Konstanz, die Reichs-


Die Gebietsentwicklung der Ginzelstaaten Deutschlands.

Grafschaften Eberstein und Sponheim zum Teil, das Gebiet von Gemmingen,
die Herrschaften Nodemachern, Reichersberg, Herspringen, Bolcheren, Üfel-
dingen im luxemburgischen Gebiete, die feste Stadt Kehl, zeitweilig die Land-
vogtei Ortenau und manche andre kleinere Herrschaften wurden nach und nach
erworben.

Die zum Katholizismus zurückgetretene Linie Baden-Baden starb im Jahre
1771 aus, und ihr tiefverschüttetes Land fiel der evangelischen Linie Baden«
Durlach zu. Markgraf Karl Friedrich, von badischen Geschichtsschreibern wohl
der „große Markgraf" genannt, vereinigte wieder die sämtlichen Besitzungen seines
Hauses. Der von ihm beherrschte Staat (Baden-Baden 35^/,, Durlach 29-/,
Quadratmeilen) umfaßte 65 Quadratmeilen mit einer Bevölkerung von 216000
Einwohnern. Im Jahre 1796 machten die Franzosen einen Einfall in Baden,
und der Markgraf sah sich gezwungen, in einem Sondersrieden seinen Anteil
an der Grafschaft Sponheim, die Herrschaft Rodemachern nebst den übrigen Be¬
sitzungen in Luxemburg und die Stadt Kehl an die französische Republik ab¬
zutreten. Für diese Landesteile, die man auf nahezu 14 Quadratmeilen be¬
rechnete, wurde ihm spätere Entschädigung in Aussicht gestellt.

Diese Entschädigung brachte auch für Baden der Reichsdeputationshaupt-
schluß, und sie fiel sehr reichlich aus, da der Markgraf sich russischen Schutzes
und russischer Fürsprache erfreute, die bei jener Gebietsumwälzung in Deutsch,
land fast ebenso viel wert waren wie die Gunst Frankreichs und seines ersten
Konsuls. Baden erhielt das Hochstift Konstanz, die rechtsrheinischen Gebiete
der Hochstifter Basel, Straßburg und Speier, die pfälzischen Oberämter Laden¬
burg, Breiten, Heidelberg, die bisher nasfauische Herrschaft Lahr, sowie die
früher hessischen Ämter Lichtenau und Wildstädt, die Neichsabteien Schwarzach,
Frauenalb, Allerheiligen, Lichtenthal, Gengenbach, Ettenheim-Münster, Peters¬
hausen, Reichenau, Öhningen, Schultern, Sälen, Oberbein, Salmansweiler,
die ehemaligen freien Reichsstädte Offenburg, Zell samt dem Theile am Hammers¬
bach, Gengenbach, Üeberlingcn, Biberach, Pfüllendorf, Wimpfen. Alle diese
Landesteile zusammen umfaßten 62-/, Quadratmeilen. Das Gebiet des Staates,
das durch die Abtretungen am linken Rheinufer auf 51^/, Quadratmeilen ver¬
kleinert war, wurde hierdurch auf 114 Quadratmeilen gebracht. Der Mark¬
graf erlangte die Kurwürde.

Pfalz-Baden, wie damals das neugeschaffene Kurfürstentum amtlich ge¬
nannt wurde, zerfiel zu jener Zeit in drei Teile: 1. die badische Markgraf¬
schaft, wozu außer altbadischen Landesteilen das Fürstentum Ettenheim. die
Grafschaft Gengenbach, die Herrschaften Lahr und Lichtenau und das baselsche
Amt Schlierigen gehörten; 2. die badische Pfalzgrafschaft bei Rhein, die außer
dem Fürstentum Bruchsal und einigen andern altbadischen Orten die rechts¬
rheinischen Teile der Pfalz und des Bistums Speier umfaßte; 3. das ba¬
dische obere Fürstentum, umfassend das frühere Hochstift Konstanz, die Reichs-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_203434/507>, abgerufen am 24.08.2024.